Süßes im gesunden Kleid
Kinder lieben sie, Eltern finden sie praktisch doch Diätologen warnen: Der Konsum von sogenannten „Quetschies“ ist ganz einfach ungesund.
Hersteller von Quetschies haben es verstanden, an einem vielfach nur oberflächlichen Gesundheitsbewusstsein von Konsumenten anzudocken und mit dem Thema Obstkonsum zu punkten. Die pürierte Form, portioniert und handlich abgepackt, verspricht einfachen Konsum, ohne sich auch nur einen Finger klebrig zu machen. Der süße Geschmack und die cremige Konsistenz machen das Fruchtmus aus dem Saugbeutel besonders bei Kindern zu einem beliebten Snack. Nicht umsonst werden Quetschies im Supermarkt gerne in Kassennähe platziert. Quengelt das Kind, erscheint das Obstpüree im Beutel rasch als gesündere Alternative zu Schokoriegel und Co.
„Tatsächlich sind aber auch Quetschies als Süßigkeiten anzusehen und sollten wie solche konsumiert werden“, sagt Ramona Parzer, Diätologin am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Schließlich überwiege der süße Geschmack, außerdem gehe im Vergleich zu frischem Obst durch die industrielle Produktion viel Gutes verloren: hitzeempfindliche Vitamine etwa oder Ballaststoffe, die in oder unter der Schale stecken.
Obst in einer Überdosis
Ein Kind, das Obst aus dem Quetschbeutel saugt, konsumiert innerhalb kürzester Zeit weit mehr als die aus gesundheitlicher Sicht empfohlene Menge von zwei Portionen Obst pro Tag. „Eine Portion entspricht einer Hand voll. Und zwar der Hand des Konsumenten, die im Fall eines Kindes entsprechend klein ist“, sagt Parzer. Dazu kommt, dass Püriertes vom Körper nur mehr wenig Verdauungsarbeit erfordert. Der enthaltene Fruchtzucker, auch Fructose genannt, wird rasch aufgenommen, wodurch auch der Blutzuckerspiegel rasch ansteigt. Überschüssige Fructose wird in Fett umgewandelt und in der Leber gespeichert. Das kann langfristig zu einer Fettleber führen. Außerdem reagieren Kinder oft mit Bauchschmerzen, weil das fein pürierte Obst den Darm viel zu schnell passiert.
Wer froh ist, dass sein Kind endlich Obst „isst“, indem es an so einem Beutel saugt, der sollte sich lieber nicht zu früh freuen. Im Rahmen einer normalen kindlichen Essentwicklung werde die Konsistenz der Lebensmittel zunehmend fester. Dadurch könne sich die Mundmotorik und die Muskelstärke von Zunge und Gaumen entwickeln, erklärt die Expertin.
Kauen fördert Mundmotorik
„Wenn Kinder keine Gelegenheit haben, feste Lebensmittel zu kauen und zu schlucken, kann sich das negativ auf ihre Mundmotorik und damit auch auf ihre Sprachentwicklung auswirken“, sagt Parzer. Zudem ermutige das Anbieten fester Lebensmittel Kinder dazu, sich quasi selbst zu füttern und so nebenbei auch ihre Feinmotorik auszubauen. Das Saugen aus einer quetschbaren Verpackung gebe den Kindern keinen Anreiz. Ebenso ermögliche das Essen fester Lebensmittel eine Vielzahl von Geschmackserfahrungen zu sammeln sowie Geschmacksvorlieben zu entwickeln. „Quetschies bieten lediglich einen süßen Geschmack. Ein übermäßiger Konsum kann dazu führen, dass Kinder weniger bereit sind, neue Geschmäcker und Texturen auszuprobieren“, so die Diätologin.
Gesundes Essverhalten lernen
Um ein dem Alter entsprechendes Ernährungsverhalten aufzubauen, sollten Kinder mit dem Löffel gefüttert werden, anstatt sie ihr Essen schnell und zwischendurch saugen zu lassen. Die Weichen für eine gesunde Esskultur werden früh gestellt. Damit gemeint sind regelmäßige Mahlzeiten bei Tisch, mit Fokus auf drei Hauptmahlzeiten. Kinder brauchen auch Zwischenmahlzeiten, aber kein Dauersnacken.
Kinder können das Essen von Obst und Gemüse durchaus lernen. Wichtig ist, es immer wieder anzubieten Kinder müssen erst auf den Geschmack kommen. Auch die Vorbildwirkung von Eltern oder älteren Geschwistern ist bedeutend. Bunte Spieße und mundgerechte Stücke regen zum Probieren an, gegessen werden darf mit den Fingern und auch Patzen und ein bisschen Experimentieren soll erlaubt sein.
Nicht außer Acht lassen sollte man auch den Preis der „Obsthäppchen“ im Beutel: Meist sind in einem Quetschie 100 Gramm enthalten, abseits von wenigen Ausnahmen und Multipack-Angeboten kosten diese deutlich mehr als einen Euro. Frisches Obst ist wesentlich günstiger, aber auch (Baby-)Obstbrei aus dem Glas liegt bei vergleichbarem Inhalt preislich unter den Quetschbeuteln. Genau zu schauen gilt es auch bei den einzelnen Fruchtanteilen: Himbeeren oder Heidelbeeren suggerieren Vielfalt und sind auch als sehr gesunde Obstsorten bekannt. Tatsächlich bewegen sich deren prozentuelle Anteile meist im einstelligen Bereich, während Apfelpüree den Beutel zum überwiegenden Teil füllt. Das kann durchaus heißen, dass in einem Quetschie lediglich ein halbes Teelöfferl Himbeer- oder Heidelbeerpüree steckt.
Das Geschäft mit Kindersnacks boomt und die Produkt-Vermarkter wissen genau, wie sie ihre Zielgruppe erreichen: Das Kind reagiert auf die bunten Verpackungen und lustigen Obstgesichter, die Eltern lassen sich von Ergänzungen wie „ohne Zuckerzusatz“ oder „100 % Frucht“ verführen. Kleingedruckte Hinweise auf der Rückseite dienen dazu, die weiße Hersteller-Weste nicht anzupatzen: So wird in Mini-Lettern sehr wohl betont, dass der Verzehr idealerweise von einem Löffel erfolgen und der Beutel nicht zum dauernden Nuckeln überlassen werden sollte. Letztlich ist aber klar, dass das Produkt so konzipiert ist, dass es zum direkten Saugen daraus verleitet: Ein quetschbarer Beutel und eine schnabelartige Öffnung lassen keine Zweifel aufkommen.
Zahngesundheit in Gefahr
In einem Quetschie treffen Zucker und Säure aufeinander ein Duo, das gemeinsam gegen die Zahngesundheit vorgeht. Vor allem das andauernde Umspültwerden von dieser Mischung greift den empfindlichen Zahnschmelz der kleinen Milchzähne an und erhöht die Kariesgefahr. Nicht zuletzt erzeugen die kleinen Beutel aus Kunststoff oder Plastik-Aluminium-Gemisch eine ganze Menge Müll. Es gibt also genug Gründe, beim nächsten Einkauf das Quetschie-Regal zu meiden und stattdessen gemeinsam mit dem Kind die ebenso bunte Obstabteilung zu erkunden.