Das Haustier als Lehrmeister
Es gibt viele positive Aspekte, die der Umgang mit Tieren auf Kinder hat. Sich einen tierischen Hausgenossen anzuschaffen sollte dennoch gut überlegt sein.
Jedes Kind liebt Kuscheltiere, aber vielen ist das nicht genug: Sie wünschen sich früher oder später ein echtes Haustier. Ihr Bitten und Betteln darum sollte aber nicht der einzige Grund sein, sich ein Tier ins Haus zu holen. Eltern müssen sich darüber im Klaren sein, dass ein Kind nicht die alleinige Verantwortung für ein Tier tragen kann. Ein eigenes Haustier bedeutet eine zusätzliche Aufgabe für die ganze Familie. Wenn diese geschlossen hinter dem Wunsch nach einem neuen „Familienmitglied“ steht, ist das schon eine gute Voraussetzung für das Zusammenleben mit einem tierischen Hausgenossen, das den Alltag für alle bereichern kann.
Tägliche Freude, tägliche Pflichten
Natürlich gibt es noch ein paar andere Fragen zu klären – zum Beispiel: Welches Tier passt am besten zu den zeitlichen, räumlichen und finanziellen Ressourcen einer Familie? Nicht jedes Tier eignet sich zum Kuscheln und Spielen. Außerdem gibt es mit ihm nicht nur Freuden zu erleben, sondern auch Arbeit: Füttern, sauber halten und seinen Bedürfnissen nachzukommen macht nicht immer Spaß, muss aber trotzdem jeden Tag sein. Schließlich ist ein Tier kein Spielzeug, das nur nach Lust und Laune benutzt wird.
Positive Mensch-Tier-Beziehung
Die Beziehung zu einem Tier kann für Kinder sehr bereichernd sein. Aus wissenschaftlicher Sicht lassen sich diese unterscheiden in psychologische Auswirkungen, neurobiologische Effekte und soziale Aspekte, wie Brigitte Rametsteiner erklärt. Sie ist Projektmanagerin für „Tiergestützte Intervention am Bauernhof“ (TGI). Als tiergestützte Intervention wird der gezielte Einsatz von Tieren für pädagogische, psychologische und sozialintegrative Angebote bezeichnet, am Bauernhof werden diese mithilfe von Nutztieren gemacht. „Es gibt Studien, die beweisen können, dass Tiere beim Menschen Depressionen mildern und Angst reduzieren können“, sagt Rametsteiner. Tiere könnten in Stresssituationen viel abfedern. Außerdem fördere Kontakt mit Tieren die Empathiefähigkeit eines Menschen. „Kinder, die viele Tierkontakte haben, sind in der Interaktion eloquenter, offener und interessierter. Das heißt, sie sind auch in Konfliktsituationen empathischer“, so Rametsteiner. Ebenso sei nachgewiesen, dass bei Tierkontakt die Ausschüttung von Oxytocin angeregt wird – das ist ein Hormon, das etwa auch beim Stillen aktiviert und daher oft als „Bindungshormon“ oder „Kuschelhormon“ bezeichnet wird.
Die erwähnten positiven Auswirkungen auf den Menschen seien die Basisfunktionen einer Mensch-Tier-Beziehung, die in Therapie und Förderung noch gezielter genutzt werden. „Durch Tierkontakte werden alle Sinneswahrnehmungen angeregt“, weiß die Expertin.
In der vom Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) seit mehr als 15 Jahren forcierten Tiergestützten Intervention am Bauernhof werden landwirtschaftliche Nutztiere eingesetzt. „Die Hühner sind dabei immer ein Renner“, berichtet Rametsteiner, „sie üben eine enorme Faszination aus, egal ob auf Jung oder Alt.“ Das Huhn spreche durch seine Größe die Fürsorgerolle des Menschen an. Durch seine höhere Körpertemperatur fühlt es sich immer schön warm an. „Auch das Federkleid stellt für die meisten eine ganz interessante Erfahrung dar, weil es viel weicher ist, als man denkt. Die Tiere selbst sind ebenso leichter, als man meint, und sie sind ganz ruhig, wenn man sie im Arm hält.“ Im Gegenzug dazu flöße der spitze Schnabel der Tiere etwas Respekt ein und es brauche Mut, ein Huhn aus der Hand fressen zu lassen.
Kinder können viel lernen
Durch ein Haustier lernen Kinder, was es bedeutet, Verantwortung zu tragen und Rücksicht auf die Bedürfnisse von anderen zu nehmen. Kinder, die für das Wohlergehen eines Tieres sorgen, es füttern und pflegen, stärken dadurch auch das eigene Selbstwertgefühl. Sie bekommen ein Gefühl dafür, was es heißt, zuverlässig und konsequent zu sein.
„Ganz viel Positives“ kann Astrid Schallauer aus Walding berichten, wenn sie von ihrem Familienleben mit Kindern und Hund erzählt. „Unser Hund ist wirklich ein Teil der Familie, er ist auf jedem Foto mit drauf und bei jedem Fest dabei. Wenn meine Kinder später an ihre Kindheit zurückdenken werden, wird der Hund immer ein zentraler Teil davon sein, davon bin ich überzeugt“, sagt Schallauer. Beruflich ist sie als Kinderpsychologin tätig, der Hund kam vor drei Jahren aber ins Haus, weil die Kinder ihn sich so sehr gewünscht haben. „Das hätte ich mir auch als Psychologin nicht erwartet, dass der Hund so ein identitätsstiftender Teil der Familie wird“, sagt sie. Das Tier bringe viel Freude ins Familienleben und sei oft Gesprächsthema, „es dreht sich einfach viel um den Hund“. Ein Haustier bringe aber auch Verantwortung mit sich. Es will und muss umsorgt und gepflegt werden. Eltern sollten auch bedenken, dass anfängliche Versprechungen von Kindern nicht immer eingehalten werden und die Verantwortung für das Tier sowie der größte Teil der Arbeit dafür bei ihnen hängen bleibt. „Eltern dürfen nicht davon ausgehen, dass sich das Kind ständig um den neuen Hausgenossen kümmert. Viele unterschätzen das, weil es zuvor vielleicht so stark um das Tier gebettelt hat“, sagt Schallauer.
Mit einem Haustier erleben viele Kinder auch einen ersten Todesfall mit. „Das kann eine gute und wichtige Erfahrung für Kinder sein“, sagt die Psychologin. Anhand des Tieres können Tod und Abschied thematisiert werden, ohne dass es existenziell zu wichtig werde. Schallauer ist auch selbst längst von den positiven Seiten des Haustieres überzeugt: „Als zweifache Mama gehört das Spazierengehen mit dem Hund zu meinen Ressourcen im Alltag“, sagt die Psychologin.
Kommunikation ohne Worte
Dass Kinder durch den Umgang mit Tieren auch menschliche Emotionen besser verstehen lernen, bestätigt auch der Kinderpsychologe Andreas Hinterhölzl-Tumfart, der auch tiergestützt arbeitet. „Emotionale zwischenmenschliche Kommunikation ist meist nonverbal. Dadurch, dass Tiere ausschließlich nonverbal kommunizieren können, lernen Kinder, das auf den Menschen umzulegen“, sagt der Psychologe. Tiere mit einem ausgeprägten Sozialverhalten seien dafür besonders geeignet. Etwa ein Hund, der als menschenbezogenes Tier auch mehr Reaktion auf das Verhalten seines Gegenübers zeigt. Antworten auf Fragen wie „Was braucht mein Tier?“ oder „Wie geht es meinem Tier?“ zu finden können Kinder aber mit Tieren aller Art lernen.
Welches Tier ist geeignet?
• Hund: Hunde sind sehr menschenbezogen und nicht gerne allein. Sie brauchen täglich Auslauf.
• Katze: Sie lieben Streicheleinheiten und können auch sehr verspielt sein – allerdings nur dann, wenn sie auch gerade wollen.
• Meerschweinchen: Sie mögen keine lauten Geräusche und sind Fluchttiere, können aber auch zutraulich werden. Sie brauchen Beschäftigung.
• Kaninchen: Sie sind ängstlich und mögen es nicht, wenn man sie hochhebt. Auch zum Kuscheln sind sie nicht geeignet. Kaninchen brauchen Artgenossen.
• Vögel: Sie brauchen einen großen Käfig und können laut sein. Ziervögel sollte man nicht alleine halten.
• Fische: Tiere zum Angreifen sind Fische nicht, doch sie lassen sich gut beobachten. Der Blick in ein Aquarium kann beruhigend wirken.
Wichtige Fragen zuerst:
• Wie viel Zeit pro Tag/pro Woche benötigt das Tier und wie viel Zeit steht tatsächlich zur Verfügung?
• Wie viel Geld kostet seine Anschaffung und wie hoch sind die regelmäßigen Ausgaben, die anfallen werden (Futter, Zubehör, Tierarzt)?
• Wer kann das Tier versorgen, wenn die Familie auf Urlaub fährt oder aus anderen Gründen dies nicht tun kann?
• Ist der zur Verfügung stehende Platz/Auslauf für das Tier ausreichend, um es artgerecht zu halten?
Bildquellen
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