Landwirtschaft & Handwerk

Das Mühlviertel duftet nach Provence

REPORTAGE. Der „Granit-Lavendel“ soll zum neuen Markenzeichen der Region werden. Bei einem Pilotprojekt wird die Pflanze für die Lebensmittelproduktion in Bio-Qualität kultiviert.

Gesunde Ernährung, Naturkosmetik und Naturheilkunde liegen im Trend, deshalb erfreuen sich auch Lavendelprodukte großer Beliebtheit. Derzeit wird der Bedarf hierzulande (noch) durch Importe gedeckt. Die Klimaerwärmung könnte aber eine Chance sein, die wärmeliebende Pflanze aus der französischen Provence auch in Oberösterreich heimisch zu machen und zu kultivieren. 

Ein Pilotprojekt im Lebensmittel-Cluster der oö. Standortagentur „Business Upper Austria“ beschäftigt sich damit, den Lavendelanbau im Mühlviertel zu etablieren, Ernte- und Aufbereitungstechniken zu entwickeln sowie innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Der Mühlviertler „Granit-Lavendel“ soll zum neuen Markenzeichen für die Region werden.

Wissenswert
Der Lavendel zählt zu den bekanntesten Heilkräutern Europas und findet sich auf dem österreichischen Markt in vielen Produkten wieder. Der angenehme Duft und das Aroma wirken beruhigend beim Einschlafen. Lavendel hilft auch bei kleinen Hautverletzungen. Die Blüten verschönern und aromatisieren Tees und Gewürze. In der Küche kommt Lavendel beim Brotbacken, als Sirup oder im Salat zum Einsatz.

Erste Ernte erfolgversprechend

Bereits im September 2020 wurden die ersten Lavendelpflanzen angebaut. Um den besten Zeitpunkt für das Pflanzen im Mühlviertel herauszufinden, erfolgte der zweite Teil der Pflanzung im Mai 2021. Vergangenes Jahr gab es bereits eine erste kleine Ernte: „Die Freude über diesen ersten kleinen Erfolg war groß. Dem Lavendel scheint es im Mühlviertel gut zu gefallen“, so Julia Hochreiter, Projektleiterin vom Biokompetenzzentrum Schlägl. Heuer soll die Ernte schon größer ausfallen. 

Das Biokompetenzzentrum Schlägl begleitet die Anbauversuche bei sechs Landwirten auf wissenschaftlicher, fachlicher und praktischer Ebene. Hochreiter ist auch für den Aufbau und den Transfer des Know-hows zuständig: „Um den wärmeliebenden Lavendel im Mühlviertel zu kultivieren, müssen wir nach geeigneten Sorten und Anbaumethoden suchen sowie die dazu passende Ernte- und Aufbereitungstechnik für die gesamte Produktkette entwickeln. Ziel ist, angesichts des Klimawandels wirtschaftlich rentable, klimaangepasste neue Betriebszweige für die klein strukturierte Landwirtschaft im Mühlviertel zu etablieren.“

2021 wurde erstmals Granit-Lavendel geerntet.

Exotischer regionaler Rohstoff

In den europäischen Hauptanbaugebieten Frankreich, Bulgarien und Spanien haben die Produzenten wegen der Trockenheit mit Schädlingsbefall und Ernteausfällen zu kämpfen. „Da unser Firmen-Credo auf Regionalität basiert, wollen wir auch exotische Rohstoffe wie Lavendel von lokalen Produzenten aus dem Mühlviertel beziehen. Damit unterstützen wir unsere Landwirte, fördern die Biodiversität und stärken unsere Marke“, erklärt Karl Dirnberger, Geschäftsführer der Österreichischen Bergkräutergenossenschaft in Hirschbach im Mühlkreis.

Und es gibt noch einen Grund, warum Dirnberger den Lavendel für seine Produkte lieber aus der Region haben will: Für Tees oder Gewürze wird die Lavendelblüte verarbeitet, das Gewinnen des ätherischen Öls steht hier nicht im Fokus. Die Blüten müssen daher dem österreichischen Lebensmittelstandard entsprechen. Da es um Bio-Produkte geht, müssen die Blüten mikrobiologisch einwandfrei sein. Und die Blüten dürfen weder gequetscht noch beschädigt werden – weder bei der Ernte noch beim Trocknen noch beim Verarbeiten. Dafür braucht es innovative Lösungen.

„Untergang des Lavendels“
In Frankreich spricht man schon seit einigen Jahren vom sogenannten „Untergang des Lavendels“. Grund dafür ist eine kleine Zikade, die das Bakterium Stolbur-Phytoplasma überträgt. Dieses verstopft die Saftströme des Lavendels, was zum Absterben der Pflanze führt. Effektive Bekämpfungsmaßnahmen zu finden ist schwierig. Bulgarien und Rumänien produzieren daher mittlerweile größere Mengen an Lavendel als Frankreich.

Schonende Erntetechnik gesucht

Da der Fokus auf der Produktion der Blüte liegt, muss eine neue und schonendere Erntetechnik nahe der Handernte entwickelt werden. Statt der gängigen Technik mit Abmähen und Häckseln ist eine lebensmittelechte Erntetechnologie das Ziel des Projekts. Denn beim Häckseln werden die Lavendelblüten zerkleinert und entsprechen nicht mehr den Qualitätskriterien für die Produktion von Lebensmitteln. Außerdem sind die gängigen Maschinen nicht für die im Mühlviertel passende einreihige Ernte geeignet. Trotzdem braucht es für eine effiziente Trocknung und um die Qualitätsstandards zu erreichen, ein automatisiertes System. Denn bei „einfacher“ Lufttrocknung wie in der Provence könnte eventuell die mikrobiologische Belastung zu hoch sein.

Landwirt Josef Peer bei der ersten Lavendelernte im vergangenen Jahr

Automatisierte Lösungen gesucht

Nach dem Trocknen geht es um die präzise Trennung von Blatt, Blüte und Stängel. Da bei der Bergkräutergenossenschaft bisher nur Blattkräuter aufbereitet wurden, gibt es dafür noch keine geeignete Technik. Kleinere Lavendelproduzenten trennen häufig noch händisch. Doch in diesem Projekt soll auch dafür eine geeignete Automatisierungslösung gefunden werden. Hier kommt der Maschinenbauer Johannes Mittermair aus Schönegg ins Spiel. Er entwickelt gemeinsam mit den Lavendel-Bauern geeignete Kultivierungs-, Ernte-, und Aufbereitungstechniken. Der Unternehmer freut sich auf die Pionierarbeit, die er in einem neuen Geschäftszweig leisten kann: „Das Projekt gibt mir die Chance, mich und mein Unternehmen als Spezialist für klein strukturierte Lavendelkulturführung, -ernte und -aufbereitung zu etablieren. Dadurch werden wir gegenüber großen Maschinenbautechnikern konkur­renzfähig und können wachsen. Das steigert die regionale Wertschöpfung, schafft Arbeitsplätze und sichert diese.“ Mittermair baut auch auf seinen privaten Feldern Lavendel an, um auf einer betriebseigenen Versuchsfläche praxistaugliche Lösungen zu erproben und zu entwickeln. 

Im Juli beginnt der Lavendel im Mühlviertel wieder zu blühen und wird die Region in einen zarten Lilaton färben und zum Duften bringen – wie in der französischen Provence.

Details zum Projekt
Der Mühlviertler Granit-Lavendel als Alternative zum Import soll regionale Wirtschaftskreisläufe fördern, indem die gesamte Wertschöpfung in der Region erfolgt – über die gesamte Produktionskette hinweg von der Rohstoffproduktion über die Verarbeitung bis hin zum fertigen Produkt. Die blütenreichen Pflanzen sind außerdem eine Nahrungsquelle für Insekten. So leistet der Lavendel einen Beitrag zur Biodiversität im Mühlviertel. Gleichzeitig werten die Lavendelfelder die Kultur- und Agrarlandschaft auf und erhöhen die Chancen auf sanften Tourismus in der Region.

Bildquellen

  • Lavendel Sack: Christian Fidler
  • Lavendel Ernte: Christian Fidler
  • Lavendel Feld: Christian Fidler