Lange Nächte voller Mystik und Magie
Die Weihnachtszeit ist auch die Zeit der Raunächte. Eine geheimnisvolle, nahezu magische Stimmung liegt über diesen Nächten, in denen das alte Jahr dahinzieht und das neue Jahr beginnt. Es ist eine Zeit voller Märchen und alter Überliefe-rungen – Träume sollen wahr werden und Tiere um Mitternacht sprechen können. Eine Fülle an Bräuchen und Ritualen hebt diese besondere Zeit zusätzlich hervor.
Die Anzahl der Raunächte unterscheidet sich je nach Region in drei bis zwölf Nächte, eingebettet in die Zeit von der Wintersonnenwende am
21. Dezember bis zum Dreikönigstag am 6. Jänner. Im alpinen Raum bekannt ist der Spruch „Raunächt‘ san vier, zwoa foast und zwoa dürr“. Damit gemeint sind die Thomasnacht (21./22. Dezember), die Heilige Nacht (24./25. Dezember), die Silvesternacht (31. Dezember/1. Jänner) und die Nacht vor Dreikönig (5./6. Jänner). Die erste und die letzte waren die „dürren“ Nächte: Das bezieht sich auf das Essen, das an diesen Tagen mager war im Vergleich zu den üppigen Mahlen in der Heiligen Nacht und zu Silvester. Aus kirchlicher Sicht sind es die Nächte vom 25. Dezember bis zum 6. Jänner, wenn von den zwölf heiligen Nächten gesprochen wird.
Ihren Ursprung haben die Raunächte, die auch unter dem Namen Zwölfte oder Zwölfnächte, Weihe- oder Glöckelnächte bekannt sind, vermutlich in der Zeitrechnung nach einem Mondjahr. Ein Mondjahr mit zwölf Mondmonaten umfasst 354 Tage und ist damit um elf Tage (und eben zwölf Nächte) kürzer als ein Sonnenjahr, nachdem sich unser Kalender richtet. Daher kommt auch die Idee, die Raunächte als Zeit „zwischen der Zeit“ zu sehen.
Woher der Name „Raunacht“ kommt bzw. wovon dieser sich ableiten lässt, ist hingegen umstritten. Bezüge lassen sich zu mehreren Wörtern herstellen, etwa „raunen“ (für flüstern, wispern), da es in dieser Zeit ruhig zu werden und auf diese Lostage zu achten gilt, zum mittelhochdeutschen „rüch“ (für zottig, haarig), das auf die bei Umzügen zum Vertreiben von Geistern verwendeten Tierfelle schließen lässt, auf das Räuchern, das als Brauch vor allem im ländlichen Bereich ausgeübt wird, sowie auf das Wort „rau“, das von den wilden Dämonen genauso herrühren kann wie von der um diese Zeit üblichen rauen Witterung.
Vielfältig ist das Brauchtum der Raunächte, die eine Phase der Geisteraustreibung sind (Räuchern, Kracher, Aperschnalzen zum Abwehren böser Mächte) und eng in Verbindung stehen mit Ritualen um die mythischen Wesen der Perchten und der Glöckler, die im Salzkammergut Tradition haben. Das Ende der Raunächte, der „Perchtenabend“, wird in vielen Gegenden mit Maskenumzügen begangen. Dazu gibt es viele andere, teilweise vermummte oder verkleidete Gestalten, die traditionell von Haus zu Haus ziehen: Raunachtler, Raunler und Raunachtssinger im Mühlviertel oder die Maschkerer im Innviertel. Sie singen Lieder, führen Tänze auf, treiben Schabernack oder betteln um kleine Gaben.
Im ländlichen Raum sehr beliebt und verbreitet ist das Räuchern. Geräuchert wurde früher zu sehr vielen Gelegenheiten und unterschiedlichen Zwecken, etwa um zu reinigen und desinfizieren, um vor bösen Geistern und negativen Energien zu schützen, um Kleidung und Wohnräume zu aromatisieren oder um Schädlinge zu vertreiben. Anlässe waren die Feste im Jahreskreis und besondere Ereignisse im Leben, aber auch bei Gewittern wurde geräuchert, um Schutz zu erbitten.
Der Gedanke, Haus und Hof, Mensch und Tier zu schützen, mag heute oft nicht mehr im Vordergrund stehen, dennoch ist das Räuchern eine besondere Geste und ein schönes Ritual, das frühere Traditionen und altes Wissen mit unserem modernen Leben verbindet.
Erholsame Auszeit vom Alltag
Die Zeit der Raunächte bietet sich auch heute noch dazu an, einmal etwas außerhalb der Zeit zu leben. Viele Menschen haben Urlaub vom Berufsleben, auch Schüler und Studenten haben frei. Das Weihnachtsfest rückt die Familie in den Vordergrund, man trifft Verwandte und Freunde und nimmt sich Zeit für Gespräche. Die Pflichten des Alltags rücken in den Hintergrund, das Leben darf und soll langsamer, ruhiger und gemütlicher verlaufen. Wie die Natur an ihrem Nullpunkt ankommt und still steht, so soll auch der Mensch einmal ganz bei sich selbst ankommen. Körper und Geist können so in der „Stillen Zeit“ einmal zur Ruhe kommen, sich erholen und neue Kraft für ein neues Jahr schöpfen. Es ist auch Zeit, das zu Ende gehende Jahr innerlich abzuschließen und sich zu überlegen, was im kommenden Jahr wichtig ist.
Räuchern Geräuchert werden kann mit allen – getrockneten – Teilen einer Pflanze: Harze, Rinden, Nadeln, Hölzer, Zapfen, Wurzeln, Knospen, Blätter, Blüten oder Samen. Welche Kräuter und Pflanzen verwendet werden, ist eine individuelle Entscheidung, mit etwas Experimentierfreude findet jeder seine persönliche Wohlfühlmischung. Hilfreich ist ein Mörser zum Zerkleinern, weitere Räucherutensilien sind Holzkohle oder im Handel erhältliche Räucherkohle, eine hitzebeständige Räucherpfanne oder eine Räucherschale und trockener Sand. Das Räucherwerk kann nun auf glühende Kohle aufgestreut werden oder in gebündelter Form einfach angezündet werden. Möglich ist es auch, mittels Stövchen und Räuchersieb zu räuchern, dabei ist die Rauchentwicklung geringer. Beim Räuchern in gut isolierten Wohnräumen ist das Lüften wichtig. Man kann zuerst räuchern und dann die Fenster öffnen, oder dies parallel machen. Wer empfindlich ist und noch nie geräuchert hat, sollte das am besten im Freien ausprobieren. Der Feinstaub, der durch das Räuchern entsteht, kann nämlich auch allergische oder asthmatische Reaktionen auslösen.
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