Kinder & Freizeit

Ungesund, aber angesagt

KINDER. Wenn Werbung direkt ins Kinderzimmer kommt, dann sind sogenannte „Influencer“ im Spiel. Hersteller von Junkfood ködern mit den Internet-Helden gezielt junge Konsumenten. 

Sie sind die Meinungsmacher in sozialen Medien und Idole von Heranwachsenden. Dabei klingt das Wort „Influencer“ cooler als das, was es wörtlich ins Deutsche übersetzt heißt – nämlich „Beeinflusser“. Ihrer Bezeichnung werden die Online-Stars gerecht, denn Kinder und Jugendliche bilden sich ihre
Meinung heute immer auch mit und in digitalen Medien. 

Das tägliche Internet

Laut OÖ. Jugend-Medien-Studie 2021, die das Medienverhalten der Elf- bis 18-Jährigen unter die Lupe genommen hat, steht das Internetsurfen auf deren täglicher To-do-Liste. Eigenen Angaben zufolge wenden die Heranwachsenden dafür etwa zwei Stunden pro Tag auf. Dabei lassen sie sich auch von Influencern auf Plattformen wie YouTube, Instagram, Snapchat, Tik Tok oder in Blogs aus deren Leben erzählen und zeigen. Die Online-Freunde plaudern über Modetrends, geben Schminktipps oder teilen süße Tiervideos. Ihre jungen Fans, genannt Follower, mögen das, schreiben dazu wie gewünscht kurze Kommentare und lassen wiederum ihren eigenen Freundeskreis daran teilhaben. Laut dem österreichweiten „Jugend-Internet-Monitor 2022“ gaben zuletzt 95 Prozent der Befragten Elf- bis 17-Jährigen an, YouTube zu nutzen, 81 Prozent sind es bei Instagram, jeweils 70 Prozent bei Snapchat und TikTok. 

Die Welt der Jugendlichen ist eine Mischung aus realem und virtuellem Erleben. 

Beliebte Werbeträger

Für die Werbebranche hat sich damit eine lukrative Spielwiese aufgetan. Denn was Influencer anhaben, essen, trinken oder einfach gerne mögen, das finden auch ihre Anhänger gut. Durch hohe Reichweiten stellen sie für Unternehmen interessante Werbeträger dar, besonders in Richtung einer jungen oder sehr jungen Zielgruppe. Als Social-Media-Stars erreichen sie nicht selten ein Millionenpublikum. 

Das sogenannte „Influencer Marketing“ gilt als effektive Form des Marketings. Längst gibt es eigene Agenturen, die sich nur mit dieser Thematik beschäftigen. Was die Kennzeichnung von Werbung betrifft, so gibt es zwar gesetzliche Rahmenbedingungen, allerdings wird die Sache bei „Produktplatzierungen“ schon wieder etwas unklarer: Eigentlich sind sie nicht zulässig – aber auch wieder okay, wenn dabei nicht direkt zum Kauf aufgefordert wird. Bei genauem Hinschauen sind sogenannte Hasthags (#) wie #Werbung, #Anzeige oder auch ein #sponsored by“ zu finden, aber ob Kinder und Jugendliche dies im Vorbeiwischen tatsächlich registrieren und richtig einordnen, ist eine andere Frage. Zudem: Wenn Influencer Einblicke in ihren (scheinbaren) Alltag geben und sich dabei in geselliger Runde in Fast-Food-Lokalen zeigen oder im Video beiläufig einen Snack verzehren, ist das noch schwieriger als Werbung auszumachen. 

Mediennutzung Kinder Jugend

Geht es beim Influencer-Marketing ums Essen, kann die Sache sehr schnell sehr ungesund werden. Die Verbraucherorganisation „Foodwatch“ weist in diesem Zusammenhang auf jene digitalen Gusto-Macher hin, die Kinder mit Junkfood ködern – und bezeichnet sie als „Junkfluencer“. Junkfood steht als Überbegriff für besonders zucker-, fett- und salzhaltige und damit meist auch kalorienhaltige, ungesunde Produkte.

Ein gewichtiges Problem

  • Kinder zum Konsum von süßen, fettigen Lebensmitteln zu verführen, führt zu gewichtigen Problemen: Schon jetzt ist in Österreich im Schnitt jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen
    im Alter von acht bis neun Jahren übergewichtig oder adipös. Übergewichtige Kinder und Jugendliche haben ein erhöhtes
    Risiko für Diabetes Typ II. Die früher auch als „Altersdiabetes“ bezeichnete Erkrankung ist stark im Steigen – auch bei Jüngeren. 
  • Kinder wollen mehr ungesunde Lebensmittel, wenn sie Werbung dafür sehen. Zahlreiche Studien belegen das. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht einen klaren Zusammenhang zwischen Fehlernährung der Kinder und gezieltem Marketing für unausgewogene Lebensmittel.
  • Was Eltern tun können: Kinder schon früh für das Thema Werbung sensibilisieren und versuchen, dieser gegenüber eine skeptische Haltung aufzubauen. Wichtig aber ist vor allem, dass Werbung auch als solche erkannt wird. 
  • Details zur Junkfluencer-Recherche von Foodwatch Österreich sind unter www.foodwatch.at im Punkt Kindermarketing zu finden.

Idole geben vor, was cool ist

Zwischen witzigen Videos und perfekten Selfies werden so auch Lebensmittel ins Bild gerückt, bei denen jeder Ernährungsberater die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und die für Eltern, die auf gesundes und regionales Essen Wert legen, ein Dorn im Auge sind. Unter dem Deckmantel der Unterhaltung lässt sich so einiges an das Kind bringen. Wobei: Eigentlich dürfen Plattformen wie Instagram oder TikTok erst ab 13 Jahren genutzt werden, denn dieses Alter haben die Betreiber in den Nutzungsbedingungen festgelegt. Tatsächlich ist es aber ein Leichtes, sich mit geschummeltem Geburtsdatum Zutritt zu verschaffen. Eltern sollten also den Online-Konsum ihrer Kinder im Auge behalten – sie können aber auch nicht alles kontrollieren, was diese im Internet anschauen.  

Vertrauen und Glaubwürdigkeit

Was macht das Influencer-Marketing so gefährlich? „Der größte Faktor ist, dass Influencer wie Freunde wahrgenommen werden. Man schreibt ihnen und manchmal schreiben sie auch zurück. Man schaut ihnen zu, wie sie leben, und ihre Botschaften werden so wahrgenommen, als wenn eine Freundin etwas erzählen würde“, sagt Heidi Porstner, die gemeinsam mit Lisa Kernegger 2020 Foodwatch Österreich gegründet hat. „Viele Kinder unterscheiden ja gar nicht mehr so zwischen virtuellem und realem Leben“, betont Kernegger. Unternehmen wüssten ganz genau, welches Publikum wie reagiere. Sie setzen stark auf Interaktion, das Marketing passiere sehr zielgerichtet. „Dass der Geschmack sehr früh geprägt wird und auch Markenbindung sehr früh passiert, ist ja bekannt“, betonen die beiden. Sie kritisieren, dass es an gesetzlichen Regelungen mangle, die das Bewerben ungesunder Lebensmittel an Minderjährige auch wirksam reduzieren würden. „Bisher hat sich die Lebensmittelindustrie nur freiwillige Selbstverpflichtungen auferlegt. Doch wer soll diese kontrollieren? Darauf haben wir noch keine Antwort erhalten. Wir gehen davon aus, dass diese Selbstverpflichtungen nicht wirksam sind“, sagen Porstner und Kernegger.

Auch die Influencer selbst würden eine große Verantwortung tragen – und dabei nicht verantwortungsvoll damit umgehen. „Influencer machen Beiträge oft unter Verträgen mit Agenturen, die von großen Lebensmittel-Konzernen beauftragt werden“, betont Porstner. Dass sich alle Anbieter selbst Regeln auferlegen, was das Bewerben von besonders salz-, zucker- oder fetthaltigen Produkten gegenüber Kindern angeht, funktioniere in der Praxis nicht. Es gebe zwar mittlerweile auch auf EU-Ebene Bestrebungen, ein von der Weltgesundheitsorganisation WHO konzipiertes Nährwertprofil in Regelungen einzubetten, dennoch könnten hierzulande längst auch nationale Schritte gesetzt werden.  

Schmerzhafte Erfahrungen

Die schmerzhafte Erfahrung, wie schnell und nahezu unbemerkt das eigene Kind in eine Abhängigkeit von digitalen Vorbildern rutschen kann, hat eine Mutter (47) gemacht, die im Gespräch mit Lust aufs Land anonym bleiben möchte. Die 14-jährige Tochter der Oberösterreicherin hat sich ein Fitness-Idol zum Vorbild genommen, aus anfänglichem Nachturnen wurden schnell akribisch geplante, tägliche Workouts. Die Produktlinie des Internet-Stars wurde zur Pflicht, das Essen im Alltag zum Problem. Die Folge: beginnende Magersucht, verzerrte Wahrnehmung, Suchtverhalten. „Gott sei Dank haben wir das Problem relativ rasch erkannt, aber trotzdem wa­ren eine einjährige wöchentliche Psychotherapie und mehrere Termine bei einer Ernährungsspezialistin notwendig, um aus dem Teufelskreis wieder auszubrechen“, berichtet die Mutter. Als solche empfiehlt sie, das Essverhalten von Teenagern zu beachten und über Auffälligkeiten sofort zu reden.

Bildquellen

  • Influencer: adobestock.com - deagreeZ
  • Influencer Fastfood: vaaseenaa - adobestock.com
  • Influencer Kinder: Jacob Lund - stock.adobe.com