Brauchtum

Gebundene Bärte

BRAUCHTUM. Das Binden von Wildbärten erfordert viel Geduld – die Kunst beherrschen heute nur noch wenige. Lust aufs Land war bei einem Meister seiner Zunft, um ihm bei der Arbeit über die Schulter zu blicken.

In manchen Regionen Oberösterreichs haben Bärte aus den Haaren von Wildtieren als Hutschmuck eine lange Tradition. In erster Linie handelt es sich dabei um eine Trophäe der Jäger, die sich aber auch bei Trachtenfans steigender Beliebtheit erfreut. Die Technik des Bartbindens beherrschen heutzutage nur noch wenige. Karl Stockhammer aus Steinerkirchen an der Traun ist einer von ihnen. Seit mehr als 30 Jahren übt er dieses Handwerk aus. „In meinem ersten Jahr als Jäger konnte ich einen Hirsch erlegen, von dessen Haaren ich mir einen Bart binden lassen wollte. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich jemanden gefunden habe, der das konnte“, erinnert sich der Traunviertler zurück. In diesem Moment fasste Stockhammer den Entschluss, diese handwerkliche Kunst selbst zu erlernen. Doch leichter gesagt als getan: Das Problem dabei war, dass die Bartbinder ihr Wissen darüber nicht gerne preisgeben wollten. Von einem alten Förster konnte er sich dann aber doch ein paar Handgriffe abschauen. 

Stolz präsentiert Karl Stockhammer seine Meisterwerke.

Je buschiger desto wertvoller

Mehrmals pro Woche begab er sich dann in die Werkstatt seines Kellers, um sich die Technik selber anzueignen. Knapp zehn Jahre habe es gedauert, bis er den ersten Bart gebunden hat, der so gelungen war, um ihn auch verkaufen zu können. „Ich habe jahrelang nicht gewusst, ob ich es überhaupt schaffe, und sehr viel Geduld dafür aufgewendet“, so Stockhammer. Neben Geduld braucht es für dieses Handwerk aber vor allem auch ein gutes Auge, flinke Finger, feines Gespür, reichlich Erfahrung, die richtige Technik und viel Liebe zum Detail. Eigentlich sogar mehr persönliche Eigenschaften als Werkzeuge. Davon werden nämlich nur eine Schere, ein Kamm, ein Garn und spezielle Gläser zum „Steßln“ benötigt. 

Mit großer Sorgfalt werden die Haare der Länge nach sortiert, ehe sie zu kleinen Büscherln gebunden werden.

„Der edelste und bekannteste Wildbart ist der von der Gams“, erklärt der Experte. Aber auch von Hirsch, Dachs, Wildschwein, Murmeltier, Hase und Fuchs lassen sich prachtvolle Bärte binden. Die Vorgehensweise ist die gleiche: Haare rupfen, auskämmen, waschen, sortieren, auf kleine Büscherl zusammenlegen und binden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Bis zu 50.000 Haare benötigt man für einen großen Gamsbart. Circa 60 Stunden mühevolle Handarbeit sind dafür notwendig. Einen schönen Bart erkennt man an der Reinheit des Haars und der Art der Bindung: „Je mehr Haare umso buschiger und somit wertvoller ist der Bart“, weiß der passionierte Jäger. Je nach Größe kostet ein Exemplar von 100 bis mehrere Tausend Euro. Für den pensionierten Postbeamten ist es aber nur ein bezahltes Hobby: „Reich wird man davon nicht, sonst würden es mehr machen, aber es ist mir lustig“, erzählt der 64-Jährige lachend, während er gerade ein weiteres Büscherl fertig bindet. Wenn der Bartbinder mal eine Pause einlegt, greift er gerne zu seinem Jagdhorn und musiziert – auch das fällt in die Kategorie (jagdliches) Brauchtum.

Das Bartbinden gilt als hohe Kunst: Für eine Vielzahl von Arbeitsgängen – vom Rupfen der Haare über das Auskämmen, Waschen und Sortieren bis hin zum Binden – werden mehrere Stunden benötigt.

Aussterbendes Handwerk

Seine Kunden kommen von Nah und Fern – die Hälfte der Wildbärte verkauft er an Nicht-Jäger. Mehrere Monate beträgt die Wartezeit dafür. Dass Stockhammer einer der besten seiner Zunft ist, wird sogar durch eine Medaille belegt. Bei der Bartbinder- Olympiade, die alle zwei Jahre abwechselnd in Bayern und Österreich stattfindet, holte er 2018 in Bad Goisern mit einem Dachsbart den zweiten Platz. 

Beim Bartbinden handle es sich um ein aussterbendes Handwerk – daraus macht der Steinerkirchner kein Hehl. Daher ist es ihm ein Anliegen diese alte Tradition am Leben zu erhalten. Sohn Karl junior zeige zwar Interesse, doch allein es fehlt ihm die Zeit – und davon braucht es neben Geduld mehr als genug.

Geschichte

Populär wurde der Gamsbart durch Erzherzog Johann von Österreich (1782 bis 1859), der sich als Gamsjäger Haare des Tieres auf den Hut als Trophäe aufsteckte. Dadurch brachte er den Gamsbart in Mode. Auch Kaiser Franz Joseph I. (1830 bis 1916) trug ebenfalls gerne diesen Hutschmuck.

Bildquellen

  • Bartbinder: Lust aufs Land/Mursch-Edlmayr
  • Bärte: Lust aufs Land/Mursch-Edlmayr
  • Arbeit: Lust aufs Land/Mursch-Edlmayr
  • Bärte: Lust aufs Land/Mursch-Edlmayr