Genau geschaut

Woher kommen die Lebensmittel?

GENAU GESCHAUT. Diese Frage stellen sich immer mehr Konsumenten. Darauf Antworten zu finden ist in vielen Fällen schwierig bzw. überhaupt nicht möglich. Lust aufs Land zeigt, welche Regeln bei der Kennzeichnung gelten.

Für Konsumenten ist die Lebensmittelherkunft oft nicht erkennbar. Inbesondere bei Verarbeitungsprodukten, in der Gemeinschaftsverpflegung sowie in der Gastronomie tappen sie diesbezüglich meist im Dunkeln. Viele von ihnen erwarten jedoch eine ehrliche und gesicherte Information, woher die Erzeugnisse stammen. Lust aufs Land hat wieder einmal genau geschaut und versucht Licht in die komplexe Thematik zu bringen.

Verarbeitetes Fleisch muss nicht gekennzeichnet sein

Auf europäischer Ebene gibt es zwar verpflichtende Herkunftsangaben, jedoch gelten diese nur in Teilbereichen. So schreibt die EU diese aktuell für bestimmte Lebensmittel wie etwa frisches Obst und Gemüse, Fisch, unverarbeitete Eier oder verpacktes Frischfleisch vor, nicht aber beispielsweise für verarbeitetes Fleisch.

Insbesondere bei verarbeiteten Lebensmitteln kaufen Konsumenten oftmals die sprichwörtliche „Katze im Sack“, da die Herkunft der Zutaten in vielen Fällen nicht ausgelobt werden muss.

Dazu zählen neben Fertigprodukten auch Wurstwaren wie Salami, Schinken, Bratwürstel, Frankfurter oder Streichwurst. Die Konsumenten erfahren hier nicht, woher das darin enthaltene Fleisch kommt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde. Auch wer sich gerne an der Frischetheke bedienen lässt, sollte sich bewusst sein: Wo das Tier aufgewachsen ist und geschlachtet wurde, muss für den Konsumenten nicht erkennbar sein. „In einer Welt, in der alles transparent ist, scheint es fast absurd, dass wir nicht einmal wissen, woher das Fleisch in unseren Würsten kommt. Im Ausland gelten oft nicht dieselben Haltungsbedingungen wie in Österreich“, erklärt Hannes Royer, Obmann des Vereins Land schafft Leben.

Bei verpacktem Frischfleisch ist die Regelung hingegen strenger. Dieses muss genau gekennzeichnet sein und darf zum Beispiel nur das rot-weiß-rote AMA-Gütesiegel tragen, wenn die Tiere in Österreich geboren, gemästet, geschlachtet und zerlegt wurden.

AMA-Gütesiegel
In Österreich gibt es seit mehr als 20 Jahren gut funktionierende, freiwillige Qualitätssysteme wie das rot-weiß-rote AMA-Gütesiegel und das AMA-Biosiegel. Diese dürfen unter bestimmten Voraussetzungen für Frischeprodukte wie Milch, Fleisch, Obst oder Eier, aber auch für einige verarbeitete Produkte wie Joghurt, Käse, Wurstwaren, Speiseöl oder Tiefkühlgemüse verwendet werden. 
Die beiden Siegel sind staatlich anerkannt. Alle Kriterien – von der Qualität bis zur österreichischen Herkunft – werden laufend von unabhängigen Kontrollstellen überprüft. Am AMA-Gütesiegel nehmen circa 40.000 bäuerliche Erzeuger teil, rund 700 Lizenznehmer zeichnen ihre Produkte damit aus.

Butter-Check: Nur 70 Prozent aus heimischer Milch

Auch bei Milch und Milchprodukten gibt es bis dato keine verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Bauernbund und Jungbauernschaft nahmen dies kürzlich zum Anlass und führten einen Regionalitäts-Check bei Butter durch. Dabei wurden Butter und Butterschmalzprodukte in 34 verschiedenen Filialen der größten Lebensmitteleinzelhändler in Oberösterreich untersucht. Mehr als 400 Butter-Proben haben gezeigt, dass lediglich 70 Prozent der angebotenen Butter-Produkte aus Österreich stammen. Das heißt im Umkehrschluss, dass 30 Prozent der Butter in heimischen Regalen importiert sind. 20 Prozent davon sind aus Deutschland und fünf Prozent der Butter stammen aus Irland. Diese Butter-Produkte haben tausende Transportkilometer auf dem Buckel. Hier stellt sich die Frage, ob das wirklich notwendig bzw. von den Konsumenten gewünscht ist? „Das ist ernüchternd, wenn man bedenkt, dass gerade jetzt in der Corona-Krise alle Lebensmitteleinzelhändler im großen Stil mit Bildern aus der heimischen Landwirt­schaft werben“, so Agrarlandesrat und Bauernbund-Landesobmann Max Hiegelsberger. Wer hingegen bewusst Butter aus Österreich kauft, schaut nicht nur aufs Klima, sondern kann sich auch sicher sein, dass es sich um ein gentechnikfreies Produkt handelt.

Insbesondere Eigenmarken der Handelsketten werden oft ohne klare Herkunftsangabe und zu einem sehr günstigen Preis ange­boten. Das bestätigen auch die Ergebnisse des Regionalitäts-Checks. Im Durchschnitt waren die Eigenmarken um 2,7 Euro pro Kilogramm Butter günstiger. Auch die Herkunft war nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Obwohl österreichische Herkunft suggeriert wird, stecken bei Eigenmarken oft Rohstoffe aus aller Welt in den Produkten. „Konsumenten durchschauen diese Spielchen der Handelsketten oft nicht. Dazu bräuchte es beim Einkauf schon Spezialwissen“, betont Hiegelsberger.

Billige Butter ist für Konsumenten ein Lockprodukt, bei dem sie gerne zugreifen. Dies wirke sich stark auf die Mengen aus. Laut Agrarmarkt Austria (AMA) wurde die Butter in der zweiten Jahreshälfte 2020 zu knapp 40 Prozent in Aktion gekauft. „Das zieht einen wirtschaftlichen, viel mehr aber noch einen emotionalen Schaden beim Konsumenten und Produzenten nach sich“, so Christian Lang, Obmann der oberösterreichischen Jungbauernschaft.

Der Check ergab auch, dass bei pflanzlichen Butter-Alternativen, die billiger produziert werden können, gerne optisch geschummelt wird. Pflanzliche Streichfette werden zunehmend in Butter-Form abgepackt, ins gleiche Regal gestellt und mit dem Hinweis „zu verwenden wie Butter“ deklariert. Gerade in Pseudo-Butter wie Margarine steckt meist Palmöl. Diese vermeintliche Butter-Alter­native geht auf Kosten von Regenwäldern. 

Kennzeichnung rasch umsetzen

Die transparente Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln ist seit Jahren eine zentrale Forderung des Bauernbundes. Durch eine durchgängige und klare Auslobung der Herkunft könnte eine tatsächliche Wahlmöglichkeit für Konsumenten geschaffen werden. Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Primärzutaten wie Fleisch, Milch und Eier – sowohl in der Gemeinschaftsverpflegung und Kantinen als auch bei verarbeiteten Lebensmitteln – ist auch bereits im Regierungsprogramm verankert. Nur umgesetzt wurde sie bis dato noch nicht.

Der dafür zuständige Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat kürzlich einen ersten Verordnungsentwurf vorgelegt. Dieser sieht jedoch nur eine Umsetzung im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung für Rindfleisch und Eier vor. Die bäuerlichen Interessensvertreter sprechen daher von einer
„abgespeckten Version“. Der Minister verweist indes auf die Unvereinbarkeit mit EU-Recht. Gemäß einem Gutachten des Europarechtsexperten Walter Obwexer sei jedoch eine nationale Kennzeichnung von Rindfleisch, Eiprodukten sowie Obst und Gemüse auch bei verarbeiteten Produkten rechtlich möglich.

Laut einer Motivanalyse der AMA erachten auch 90 Prozent der Konsumenten die österreichische Her­kunft bei Lebensmitteln als wichtig. „Die Konsumenten haben sich Klarheit und somit auch
Wahlfreiheit in der Kantine und vor dem Supermarktregal verdient. Zudem wäre eine rasche Umsetzung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung auch für die Bäuerinnen und Bauern sowie die Umwelt begrüßenswert“, erklärt Hiegelsberger.

Aber auch bei Produkten, bei denen die Kennzeichnung bereits gesetzlich verankert ist, lohnt es sich auf die Herkunft zu achten. Aktuell zeigt sich das beispielsweise bei den Frühkartoffeln. Diese haben in Österreich erst Ende Mai Saison, doch be­reits jetzt sind die ersten „Heurigen“ in den Supermarkt-Regalen zu finden. Sie werden aus Ländern wie Ägypten oder Israel importiert. Und das obwohl die heimischen Erdäpfeln durch ihre Lagerfähigkeit das ganze Jahr über ausreichend verfügbar sind. Sie werden von August bis November geerntet und bis zur nächsten Frühkar­toffelernte gelagert, die Ende Mai beginnt. 

Speisefrühkartoffeln, die aktuell im Handel angeboten werden, haben eine lange Reise hinter sich.

Die Lösung für das derzeitige Kartoffel-Dilemma liegt eigentlich auf der Hand: Überschüssige heimische Erdäpfel essen statt Frühkartoffeln aus Ägypten zu importieren. Doch die typische Gastronomie-Kartoffel ist für Konsumenten aufgrund ihrer Größe unattraktiv. Begehrt sind feine kleine Frühkartoffel, und das am besten schon Mitte März. Für Hannes Royer eine absurde Situation: „Durch die Lagerfähigkeit haben wir das ganze Jahr über österreichische Kartoffeln zur Verfügung und müssen nicht zu Importware aus Ländern wie Ägypten und Israel greifen. Jeder Griff ins Regal ist auch ein Produktionsauftrag – denn nachgeschlichtet wird nur das, was vorher auch herausgenommen wurde. Greifen wir also nicht zu importierten Frühkar­toffeln, werden diese auch nicht mehr nachbestellt.“

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) kürt mit der „Konsum-Ente“ regelmäßig das ärgerlichste Lebensmittel-Produkt des Jahres. Für das Jahr 2020 geht dieser Negativpreis an Iglo. Der Hersteller, der in seiner Kommunikation die Herkunft seines Gemüses eng mit dem Marchfeld verknüpft, sorgte mit seinem tiefgefrorenen Broccoli aus Ecuador für den größten Unmut bei den Konsumenten.

Bildquellen

  • Lebensmittel_Gulasch: LustaufsLand/Zivkovic
  • Lebensmittel_Butter: LustaufsLand/Zivkovic
  • Lebensmittel_Kartoffeln: LustaufsLand/Mursch-Edlmayr
  • Lebensmittel_Brokkoli: LustaufsLand/Zivkovic
  • Lebensmittel: LustaufsLand/Zivkovic