Tracht von Hand gemacht
Dirndl und Lederhose sind Teil der österreichischen Kultur. Als Teil der Mode ist Tracht durch Regionalität und Langlebigkeit ein echtes Vorbild.
Von der Arbeitskleidung über das Gewand von Adel und Bürgertum bis hin zur Garderobe für jedermann: Tracht hat in Österreich eine lange Geschichte und bis heute ihren festen Platz in der Gesellschaft. Sie ist Kulturgut und Modethema gleichermaßen. Wer will, hält sich an überlieferte „Regeln“, wer sich ganz individuell ausdrücken will, der macht sich diese selbst.
Ein Kleid, das allen Damen steht
Das Paradestück ist zweifelsfrei das Dirndlkleid. Oben eng, unten weit, um die Mitte eine Schürze und darunter eine weiße Bluse: Das ist die Kombination, die auch dank ihrer Silhouette viele Fans hat. „Ein Dirndl macht immer eine gute Figur. Der knackige Sitz des Oberteils hebt Vorzüge hervor, der weite Rock kann etwas kaschieren“, sagt Cornelia Calandra von der Trachten Wichtlstube in Edt bei Lambach, wo Modelle bis Größe 58 im Sortiment sind. Die Trachten Wichtlstube ist Oberösterreichs größtes Trachtenfachgeschäft und beherbergt als solches nicht nur die Marken aller bedeutenden Trachtenhersteller, sondern stellt jedes Jahr auch eigene Kollektionen vor. Diese werden direkt im Haus entworfen und genäht.
Schon bei der Stoffauswahl wird Wert auf Regionalität gelegt und Ware aus Österreich gekauft. Die Auswahl trifft Calandra gemeinsam mit ihrer Schwester Andrea Kainberger mit ihr leitet sie auch das Familienunternehmen. „Wir fahren meist schon mit einer gewissen Vorstellung, in welche Richtung es bei Farben und Mustern gehen soll, auf Stoffmessen“, erzählt Calandra. Dort lasse sie sich aber auch gerne inspirieren oder gleich einen Stoff nach den eigenen Wünschen weben.
„Wer Tracht trägt und einen Bezug zu ihr haben möchte, sollte auch darauf schauen, dass sie in Europa produziert worden ist.“
Mit Kreativität zur Kollektion
Wieder daheim wird der Kreativität im Team freien Lauf gelassen. Es wird überlegt, wie die Stoffe zusammengestellt und mit welchen Besonderheiten und Details ergänzt werden könnte. Dann entsteht ein erstes Musterstück. „Das Schönste an meiner Arbeit ist, dass ich so viel Kreativität einbringen kann, und sehr viel Freiraum dafür bekomme“, schwärmt Stefanie Mes, die seit 2017 als Schneidermeisterin im Unternehmen ist. In einem einzigen Dirndl können je nach Ausführung durchaus mehrere Tage Arbeit stecken.
Neue Modelle gibt es jeweils im Frühling und im Herbst, die Auflagen werden jedoch ganz bewusst eher klein gehalten. Produziert wird in der Schneiderei jedoch das ganze Jahr hindurch. „Zum Beispiel für Anlässe wie Hochzeiten oder unsere Standardmodelle, die immer wieder aufgelegt werden“, sagt Mes. Apropos Standardmodelle: Die klassischen Dirndlfarben sind Grün, Blau und Rot. „Beim Grün ist es traditionell das Tannengrün. Es gibt natürlich auch Abweichungen davon, so sind derzeit Olivgrün, Salbei und Mint im Trend“, sagt Calandra. Blau passe quasi jeder Frau und sei immer beliebt, auch die aktuellen Beerentöne würden allen gut stehen.
Tracht ist keine „Fast-Fashion“
Von außergewöhnlichen Farben in der Trachtenmode hält Calandra hingegen nicht viel. „Tracht ist vor allem etwas Langlebiges und keine Fast-Fashion. Von dieser wollen wir uns auch ganz klar distanzieren“, sagt Calandra. Für sie geht es noch einen Schritt weiter: „Wer Tracht trägt und einen Bezug dazu haben möchte, sollte auch darauf schauen, dass sie in Europa produziert worden ist“, so die Expertin.
Der Zweck bestimmt den Stoff
Ob das Dirndl aus Baumwollstoff, Leinen oder Seide sein soll, darüber entscheidet in erster Linie der Einsatzzweck. „Trage ich es häufig, wie zum Beispiel in der Hotellerie oder Gastronomie, dann ist ganz klar Baumwolle der Favorit“, sagt Calandra. Ein Baumwolldirndl ist pflegeleicht und strapazierfähig, Seide ist die elegante Version und für Festtrachten geeignet, Leinenstoffe sind langlebig und aufgrund ihrer Trageeigenschaften im Sommer beliebt.

Tradition und Brauchtum
Für Oberösterreichs Landjugend ist Tracht „ein Zeichen für Bodenständigkeit und Verbundenheit mit der österreichischen Kultur“, sagt Geschäftsführerin Julia Breitwieser. Die Landjugend-Tracht wurde 2011 zur 60-Jahr-Feier der Organisation entworfen und 2018 leicht überarbeitet. Viele Orts- oder Bezirksgruppen haben darüber hinaus noch eigene Trachten. „Es gibt nur wenige Landjugend-Mitglieder in Oberösterreich, die kein Dirndl oder keine Lederhose im Kasten hängen haben“, sagt Breitwieser. Das sei bei großen Landjugendfesten ersichtlich. Ebenso bei Bällen. „Da kommen sicher 98 Prozent in Tracht“, weiß Oberösterreichs Landjugend-Chefin.
So entsteht ein Dirndlkleid

Inspiriert von der Natur, werden die Stoffe für die neue Kollektion ausgesucht. Viel Wert wird auf Ware aus Österreich gelegt Stoffe, Silberknöpfe, Perlmuttknöpfe.

Oberstoff, Futter und Klebevlies werden angezeichnet und zugeschnitten. Je nach Modell besteht ein Dirndl aus 40 bis 43 Einzelteilen.

Das Mieder wird zuerst genäht und mit dem Futter verstärkt, der Rock mit dem Kittelsack wird separat genäht. Sorgfältig gearbeitete Nähte gewährleisten eine gute Passform.

An der Passepilemaschine werden die präzise
angezeichneten Knopflöcher genäht.

Am Arbeitsplatz der Schneiderinnen ist Helligkeit gefragt:
Viel Tageslicht und gute Beleuchtung sind wichtig.

Knöpfe sowie Verzierungen und Applikationen werden zuletzt angebracht.

Gebügelt wird zwischendurch und natürlich ganz zuletzt, ehe die Schürze am Kleid befestigt wird.

Das fertige Dirndl lässt die Trägerin strahlen und macht die Schneiderin stolz auf ihr Werk.
Bildquellen
- 2024-11-02_LV-Fotoshooting_Gruppenfoto alle quer_gehend (3): landjugend oö
- Trachten Wichtlstube – Produktion: Wichtelstube
- Trachten Wichtlstube – Produktion: Wichtelstube
- 4 Nähen: Wichtelstube
- Trachten Wichtlstube – Produktion: Wichtelstube
- schneiderinnen: Lustaufsland/lindinger-cacha
- 5 Knöpfe: Wichtlstube
- 6 Bügeln: Wichtlstube
- Trachten Wichtlstube – Produktion: Wichtlstube
- wichtlstube: wichtlstube