Brauchtum

Lange Tage, lodernde Nächte

BRAUCHTUM. Mehr als 16 Stunden ist die Sonne dieser Tage am Himmel zu sehen. Doch auch die kürzesten Nächte im Jahr werden von Licht erhellt – denn da werden die Sonnwendfeuer entflammt.

Ein Feuerball, das Zentrum unseres Sonnensystems, beschert uns dieser Tage knisternde Nächte, lodernde Flammen und einen Grund zu feiern. Denn jedes Jahr wird rund um den 21. Juni die Sommersonnenwende mit (Feuer-)Ritualen begangen. Der Brauch ist alt. Schon in der Jungsteinzeit kam dem längs­ten Tag des Jahres besondere Bedeutung zu. Stonehenge ist ein stiller Beweis dafür. Zwar weiß man bis heute nicht, wie der ringförmige Steinkreis errichtet wurde, klar ist jedoch: Die Monolithen sind so ausgerichtet, dass am Mor­gen der Sonnenwende die ersten Strahlen ihren Schein direkt auf die Steine werfen. Vermutlich hielten Druiden vor mehr als 4000 Jahren zu diesem magischen Zeitpunkt Rituale ab. Heute zieht das Schauspiel Zuschauer aus al­ler Welt an. Gleiches gilt für die in unserer Region abgehaltenen Sonnwendfeuer. Auch sie sind gerade in den Berg- und Seenregionen ein Touristenmagnet. Aber auch in vielen Dörfern werden nächtliche Feuer entzündet. „Der Höhepunkt des Sonnenjahres lädt und lud schon immer zum Feiern ein“, weiß Brauchtumsexpertin Sandra Galatz. 

Ideologisierung
Nachdem die Sommersonnenwende für die Menschen von Anbeginn der Zeit besondere Bedeutung hatte, machte sich die Kirche die Bräuche zu eigen und kombinierte den Feuerkult mit der Lichtsymbolik. Jesus, der Lichtbringer, dessen Ankunft Johannes der Täufer verkündete.

Während sich heute die Menschen einfach am Sommerbeginn erfreuen, versuchten die Vorfahren noch mit diversen Ritualen zur Sonnenwende Wachstum und Fruchtbarkeit auf Wiesen und Feldern an­zufeuern. Vielfach wurden die Rituale auch als Reinigungsakt gesehen, um Dämonen, Krankheiten und unwetterbedingte Missernten abzuwehren. 

Der Sprung übers Feuer, das Sammeln von Heilpflanzen wie dem Johanniskraut oder auch das Backen von Festtagskrapfen sind traditionelle Bräuche rund um die Sonnwendfeuer.

Johannesnacht – wenn besondere Kräfte erwachen

Erst seit dem vorigen Jahrtausend wird die „hohe Sonnwend“ am astronomischen Sommerbeginn gefei­ert. „Ursprünglich haben die Feuer immer am Vorabend zum 24. Juni gebrannt“, erzählt Galatz, „dem Geburtstag von Johannes dem Täufer.“ Die Kirche habe bewusst sowohl Jesu Geburt (Wintersonnenwende) als auch den Gedenkttag des Heiligen Johannes auf Sonnenwenden gelegt. Das erklärt auch, warum an kaum einem anderen Tag Religion und Aberglauben so ineinander verschmelzen. 

Besonders die Vornacht zum 24. Juni, die Johannisnacht, gilt seit jeher als mystisch. Kraftvolle Mächte seien in diesen Nachtstunden am Werk. Gepflückte Kräuter und Heilpflanzen seien deshalb mit besonderen magischen Kräften ausgestattet, so der Volksglaube. „Zum Sonnwendbüscherl geflochten und über Tür oder Fenster gehängt, sollen die Pflanzen das Heim schützen“, so die Expertin. Fast immer Teil des Kranzes ist das Johanniskraut, dessen gelbe Blüten die Erntesaison einläuteten und Negatives fernhal­ten sollen. Wie das Kraut gesammelt werden muss, um besonders segensreich zu sein, ist umstritten. Die einen sagen schweigend um 12 Uhr mittags, andere schwören wiederum darauf, das Kraut nackt in der Johannisnacht zu sammeln. 

Feuerritual: Holz, Brauchtum und eine Brise Aberglaube

Aber auch rund um das eigentliche Feuer ranken sich diverse Sagen. Das beginnt schon beim Sammeln des Holzes. Traditionell fand das am Gedenktag des Hei­ligen Veit (15. Juni) statt. „Der Heilige Sankt Veitl tat bitten um a Scheitl. Wer uns koa Biadl und koa Scheitl gibt, hat des ganze Jahr koa Glück“, skandierten die im Dorf herumziehenden jungen Männer. Zudem glaubten die Menschen anno dazumal, schon ein Blick ins Feuer habe Segenswirkung. Gleiches gilt für den aufsteigenden Rauch. Er sollte Mensch wie Tier beschützen, manchmal heilen. Die Asche wiederum wur­de auf die Felder gestreut, was eine ergiebige Ernte begünstigen sollte. „Auch Liebesorakel wurden in der Johannisnacht gerne gemacht“, berichtet Galatz: „Legt man sieben Blumen unters Kopfkissen, so träume man vom Zukünftigen oder der Zukünftigen.“ Eine andere Überlieferung lautet: „Sunnawend, Sunnawend, dass mi net‘s Feier brennt, dass i bald z‘heiraten kumm, drum tanz und spring i drum.“ Gemeint ist damit der Sprung übers Feuer. Einsame Herzen versuchten so ihrem Liebesglück sprichwörtlich auf die Sprünge zu helfen. Wer schon fündig geworden war, hüpfte hoffnungsvoll Hand in Hand in eine glückliche Zukunft.

Ein Brauch, gefeiert an mehreren Tagen

Nachdem es am 21. bzw. 24. Juni – trotz guter Aus­gangsvoraussetzungen – nicht immer trocken bleibt, wurde mit dem Peter-und-Paul-Tag ein gutes Ausweich­datum gefunden. Mancherorts wird aber auch ganz spezifisch am 29. Juni das Petersfeuer entzündet. Dazu wird auf Bergen, Hügeln oder sonstigen gut einsehba­ren Stellen eine Strohpuppe auf dem Holzstapel platziert und in Flammen gesetzt. „Die Puppe, auch ,Peterl‘ oder ,Sunnawendhansl‘ genannt, symbolisiert das Unheil, das man im Feuer verbrennt“, erläutert Ga­latz. Wie auch an Sonnwend oder in der Johannisnacht wird an diesem Tag getanzt, gesungen und ums Feuer gesprungen. Auch das Backen von Festtagskrap­fen oder Hollerblüten ist eine verbreitete Tradition rund um die Freudenfeuer. Schon dieser Leckereien wegen lohnt sich ein Besuch eines Sonnwendfeuers. Jetzt muss nur noch das Wetter aushalten. Auch der Sommersaison wegen. Schließlich gilt Sunnawend als Lostag. Eine Bauernregel besagt: „Wie’s Wetter am Johanni war, so bleibt’s wohl 40 Tage gar.“ Es bleibt also spannend, ob „Sunnawend“ gutes Wetter bringt.

Sommersonnenwende

Die Sonnenwende findet zweimal im Jahr statt. Einmal im Winter (überwiegend am 21. Dezember) und einmal im Sommer. Auf der Nordhalbkugel findet die Sommersonnenwende meist am 21. Juni statt. Das Ereignis kann aber auch am 20. bzw 22. Juni stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt erreicht die Sonne die größte Mittagshöhe über dem Horizont, womit der längste Tag des Jahres einhergeht. Ab da nimmt die Tageslänge aber wieder ab.

Aus den Bundesländern

Das Herz-Jesu-Feuer in Tirol geht zwar auf die Johannisfeuer zurück. Das Feuer selbst hat aber nichts mit der Sommersonnenwende zu tun. Es wurde im 18. Jahrhundert erstmals als Signalfeuer entzündet, um den Landsturm für den Krieg gegen Napoleon einzuberufen. Kein traditionelles Feuer ist auch in der Weststeiermark zu finden. Hier wird es stattdessen „Rachn“ gelassen, indem man das Feuer mit grünen Fichtenästen bedeckt, sodass Qualm aufsteigt.

Wie im Ausland gefeiert wird

In England finden sich jedes Jahr Tausende ein, um den Sonnenaufgang in Stonehenge zu bewundern. In Indien begrüßen die Menschen die Sommersonnenwende mit einer Yoga-Sitzung in der Dämmerung. In Osteuropa zählt wie bei uns der Sprung über ein Feuer als Mut- und Liebesprobe. Die Schweden begehen die Sommersonnenwende als Nationalfeiertag. „Midsommar“ wird mit Blütenkränzen sowie Tanz und Gesang um einen geschmückten Baum begangen.

Bildquellen

  • Sonnenwendfeuer Springen: h368k742 - adobestock
  • Sonnenwende Kräuter: Sonja Birkelbach - adobestock
  • Sonnenwende Bauernkrapfen: OÖ Tourismus
  • Sonnenwende: Dimitrios– Stock.adobe.com
  • Sonnenwende Herz-Jesu-Feuer: TRFilm – stock.adobe.com
  • Sonnenwende Midsommar: Birgit Reitz-Hofmann – stock.adobe.com
  • Sonnwendfeuer: sonne_fleckl – stock.adobe.com