In guten Händen alt werden
Die Pflege der älteren Generation wird zum Großteil von Angehörigen übernommen. Eine psychische und physische Belastung, die oft unterschätzt wird.
Derzeit sind etwa 88.000 Menschen in Oberösterreich über 80 Jahre alt. In Alten- oder Pflegeheimen gibt rund 12.600 Plätze, wobei fünf bis zehn Prozent derzeit aufgrund der fehlenden Pflegekräfte nicht belegt werden können. Das bedeutet, dass es für weniger als 15 Prozent der über 80-Jährigen ein Bett im Heim gibt. Der weitaus überwiegende Anteil der Betreuungs- und Pflegearbeit der älteren Generation liegt demnach auf den Schultern der Familie und Angehörigen. So auch bei der Familie von Frau B. aus Putzleinsdorf. Sie pflegte zwei Tanten und die Eltern ihres Mannes. Seit zwei Jahren übernimmt sie nun den Großteil der Pflegearbeit für ihre 85-jährige Mutter. Eine Verantwortung, die die Bäuerin auf sich nimmt, weil sie ihren Angehörigen das gewünschte Leben zu Hause ermöglichen will. Einkaufen, Waschen, Arztbesuche, Medikamente vorbereiten und bei der Körperhygiene unterstützen die Liste ihrer Aufgaben ist lang. Zurzeit nimmt sie die Hilfe von mobilen Diensten in Anspruch. Ihre Geschwister helfen, wo sie können, jedoch ist das mit dem Beruf nicht immer gut vereinbar. Sie könne sich als Selbstständige die Arbeit flexibler einteilen.
Hilfe einfordern
Finanzielle Unterstützung erhält man in Form von Pflegegeld. Dazu werden die zu pflegenden Personen in Stufen von eins bis sieben eingeteilt. Je höher der Pflegeaufwand umso höher die Stufe und somit die Summe, die man als Unterstützung für Aufwändungen erhält. Die Stufe eins startet derzeit mit mehr als 65 Stunden Aufwand mit 192 Euro pro Monat. Welche Stufe man erhält, entscheidet ein ärztlicher oder pflegerischer Gutachter. „Das hat mich viele Nerven gekostet. Der Gutachter kommt für weniger als eine Stunde zu Besuch und stellt dann die Pflegestufe fest. In dieser Zeit kann man kein realistisches Bild von dem Pflegeaufwand oder dem Alltag bekommen“, so Frau B. über die Einstufung ihrer Mutter. Entscheidend ist die Pflegestufe nicht nur für das Pflegegeld, sondern auch für zusätzliche Förderungen und Zuschüsse, die man beantragen kann. Ein wichtiger Punkt für Frau B., die bei einer verdienten Auszeit auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen ist. Mit einer Pflegestufe über drei kann sie dafür als Selbstständige zusätzlich eine Förderung von bis zu 800 Euro monatlich beim Land OÖ beantragen. Außerdem bieten die PVA und die SVS einen Angehörigenbonus von monatlich 125 Euro ab Stufe vier an. Vorausgesetzt das Netto-Einkommen ist gering genug. Ende 2022 entfiel die Hälfte der Pflegegeld-Bezieher auf die Stufen eins und zwei, 19 Prozent bezogen ein Pflegegeld der Stufe drei, der Rest entfiel auf die vier höheren. „Für die Pflegestufe vier musste ich kämpfen. Ich habe noch einmal um ein Gespräch gebeten, um den Alltag mit meiner Mutter realistisch zu beschreiben. Danach wurde sie endlich höher eingestuft“, erzählt die 57-Jährige.
Es ist ein mentaler Stress und eine große Verantwortung. Man ist rund um die Uhr auf Abruf und hat keine Freizeit. Aber da muss man reinwachsen, da hilft nichts.
Frau B. aus Putzleinsdorf
Für eine 24-Stunden-Pflege wurde ihr die Förderung mit 800 Euro pro Monat zugesagt. Gedeckt sind die Kosten damit jedoch nicht. Die Pension ihrer Mutter und ein Teil der Pension von ihrem Vater müssen zusätzlich dafür aufgewendet werden, sobald sie die Pflegearbeit nicht selbst übernehmen kann. Würde sie ihre Mutter ins Pflegeheim geben, würde die Kosten, die ihre Pension übersteigen, die Sozialhilfe übernehmen. Trotzdem ist das für Frau B. keine Option: „Sie haben mir auch immer geholfen. Das möchte ich ihnen zurückgeben“, erklärt sie.
Auf das eigene Wohl achten
Das jahrelange Pflegen habe sie bis jetzt vor allem durch den guten Kontakt zum Hausarzt, regelmäßige Auszeit und den Austausch mit anderen Pflegenden geschafft. Seit 2008 besucht Frau B. den Stammtisch für pflegende Angehörige im Nachbarsort. In Sarleinsbach wurde der Stammtisch von Bernhard Lang in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen und wird bis heute von ihm geleitet. „Meine Frau und ich haben bei der Pflege unserer Angehörigen entdeckt, dass man dadurch in eine totale Isolation kommt“, erzählt Lang und ergänzt, „um den sozialen Kontakt für andere Pflegende zu fördern, habe ich den Stammtisch gegründet.“ Jeden zweiten Montag im Monat trifft sich die Gruppe zum Austausch. Immer wieder werden auch Vorträge organisiert. „Pflege ist ein sehr komplexes Thema. Es spielen Finanzierungen eine Rolle aber auch Pflegehilfen. Umso wichtiger ist es, persönliche Erfahrungen austauschen zu können“, erklärt Lang. Die psychische Belastung für pflegende Angehörige sei laut ihm nicht zu unterschätzen, deshalb weist er darauf hin: „Das junge Leben hat Vorrang vor dem alten. Es ist kein Versagen sich Hilfe zu holen und es ist auch keine Schande, jemanden ins Altersheim zu bringen“, so Lang. Tendenziell sinkt die Zahl der pflegenden Angehörigen in Österreich. Die pflegebedürftigen Personen sollen sich laut Prognosen bis 2050 jedoch verdoppeln (steigende Lebenserwartung, sinkende Kinderzahl). Ob dann noch der Großteil der Pflegearbeit von Angehörigen übernommen werden kann, steht in den Sternen.
Hilfe für Pflegende Angehörige
■ In vielen oö. Gemeinden werden von der Gesunden Gemeinde oder von der Caritas Stammtische für pflegende Angehörige angeboten. Die Infos liegen in den jeweiligen Gemeinden vor.
■ Die Caritas bietet eine psychosoziale Beratung an. Das Gespräch ist streng vertraulich und kostenlos. Telefonische Terminvereinbarung unter: +43 676 8776 2440
■ Erholungstage werden dreimal jährlich jeweils für fünf Tage in Bad Mühllacken, Bad Kreuzen und St. Agatha und für sechs Tage in Windischgarsten von der Caritas organisiert. Die zu pflegende Person kann an den Erholungstagen teilnehmen. Die Kosten dafür sind unter bestimmten Voraussetzungen förderbar. Mehr Informationen unter: www.caritas-pflege.at/oberoesterreich/pflegende-angehoerige/erholungstage
■ Die Österreichische Gesundheitskasse bietet ein spezielles Kurangebot für pflegende Angehörige. Während der Kur wird eine Betreuung des pflegebedürftigen Familienmitglieds organisiert. Rückfragen an: 05/0766-14 50 37 50
Bildquellen
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