Kinder & Freizeit

Wenn Philipp nur zappelt

KINDER. Der Schulbeginn steht vor der Tür. Für Kinder, die nur schwer ruhig sitzen und sich konzentrieren können, kann der Unterricht eine Herausforderung darstellen. Eine solche ist auch der Weg bis zu einer ADHS-Diagnose.

Im Volksmund war es einst der „Zappelphilipp“, der nicht still sitzen konnte, oder der stets unaufmerksame „Hans-Guck-in-die-Luft“: Beide sind bekannt aus dem Buch „Struwwelpeter“, das Kindern gar abschreckende Figuren vor Augen halten sollte. Heute gibt es mit ADHS einen Begriff, der längst in aller Munde ist und das Verhalten nicht mehr als Unart, sondern als Krankheit beschreibt. „Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom“ heißt es korrekt in der Langversion, das es – ohne damit einhergehende Hyperaktivität – auch als „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (ADS) gibt. Eine ADHS-Diagnose zu stellen ist nicht so einfach, betroffene Familien haben oft einen langen Leidensweg hinter sich. 

Ein ebenso weites Feld sind Konzentrationsstörungen bei Kindern. „Konzentrationsschwierigkeiten können jedes Kind treffen“, sagt Michaela Packy, klinische Psychologin am Institut für Entwicklungsdiagnostik des OÖ Hilfswerks. Dieses ist auf Lernstörungen spezialisiert und bietet Diagnose, Therapie und Beratung für betroffene Kinder und deren Eltern an. Konzentrationsstörungen gehen oft Hand in Hand mit Lernstörungen wie etwa die Lese-Rechtschreib-Schwäche oder die Rechenschwäche (Dyskalulie). Wichtig sei, etwa beim Umstieg vom Kin­der­garten in die Schule, mit den Kindern von Anfang an ein entsprechendes Arbeitsverhalten aufzubauen. „Wichtig ist die Pausengestaltung und die Länge der Übungszeiten“, sagt Packy und verweist auf die altersabhängigen maximalen Konzentrationsspannen (siehe Infokasten). Genauso müsse darauf geachtet werden, dass die Grundbedürfnisse eines Kindes gedeckt sind. „Ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und dass der kindliche Bewegungsdrang ausgelebt werden kann“, fasst Packy zusammen. Bei älteren Kindern komme noch ein kontrollierter Medienkonsum dazu. 

„Kinder sind lebhaft und unterschiedlich. Auffäl­lig werden sie meist in der Volksschule“, sagt Packy. Eltern hätten jedoch meist schon früher ein Gespür dafür, dass das Verhalten ihrer Kinder gewisse Gren­zen überschreite. Die Frage, ob auffälliges Verhalten in punkto Aufmerksamkeit und Konzentration früher weniger häufig aufgetreten ist als heutzutage, sei schwierig zu beantworten, so die Expertin. „Solche Kinder hat es früher auch gegeben, aber es war halt weniger Thema“, sagt Packy. Der häufigeren Diagno­se heute stehen auch andere Lebensumstände früher gegenüber: Mehr Bewegung im Freien etwa oder die Abwesenheit von Handy, Internet & Co. Vieles muss heutzutage einfach schnell gehen, parallel dazu lenken aber unterschiedliche Reize ständig ab. 

So wie bei vielen anderen Krankheiten und Beschwerden gibt es auch beim Thema ADHS alterna­ti­ve Ansätze. Dafür, dass die Krankheit durch bestimm­te Ernährungsweisen positiv beeinflusst werden kann, gibt es bislang keine überzeugenden Nachweise. Zucker sowie künstliche Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe geraten in dem Zusammenhang immer wieder ins Visier. „Eine ADHS-Diät gibt es nach aktuellem Wissensstand nicht“, sagt Birgit Brunner, Diätologin bei Proges, einem Verein für prophylaktische Gesundheitsförderung. Aufgrund diverser Studien und Erfahrungsberichte könnten jedoch folgende Empfehlungen gegeben werden:

  • Auf wenig verarbeitete, frisch zubereitete Lebensmittel, möglichst ohne Zusatzstoffe, achten.
  • Frisches Obst und Gemüse essen, wenig zuckerreiche Lebensmittel und Getränke konsumieren.
  • Omega-3-Fettsäuren über Meeresfische, Nüsse, Samen und pflanzliche Öle (zum Beispiel Rapsöl, Leinöl) aufnehmen.
  • Ärztlich abklären, ob ein Eisen-, Magnesium- oder Zinkmangel vorliegt.

Ebenso sollte auf eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung geachtet werden: Regelmäßig an die frische Luft gehen, Sonneneinstrahlung auf
die Haut, Verzehr von fetten Fischen, Eidotter und Pilzen. „Andenken könnte man auch eine oligo-antigene Ernährung. Das heißt, man lässt alle
Lebensmittel weg, die erfahrungsgemäß Unverträglichkeiten auslösen können“, sagt Brunner, „dabei sollte man sich aber durch eine Diätologin begleiten lassen, um Nährstoffdefizite zu vermeiden.“  

Kurze Konzentration
Konzentrationsspanne von Kindern ohne ADHS: 5- bis 7-Jährige: 15 Minuten, 7- bis 10-Jährige: 20 Minuten, 10- bis 12-Jährige: 25 Minuten, 12- bis 15-Jährige: 30 Minuten. Bei ADHS-betroffenen Kindern ist die Spanne je nach Ausprägung des Defizits nochmals deutlich geringer. Je früher eine Pause eingelegt wird, desto höher ist der Erholungswert. 

Gesunde Jause von zu Hause

Sandra Stelzlmüller, Diätologin in der Abteilung Gesundheit des Landes OÖ, betont, dass es sich beim häufig zitierten Zusammenspiel von ADHS und Zucker lediglich um einen hartnäckigen Mythos handle. Als Grundsatz für sämtliche ‚Allergie-Diäten‘, bei denen etwas weggelassen wird, gelte: „Wenn etwas nicht ganz klar einen Vorteil bringt, sollte man sehr vorsichtig sein.“ Spezielle Diäten sollten nur unter ärztlicher Aufsicht gemacht werden. Generell empfiehlt sie eine gesunde Ernährung nach der bekannten Ernährungspyramide. „Laut Weltge­sundheitsorganisation wird empfohlen, maximal zehn Prozent der täglichen Energiemenge in Form von Zucker zu konsumieren“, sagt Stelzlmüller. Viel getan sei auch bereits mit einer täglichen Schuljause, die sich an die „großen Vier“ halte: ein Getreideprodukt (am besten Vollkorn), eine Eiweißquelle (etwa ein Milchprodukt), Obst oder Gemüse und dazu ein kalorienfreies Getränk. „Die Kombination aus komplexen Kohlenhydraten und Eiweiß fördert die Konzentration“, so Stelzlmüller. Vorbeugen ist eben besser als heilen.

Bildquellen

  • Kinder: Racle Fotodesign - stock.adobe.com