Das Gute liegt auch mal fern
Auf der Couch mit dem Handy vor der Nase anstatt draußen sein und Tageslicht tanken: Dieses Freizeitverhalten ist nicht nur ungesund, sondern geht auch „ins Auge“.
Mehr Zeit mit Handy, Tablet und Computer, weniger Aufenthalt im Freien: In diese Richtung hat sich die Lebensweise vieler Kinder entwickelt. Das hat Folgen, die ins Auge stechen und zwar im wahrsten Wortsinn: Die Anzahl kurzsichtiger Kinder ist im Steigen, und das weltweit. Im Visier ist die sogenannte „Naharbeit“ für das Auge. „Es gibt zwar noch keinen gesicherten Nachweis dafür, aber die Vermutung liegt nahe, weil die Kurzsichtigkeit global gesehen immer häufiger wird“, sagt Anna Reisinger, Augenärztin in Linz. Ganz stark sei dieser Trend in asiatischen Ländern zu beobachten: Bis zu 95 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind dort bereits kurzsichtig. Als Spitzenreiter wird oft Südkorea genannt, auch China und Taiwan weisen ähnliche Zahlen auf. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2030 weltweit betrachtet jedes zweite Kind kurzsichtig ist.
Mit dem Schauen auf Bildschirme einher geht auch ein Mangel an Tageslicht, da der Nachwuchs damit automatisch weniger Zeit im Freien verbringt. Und genau dies wäre notwendig für eine gesunde Entwicklung des Auges, vor allem in jungen Jahren.
Die im Fachbegriff als „Myopie“ bezeichnete Kurzsichtigkeit bedeutet, dass das Sehen in der Ferne eingeschränkt ist und Konturen verschwommen wahrgenommen werden, während man in der Nähe scharf sieht. Bei der Weitsichtigkeit ist das genau umgekehrt. Häufigste Ursache einer Myopie ist ein zu langer Augapfel. Dazu kommt es, wenn dieser übermäßig in die Länge wächst, was meist erst ab dem Schulalter passiert. Geboren wird der Mensch übrigens mit einer Weitsichtigkeit, mit dem Wachstum verlängert sich auch der Augapfel und hört im Idealfall bei der Normalsichtigkeit auf.
Genetik und Verhalten
Kinder fehlsichtiger Eltern haben ein deutlich erhöhtes Risiko, diese vererbt zu bekommen. „Bei einem Elternteil zu 30 Prozent, sind beide Elternteile betroffen, dann zu 60 Prozent“, sagt Reisinger. Neben der genetischen Veranlagung beeinflussen wie eingangs erwähnt auch Verhalten und Lebensstil diese Entwicklung. Übermäßiges Schauen auf Nahes, wie zum Beispiel Smartphones und Tablet, aber auch Bücher, tut den Augen nicht gut. Aus medizinischer Sicht besteht bei dieser Naharbeit für die Augen kein Unterschied zwischen Buch und Bildschirm. Wie viele Eltern aus eigener Erfahrung aber wissen, nehmen digitale Geräte den Nachwuchs aber noch viel mehr in Beschlag als auf Papier Gedrucktes.
Laut Augenärztin Anna Reisinger gibt es ein einfaches Rezept, um negativen Folgen entgegenzuwirken: „Mindestens zwei Stunden Tageslicht pro Tag reduziert das Risiko für Kinder deutlich, das belegen auch Studien.“ Sind die Möglichkeiten während der Schulwoche begrenzt, könne man dieses Zeitkonto am Wochenende teils nachfüllen. Auch gelte die „20-20-20-Regel“: Nach 20 Minuten Naharbeit für 20 Sekunden 20 Meter in die Ferne schauen. „Das gibt den Augen zwischendurch Zeit, sich zu entspannen“, weiß Reisinger.
Buch vor dem Praxisbesuch
Eine moderate Kurzsichtigkeit wird per Brille oder Linsen korrigiert. Mittlerweile gibt es auch Möglichkeiten, ein zu starkes Fortschreiten zu therapieren (siehe Infokasten). Am Anfang steht jedoch die Untersuchung. Gemäß Eltern-Kind-Pass ist eine fachärztliche Kontrolle rund um den zweiten Geburtstag verpflichtend. „Ich persönlich empfehle auch mit vier Jahren noch eine Kontrolle“, sagt Reisinger. Damit diese in entspannter Atmosphäre ablaufen kann, hat sie gemeinsam mit Orthoptistin Ulrike Pichler ein Buch (siehe Infokasten) herausgebracht, das Kindern mögliche Ängste vor der Untersuchung nimmt. „Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Eltern das Buch schon vorab mit ihrem Kind angeschaut haben“, erzählt Reisinger. Auch bei ihr daheim wird schon eifrig darin geblättert: Die Ärztin ist selbst Mutter eines zweijährigen Buben und demnächst steht der erste Besuch in der Augenarztpraxis an.
Neue Möglichkeiten
Nimmt die Kurzsichtigkeit pro Jahr um mindestens eine halbe Dioptrie (Maßeinheit in der Augenoptik) zu, spricht man von einer fortschreitenden Myopie. Immer häufiger wird mittlerweile auch versucht, diese Entwicklung etwas einzudämmen: Möglichkeiten bieten spezielle Augentropfen, neuartige Brillengläser oder auch Kontaktlinsen. Letztere können bei unsachgemäßer Handhabe jedoch zu Komplikationen führen.
Buchtipp
Die erste Untersuchung beim Augenarzt kann viel Aufregung bedeuten. Doch was passiert dort eigentlich? Mit dem Buch „Ein Fall für Team Adlerauge“ kann man Lena und Pauli beim Besuch in einer Augenarztpraxis begleiten. Erhältlich ist es im Buchhandel (ISBN 978-3-200-09022-4) um 19,40 Euro
Bildquellen
- girl checking vision with tonometer at eye clinic: Foto: Syda Productions - stock.adobe.com
- Kind braucht eine Brille: photophonie- stock.adobe.com