Allgemein

Unfaire Praktiken

In der Lebensmittelkette herrscht ein großes Ungleichgewicht, das bäuerliche Betriebe und Lieferanten massiv unter Druck bringt.

Unter dem Hintergrund signifikanter Preissteigerungen für Konsumenten hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vergangenes Jahr die Lebensmittelbranche genauer unter die Lupe genommen. Die Analyse konzentrierte sich dabei auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Fleisch, Fisch, Wurst, Eier, Obst, Gemüse, Brot, Gebäck, Molkereiprodukte, alkoholfreie Getränke, Speiseöl, Tiefkühlkost sowie Süßwaren und pikante Snacks. Nun liegen die Ergebnisse vor: Die Untersuchung ergab, dass keine Produktgruppe von Preisanstiegen verschont geblieben ist. Insbesondere waren Butter, Margarine und Mischfette davon stärker betroffen. Verkaufspreise von Eigenmarkenprodukten sind vergleichsweise stärker gestiegen als jene von Markenprodukten. „Die Ergebnisse zeigen mehrere Schwachstellen im Hinblick auf die Wettbewerbssituation. Die Anzahl der eingemeldeten unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten ist beunruhigend. Gleichzeitig sehen wir Schwächen des Binnenmarktes. Zudem sollte die Situation der Konsumenten im Hinblick auf Preistransparenz gestärkt werden“, erklärt BWB-Leiterin Natalie Harsdorf-Borsch.

Es geht um unsere Existenz.


anonym

Ein Kampf mit ungleichen Waffen

Der Bericht habe aufgezeigt, dass entlang der Lebensmittelkette ein Kampf mit ungleichen Waffen herrsche: „Mehr als 110.000 bäu­erliche Produzenten und eine Vielzahl von Verarbeitern und Lieferanten sind einigen wenigen großen Handelskonzernen ausgeliefert. Die Lieferanten sind nicht nur mit harten Preisverhandlungen konfrontiert, sondern auch mit drohenden Auslistungen und aufgezwungenen Vertragsbedingungen. Solche unfairen Geschäftspraktiken verurteile ich aufs Schärfste“, so Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig.

  Entweder nimmst du an der Aktion teil und finanzierst sie zu 100 % inklusive Werbung, oder du bist bei uns nicht mehr dabei.


inkäufer zu Lieferant

Fakt ist: In Österreich besteht eine extrem hohe Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel. Die vier größten Konzerne Spar, Rewe, Hofer und Lidl weisen gemeinsam einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent (%) auf. Sie haben daher eine hohe Verhandlungsmacht gegenüber ihren Lieferanten. Während die Handelsketten ihr Filialnetz stetig weiter ausbauen können, müssen jedes Jahr mehrere Hundert Nahversorger schließen.

Beschwerden sind „explosionsartig“ angestiegen

Dass in Österreich unfaire Handelspraktiken weit verbreitet sind, bestätigt auch das „Fairness-Büro“. Vor zwei Jahren als unabhängige Stelle installiert, bietet es Bäuerinnen und Bauern sowie Lebensmittelproduzenten anonyme und kostenlose Hilfe. Der zuletzt präsentierte Tätigkeitsbericht zeigt, dass sich das Ungleichgewicht in der Lebensmittelkette durch eine Vervielfachung an Beschwerden bestätigt hat. Waren es 2022 lediglich 21 Beschwerden, so gab es im Jahr 2023 einen „explosionsartigen Anstieg“ auf 235 unmittelbare Beschwerden. Im Schnitt beschweren sich also jeden Monat 20 Lieferanten wegen unfairer Handelspraktiken beim Fairness-Büro. All diese Beschwerden hätten eines gemeinsam: Die Betroffenen haben Angst vor wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen der Handelskonzerne. „Die hohe Marktkonzentration von zwei Vollsortiment-Lebensmittelhändlern zeigt, dass Lieferanten extremem Druck ausgesetzt sind. Die Gefahr von einem der beiden ausgelistet zu werden und damit einem einzigen Käufer ausgesetzt zu sein, ist existenzbedrohend, wie uns Beschwerdeführer darlegen. Die Marktmacht der Handelsketten bringt bäuerliche Familienbetriebe sowie Lieferanten unter Druck und schadet den Konsumenten“, erklärt Johannes Abentung, Leiter des Fairness-Büros, der einzelnen Händlern dabei kein gutes Zeugnis ausstellt. 

Österreich-Aufschlag
Die Untersuchung ergab auch, dass die Lebensmittelindustrie mit besonderem Anreiz für internationale Konzerne für gleiche Produkte entsprechend ihren Länderstrategien teilweise unterschiedliche Preise verrechnet. Diese Strategien können ein wesentlicher Faktor für unterschiedliche Lebensmittelpreise und damit höhere Preise in Österreich sein. 

Kritik an Rabattpickerln und Eigenmarken

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Rabattpickerl (-25 %), die in regelmäßigen Abständen angeboten werden. Diese Rabatte werden laut Abentung in der Regel vom Handelsunternehmen auf den heimischen Lieferanten abgewälzt, wobei hier zusätzlich eine mangelnde Transparenz bei der Abrechnung für den Lieferanten gegeben sei. Dem Lieferanten werde der Betrag der einbehaltenen -25 %-Rabatte vom Handelsunternehmen genannt, ohne dass dieser die Möglichkeit habe, diese abgezogenen Beträge kontrollieren zu können. Ein Mitspracherecht bestehe in der Regel ebenso wenig wie eine Kalkulationsmöglichkeit im Vorfeld.

Ich habe Angst vor dem Einkäufer.


Anonym

Aber auch andere Aktionskosten wie „1+1 gratis“, „-25 % Wochenend-Aktionen“, Kunden­bindungs- oder Treueprogramme würden regelmäßig vom Lieferanten zu tragen sein. Teilweise würden hier für die Bewerbung in den Flugblättern noch separate Zahlungen als „Druckkosten“-Beitrag bis zu einem fünfstelligen Betrag pro Flugblatt und pro Produkt  verlangt werden. Der Zeitpunkt der Aktion werde in der Regel von der Handelskette bestimmt. Dies sei in Zeiten von Personal- und Ressourcenknappheit und hohen Energiekosten ein problematischer Faktor, insbesondere im Frischesortiment. Wenn Lieferanten aus den erwähnten Gründen nicht teilnehmen können, sei auch schon mit einem Teilnahmeverbot bei nächsten Aktionen und mit Auslistung gedroht worden. 

Es ist völlig inakzeptabel, dass Händler die Bäuerinnen und Bauern fast bis zum Bankrott auspressen.

Norbert Totschnig

Ein weiteres Problem sei auch der Anteil an Eigenmarken, der immer mehr zunimmt. Damit steige nicht nur die Verhandlungsmacht der Handelskonzerne, sondern auch die Austauschbarkeit von heimischen Lebensmitteln und Produzenten. So könne es zum Beispiel vorkommen, dass ein Handelskonzern von einem Betrieb einen gewissen Produktionsanteil für seine Eigenmarke in gleicher Qualität verlangt, aber mit deutlich geringerem Preis. Bei Verweigerung drohe die Auslistung des Markenproduktes. „Der steigende Eigenmarkenanteil des Lebensmittelhandels führt zu einem weiteren Druck gegenüber den Lebensmittelverarbeitern und Bauern. Die Erzeuger haben dem nur wenig entgegenzusetzen. Ihnen bleibt kaum eine andere Möglichkeit als den verlangten Konditionen zuzustimmen. Das ist kein fairer Wettbewerb auf Augenhöhe. Und die Folge davon ist ein geringerer Produkterlös. Für den Konsumenten ist es doch von größerer Relevanz zu wissen, von welcher Molkerei die Milch verarbeitet wurde, als den Namen des Lebensmittelgeschäftes darauf zu lesen“, betont Wolfgang Wallner, Direktor des OÖ Bauernbundes.

Versteckte Preiserhöhungen
Konsumenten haben bei der Befragung angegeben, dass sie den Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht sehen, transparent über „Shrinkflation und Skimpflation“ zu informieren. Shrinkflation bedeutet, dass es bei gleichen Packungspreisen zur Verkleinerung der Packungsgrößen oder dem Abfüllen einer geringeren Menge kommt. Unter Skimpflation versteht man eine versteckte Qualitätssenkung in der Produktion bei gleichem oder ähnlichem Preis und Menge. Beides stellen versteckte Preiserhöhungen dar.

Bildquellen

  • AdobeStock_114990740 [Konvertiert]: francoimage-stock.adobe.com