Landwirtschaft & Handwerk

Der Stoff für heiße Tage

HANDWERK. Die Leinenweberei hat im Mühlviertel eine lange Geschichte, die vereinzelt bis heute anhält. Der Naturfaser wird aber auch eine gute Zukunft bescheinigt.

Flachsfasern sind die ältesten Naturfasern, die Menschen für ihre Bekleidung verwendet haben. Das Gewebe daraus – Leinen – wurde schon genutzt, ehe die alten Ägypter ihre Mumien damit einwickelten: Die ältesten bislang entdeckten Flachsfasern für Bekleidung sollen mehr als 30.000 Jahre alt sein.

In Oberösterreich war einst das Mühlviertel die Hochburg der Leinenproduktion. Bereits im 13. Jahrhundert wurde auf den kargen Granitböden Flachs angebaut, in den Wintermonaten zu Garn versponnen und zu Stoff verwebt. Die Industrialisierung und das Aufkommen von Baumwolle veränderten vieles, doch Leinen wird im Mühlviertel heute noch erzeugt. 

Flachsanbau

Der Flachs oder „das Haar“, wie die Mühlviertler die Faserpflanze nannten, war lange Zeit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in dieser Region. Noch im Jahr 1930 wurde im Mühlviertel auf einer Fläche von 560 Hektar Flachs angebaut. 1950 gab es allein in Haslach an der Mühl noch 23 Webereien.  Faserlein wird heute in Oberösterreich nicht mehr angebaut, lediglich der botanisch nahe verwandte Öllein, aus dessen Samen Leinöl gepresst wird. Laut Landwirtschaftskammer OÖ sind es hierzulande aktuell 150 Betriebe, die auf knapp 400 Hektar die ebenfalls blau blühende Pflanze anbauen. 

190 Jahre Weberei in Helfenberg

In Helfenberg befindet sich die älteste Leinenweberei Oberösterreichs, zugleich eines der traditionsreichsten Unternehmen Österreichs: Seit 190 Jahren wird in der Weberei Vieböck Leinen gewebt. Das 1832 gegründete Unternehmen wird heute vom langjährigen Webmeister Johann Kobler geführt. Dessen Sohn Christoph Kobler wird die Leinenweberei in dem kleinen Ort nahe der tschechischen Grenze weiter in Richtung ihres 200-Jahre-Jubiläums führen. Dass der Betrieb mit seiner langen Geschichte Zukunft hat, zeigt ein Blick in die jüngste Vergangenheit: „Leinen erlebt gerade eine Renaissance. Natürliche Materialien sind zunehmend gefragt. Auch in der Mode wird Leinen wieder mehr berücksichtigt und aufgrund seiner Eigenschaften geschätzt“, sagt Kobler. In den vergangenen drei Jahren sei die Produktion in Helfenberg stark gewachsen. Ein Beispiel: Teigtücher aus Rohleinen, sogenannte Bäckerleinen, seien wie die sprichwörtlich warmen Semmeln weggegangen – nicht zuletzt durch die Kooperation mit „Backen mit Christina“ und den durch Corona befeuerten Trend zum Kochen und Backen.

Herkunft, Umwelt- und Ressourcenschonung rücken mehr und mehr in den Fokus – und überall kann Leinen punkten. Während bei Baumwolle bis zu 11.000 Liter Wasser zur Gewinnung von einem Kilogramm Fasergut nötig sind, kommt Faserlein mit den lokalen Niederschlagsmengen aus. Dazu braucht er kaum Pflanzenschutz- und Düngemittel. Da Flachs für die Faserproduktion – im Gegensatz zu jenem für die Ölerzeugung  – in Oberösterreich nicht mehr kultiviert wird, verarbeitet die Mühlviertler Weberei Rohstoffe, die in Frankreich, Belgien und Holland angebaut und in Italien oder Polen versponnen werden. Das ergibt ein rein europäisches Produkt, was am Textilmarkt bereits eine Besonderheit darstellt. Doch auch bei Leinen drängt Billigware aus Fernost, etwa aus China, auf den Markt. Zu erkennen sei dies am härteren „Griff“ oder am weniger dichten Gewebe, das dadurch auch nicht so langlebig ist und schnell aufscheuert. 

Leinenstoffe sind vor allem im Sommer beliebt, denn die Naturfaser punktet bei hohen Temperaturen mit ihren kühlenden Eigenschaften und verleiht ein angenehmes Tragegefühl. Bettwäsche aus Leinen und sogenannte „Oberleintücher“, die bei hohen Temperaturen als Zudecke verwendet werden, liegen im Sommer hoch im Kurs. Leinen habe aber noch mehr positive Eigenschaften, schwärmt Kobler: „Es ist atmungsaktiv, antistatisch, antibakteriell und hautfreundlich. Außerdem trocknet es sehr schnell und fühlt sich gut an. Wer einmal in einer Leinenbettwäsche geschlafen hat, möchte nicht mehr wechseln“, betont Kobler. 

Pflegetipps

Leinen benötigt sehr viel Wasser beim Waschen. Die Waschmaschinentrommel sollte nur leicht befüllt sein, sodass die Wäsche gut „schwimmen“ kann. Die Leinenfaser kann auch genügend Wasser aufnehmen, wenn der Stoff vorher mehrere Stunden eingeweicht wird. Beim Schleudern auf geringe Touren (400 bis 600 pro Minute) achten, das schont die Fasern und erhöht die Lebensdauer des Gewebes. Zum Trocknen keinesfalls den Trockner verwenden – dieser beschädigt die Fasern. Geschirr- und Handtücher vor dem ersten Gebrauch zwei- bis dreimal bei 60 Grad Celsius waschen, so entwickelt Leinen seine volle Saugfähigkeit. 

Aus dem Reinleinen, das in Helfenberg gewebt wird, werden in der hauseigenen Näherei Textilien für Tisch und Küche, Bad und Schlafzimmer sowie Bekleidung konfektioniert. Auch Sonderanfertigungen für Privatkunden und Händler werden gemacht. Die Stoffe zieren traditionelle Muster genauso wie moderne Designs, die in Zusammenarbeit mit Textildesignern entstehen. Auch auf Bio-Zertifizierung wurde gesetzt: Seit 2011 erhielt der Betrieb jedes Jahr das Zertifikat für „Global Organic Standard“ (GOTS), ein Textilsiegel, das einen weltweit angewendeten Standard für die Verarbeitung biologisch erzeugter Naturfasern darstellt.

Im Oberen Mühlviertel ist mit Leitner Leinen in Ulrichsberg eine zweite Leinenweberei ansässig, deren Geschichte über viele Generationen zurückreicht. Seit 1853 wird dort Leinen gewebt – auch in der Jacquardtechnik, bei der mithilfe spezieller Webstühle kunstvolle gemusterte Stoffe entstehen.

Textiles Zentrum einst und heute

Das Zentrum der Mühlviertler Leinenweberei, die das Leben der Bevölkerung in der ganzen Region geprägt hat, war einst Haslach an der Mühl. Heute befindet sich dort das „Textile Zentrum Haslach“, eine Kooperation von fünf Partnern unter dem Dach eines historischen Fabrikareals. Neben Ausbildung, Produktion und Kunst findet sich darin auch das Haslacher Webereimuseum. 

Tipp: Der Webermarkt in Haslach ist ein internationaler Textilmarkt, der ein breites Spektrum des textilen Schaffens zeigt. Er findet am 23. und 24. Juli 2022 statt.

Im eigenen Verkaufsraum werden die Leinenprodukte und -stoffe für Küche, Esstisch, Bad und Schlafzimmer präsentiert.
Die zu Leinen-Garn versponnenen Flachsfasern werden in der Weberei zu einfärbigen oder auch gemusterten Stoffen verwebt.
Geschirrtücher aus Leinen sind beliebt, weil sie saugfähig und langlebig sind. Traditionelle Stoff- muster, die es seit Jahrzehnten gibt, sind immer wieder gefragt.
Die Leinenweberei Vieböck hat sieben Webmaschinen in Betrieb, mit denen Stoffbreiten von 50 bis 190 Zentimetern möglich sind.
Aus dem Rohgewebe wird nach dem Waschen und Pressen (Bügeln) der fertige Leinenstoff, der in der hauseigenen Näherei verarbeitet wird.
Küchenwäsche aus Leinen, gefertigt in Oberösterreich: Sinnbild für Tradition, Regionalität und Qualität

Bildquellen

  • Leinen Grafik AdobeStock_334029564: warmworld - adobestock.com
  • Leinen Produkte: Lustaufsland/Cacha
  • Leinen-Garn: Fredmansky
  • Leinen Geschirrtücher: Lustaufsland/Cacha
  • Leinen Weberei: Lustaufsland/Cacha
  • Leinen Näherei: Fredmansky
  • Leinen Küchenwäsche: Fredmansky
  • Leinen Stoffe: Fredmansky