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Omas zum Ausleihen

Wenn Großeltern weit weg sind oder der Alltag wenig Spielraum lässt, kann eine Leihoma entlasten. Wie das Modell funktioniert und warum es für viele Eltern eine Alternative ist.

Wer Kinder hat, weiß: Zwischen Beruf, Haushalt und Alltag bleibt oft wenig Luft zum Atmen. Vor allem wenn die Großeltern weit weg wohnen oder die Kindergartenzeiten nicht zu den Arbeitszeiten passen, wird Organisation zur täglichen Herausforderung. In solchen Situationen springen Menschen wie Barbara Mayr ein.

Unterstützung mit Erfahrung

Mayr ist Leihoma und Koordinatorin des Omadienstes in Oberösterreich. Ihre eigenen Enkel leben mehrere Autostunden entfernt, weshalb sie diese nur selten sieht. Über den Omadienst fand sie eine Möglichkeit, dennoch regelmäßig Zeit mit Kindern zu verbringen und gleichzeitig eine Familie zu unterstützen. Seit über zwei Jahren hilft sie einer alleinerziehenden Ärztin, deren Schichtdienste kaum planbare Routinen zulassen. „Je nach Tag- oder Nachtschicht mache ich die Kinder fertig für Schule und Kindergarten oder hole sie ab und spiele mit ihnen zu Hause“, erzählt die 58-Jährige. Gerade diese Flexibilität sei laut ihr für viele Eltern der entscheidende Grund, sich an eine Leihoma zu wenden. Für die Ärztin ist diese Verlässlichkeit unverzichtbar, für die Kinder bedeutet es eine stabile Bezugsperson. 

„Es ist eine Win-Win-Situation. Die Kinder erleben Zuwendung und Beständigkeit und wir Omas bekommen die Freude, sie wachsen zu sehen.“ Barbara Mayr

„Wir haben Glück gehabt“

Als Koordinatorin kennt Mayr die Bedürfnisse vieler Eltern gut: „Wir hören oft, dass sich Familien eine Oma in der Nähe wünschen. Jemanden, der Zeit hat, Ruhe ausstrahlt und einfach da ist.“ Leihomas sind meist Frauen im Ruhestand, die Freude an Kindern haben und Familien im Alltag entlasten wollen. Der Katholische Familienverband vermittelt sie und achtet auf ein Leumundszeugnis sowie verpflichtende Schulungen im ersten Jahr, darunter einen Erste-Hilfe-Kurs für Kinder. „Viele unserer Omas erleben diese Aufgabe als Bereicherung. Der Kontakt zu Kindern gibt ihnen Struktur und Sinn“, sagt Mayr.

Wie wertvoll diese Unterstützung sein kann, zeigt das Beispiel von Bianca Dersch aus dem Bezirk Vöcklabruck. „Wir sind zugezogen und haben keine Familie in der Nähe“, erzählt sie, „als unsere Zwillinge ein Jahr alt waren, suchten wir jemanden, der uns gelegentlich entlastet.“ Nach einigen Mo­naten meldete sich eine passende Leihoma. „Heike kam zunächst einmal die Woche. Wir haben das langsam aufgebaut, damit sich alle kennenlernen konnten. Nach kurzer Zeit war klar, dass das passt.“

Heute betreut die Leihoma die Zwillinge regelmäßig an zwei Nachmittagen. Sie spielt mit den Kindern im Garten oder bastelt, liest vor oder ist einfach da, wenn Termine und Verpflichtungen der Eltern keinen Spielraum lassen. „Das ist für uns eine große Entlastung und für die Kinder ein Gewinn. Sie erleben eine andere Generation, andere Geschichten, andere Sichtweisen“, sagt Dersch.

Damit die Zusammenarbeit funktioniert, braucht es klare Absprachen. „Ich habe von Anfang an gesagt, was mir wichtig ist“, so die Mutter, „unsere Leih­oma nimmt das ernst. Wir reden über alles.“

Mayr bestätigt: „Wir empfehlen immer, Erwartungen gleich zu Beginn zu klären – was die Leihoma übernehmen soll und was nicht. Wichtig ist auch die Abgrenzung: Leih­omas unterstützen Kinder, nicht den Haushalt.“ Für ihren Einsatz erhalten die Omas eine Entschädigung. Empfohlen werden zehn bis 14 Euro pro Stunde sowie ein Zuschuss für Fahrtkosten.

Ein Geben und Nehmen

Viele Leihomas schätzen den Kontakt zu Familien ebenso wie Eltern ihre Unterstützung. Dass der Bedarf wächst, spürt Mayr deutlich. „In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Familien gemeldet“, sagt sie. Gleichzeitig fehlen jedoch genügend Leihomas: Derzeit betreuen in Oberösterreich rund 320 Frauen Kinder. Vor der Pandemie waren es über 500. In manchen Bezirken gibt es Wartelisten von bis zu 30 Familien. 

Der Omadienst versteht sich als Ergänzung zur institutionellen Betreuung. „Wir springen dort ein, wo das System an seine Grenzen stößt“, erklärt Mayr. Ziel sei es, Familien dort zu entlasten, wo im Alltag oft die entscheidende Unterstützung fehlt.

Ein Modell, das verbindet

Für Familie Dersch war die Entscheidung die richtige. „Unsere Kinder haben eine Bezugsperson mehr und wir wissen, dass jemand da ist, der sie gut kennt.“ Mittlerweile gehört ihre Leihoma zur Familie. „An Feiertagen oder Geburtstagen laden wir sie ein. Das hat sich irgendwann einfach so ergeben.“

Genau solche Entwicklungen motivieren Mayr: „Wenn aus einer Betreuung eine echte Beziehung entsteht, ist das das schönste Ergebnis. Dann profitieren alle: Kinder, Eltern und Leihomas gleichermaßen.“

Zahlen und Fakten
Die aktuelle Kinderbetreuungsstatistik zeigt, wie stark Familien auf verlässliche Betreuungsangebote angewiesen sind. Im Kindergartenjahr 2024/25 besuchten circa 25 % aller Kinder bis zwei Jahre eine Kinderkrippe oder ähnliche Einrichtung. Bei den Drei- bis Fünfjährigen liegt der Anteil bei circa 94 %. 
Insgesamt wurden österreichweit rund 334.900 Kinder instituti-onell betreut, davon etwa 60 % in Einrichtungen, die mit einer Vollzeitbeschäftigung der Eltern vereinbar sind. Nach wie vor gibt es in diesem Bereich jedoch große regionale Unterschiede. Während in Wien fast 90 % der betreuten Kinder in vollzeitkompatiblen Einrichtungen untergebracht sind, liegt dieser Wert in Oberösterreich bei lediglich 38,5 %.
Für Familien in diesen Bundesländern entstehen dadurch häufig Betreuungslücken. Besonders dann, wenn Eltern Schicht arbeiten oder keine Großeltern in der Nähe leben.

  • Omadienst OÖ
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