Mehr als nur Geschenke
KINDER. Weihnachten ist ein schönes Fest. Für Eltern, die dem Konsum-Höhepunkt Einhalt gebieten wollen, kann es durchaus herausfordernd sein.
Bald ist es wieder so weit: Kekse backen, Sterne basteln, gemeinsam Lieder singen – Weihnachten naht, die „schönste Zeit im Jahr“, wie viele noch immer überzeugt sind. Vor allem Kinder. Das ist kein Wunder, denn Weihnachten setzen Kinder vor al-
lem mit Geschenken gleich. Mit vielen Geschenken. Dass weniger mehr ist, darüber will unter dem Christbaum kaum jemand nachdenken. Kinder nicht und oft genug auch nicht ihre Eltern oder Großeltern. Wer das Weihnachtsfest jedoch nicht als den Konsum-Höhepunkt des Jahres begehen will, der kann auch einen Weg aus der Packerlflut finden und damit eine Möglichkeit, Geschenke mit Bedacht auszuwählen und zu verteilen.
Überforderte Kinder
„Ein Zuviel überfordert Kinder immer. Gerade jüngere Kinder können eine zu große Menge an Geschenken gar nicht verarbeiten. Ein Zuviel bewirkt auch, dass das Einzelne nicht mehr wertgeschätzt werden kann“, sagt Katharina Strasser. Sie arbeitet in Grieskirchen als Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Wer Kindern vermitteln will, dass nicht der Konsum zählt und es nicht darum geht, viel zu haben, der hat nur eines zu tun: Es selbst genau so vorzuleben. „Das Gesagte zählt im Vergleich zum Vorgelebten weitaus weniger“, betont Strasser.
Den Fokus etwas wegbringen vom Akt des Schenkens kann man auch, indem man dem Rundherum am Heiligen Abend mehr Bedeutung zumisst und schon den Advent dazu nutzt, gemeinsame Rituale zu pflegen. Singen und musizieren, beten am Adventkranz, Kekse backen, stimmungsvoll dekorieren oder weihnachtliche Geschichten vorlesen – wer sich dafür Zeit nimmt, muss nicht mehr viel erklären. „Kinder merken sofort, was den Eltern wichtig ist und was sie gerne tun. Wenn sie sich Zeit füreinander und für das Kind nehmen, dann ist das eine klare Botschaft“, sagt Strasser. Auch der Heilige Abend könne so gestaltet werden, dass den Kindern gezeigt wird: Heute ist ein ganz besonderer Tag, an dem es nicht nur um die Geschenke geht.
Rituale geben Sicherheit
„Die Vorfreude ist ein wichtiger Aspekt. Das Freuen auf das Christkind hat für Kinder eine große Kraft.“
Andrea Holzer-Breid
Familienberaterin Andrea Holzer-Breid, Bildungsverantwortliche in den diözesanen Beratungsstellen „Beziehungleben“, weist auf die Bedeutung der Vorfreude hin. „Diese ist ein wichtiger Aspekt, das Freuen auf das Christkind hat für Kinder eine große Kraft. Kinder freuen sich auch sehr auf Weihnachten, wenn sie die Atmosphäre und Stimmung als schön in Erinnerung haben. Sie lieben Rituale, es gibt ihnen Sicherheit, wenn etwas immer gleich gemacht wird. Ältere Kinder können schon selbst Teile der Feier übernehmen und aktiv mitgestalten“, sagt Holzer-Breid. So ist die ganze Familie eingebunden und kann dem Fest einen individuellen Anstrich verleihen.
Gemeinsam überlegen
Natürlich gehören auch Geschenke zum Heiligen Abend dazu. „Sinnvoll ist es, etwas zu schenken, das gebraucht wird und auch öfter verwendet beziehungsweise gespielt wird. Kindern, die noch eine Wunschliste an das Christkind schreiben, sollte man beratend zur Seite stehen. Es ist gut, wenn man schon im Vorfeld gemeinsam mit dem Kind darüber nachdenkt, was es wirklich braucht oder was es mit einem Geschenk konkret machen will“, sagt Holzer- Breid. Empfehlenswert sei auch, Zeit zu schenken, in Form von gemeinsamen Erlebnissen oder Ausflügen. „Besonders für Tauf- oder Firmpaten bietet es sich an, nicht nur in die materielle Richtung zu denken“, sagt die Familienberaterin. Ab welchem Alter ein Kind „reif“ für derart abstrakte Geschenke ist, ist laut Psychologin Strasser individuell unterschiedlich. „Ungefähr ab dem Schulalter“, meint die Expertin, schließlich solle das Zeitgefühl schon einigermaßen ausgeprägt sein und ebenso die Fähigkeit zum sogenannten „Bedürfnisaufschub“, der in der Psychologie die willentliche Regulation und Steuerung von Emotionen und Handlungen beschreibt.
Die Kinderpsychologin empfiehlt Geschenke, die dem Kind auch noch etwas eigene Kreativität abverlangen. „Wenn Kinder dadurch etwas Neues an sich selber entdecken, stärkt das auch ihren Selbstwert“, sagt Strasser. Apropos: Seinen Selbstwert zu stärken ist das größte Geschenk, das man einem Kind machen kann. Dazu braucht es Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sowie das Gefühl, ernst und wichtig genommen zu werden – allerdings das
ganze Jahr über.
Je mehr Menschen ein Kind beschenken wollen, desto eher empfiehlt sich ein koordiniertes Vorgehen. Gemeinsame Geschenke sind auch für getrennt lebende Eltern eine gute Lösung. „Das signalisiert dem Kind gemeinsames Tun und verhindert Mehr-Weniger-Vergleiche“, sagt Familienberaterin Andrea Holzer-Breid. Gemeinsame Geschenke dämmen die Flut an Präsenten für das einzelne Kind ein, gleichzeitig können so auch größere Anschaffungen getätigt werden, die ohnehin anstehen. Den Geldwert eines Geschenkes können jüngere Kinder ohnehin kaum erfassen, die Gefahr der Überforderung droht eher durch das mengenmäßige Zuviel. Es ist auch nicht so, dass jeder Wunsch erfüllt werden muss. „Als Eltern kann man sich gegen Dinge, die man partout nicht schenken will, wehren. Eltern müssen auch Grenzen ziehen und dann durchstehen, dass es das Gewünschte nicht gibt“, sagt Holzer-Breid.
Psychologin Katharina Strasser hat auch für die Zeit nach der Bescherung noch Tipps parat: „Ich empfehle, auch das Auspacken achtsam zu gestalten. Jeweils einer packt aus, die anderen schauen aufmerksam zu.“
Schenken macht glücklich
Dass Schenken glücklicher und zufriedener macht als beschenkt zu werden, ist das Ergebnis zahlreicher Studien. „Eltern müssen also aufpassen, sich nicht zu sehr von diesem Gefühl leiten zu lassen. Auch ihr Bedürfnis, ihren Kindern etwas zu schenken, kann nicht maßlos befriedigt werden“, sagt Kinderpsychologin Strasser. Damit auch Kinder das positive Gefühl des Schenkens spüren können, könne etwa gemeinsam Spielzeug oder Gewand aussortiert und für Sozialaktionen gespendet werden. „Das sind Erfahrungen, die auch das Kind stärken und für Eltern eine Möglichkeit, Werte weiterzugeben“, sagt die Expertin.
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