Backstation verdrängt die Backstube
Von den sprichwörtlichen „warmen Semmeln“ haben sich längst auch Supermärkte und Diskonter inspirieren lassen. In nahezu allen Filialen der großen Lebensmittelhändler wird Ofenfrisches angeboten, die Backstation ist zur fixen Einrichtung geworden. Und sie macht der Backstube ordentlich Konkurrenz: Schätzungen zufolge wird Brot und Gebäck anstatt beim Bäcker bereits zu mehr als 80 Prozent im Supermarkt, beim Diskonter und an der Tankstelle gekauft.
Von früh bis spät am Abend frisch aus dem Ofen
Möglich machen das die Teiglinge, die vorgegart und tiefgekühlt oder bereits teilgebacken angeliefert werden. Woher diese kommen? „Ausschließlich aus Österreich, bis auf ganz vereinzelte Spezialitäten wie Baguette“, heißt es dazu aus dem Spar-Konzern. Pressesprecherin Nicole Berkmann verweist darauf, dass Spar auch von österreichweit 500 Bäckern beliefert werde und neben der aufgebackenen Tiefkühl-Ware auch frisches Brot aus den eigenen Interspar-Bäckereien anbiete. Auch die Rewe-Gruppe (Merkur, Billa, Penny) setzt auf heimische Produkte. „Brot beziehen wir zu 98 Prozent von österreichischen Lieferanten. In der Mehrzahl stammen diese aus der Umgebung und beliefern die Filiale direkt. Nur regionale Spezialitäten wie Ciabatta und ein Teil der Laugenprodukte kommen aus umliegenden Ländern“, sagt Pressesprecher Paul Pöttschacher. Brot und Gebäck komme von den Bäckereipartnern fertiggebacken, halbgebacken oder als Teigling. Den Kunden könne so „von früh morgens bis spät abends“ ofenfrische Backware angeboten werden. „Die Backstationen ermöglichen auch eine flexiblere, bedarfsgerechtere Abstimmung auf die Nachfrage“, sagt Pöttschacher. Das Argument, auf diese Weise Überschüsse zu vermeiden, wird auch bei Hofer ins Treffen geführt. „Der Großteil der angebotenen Backwaren wird von österreichischen Produzenten hergestellt beziehungsweise stammt sogar aus der jeweiligen Region“, heißt es aus der Presseabteilung des Diskonters.
Gegen den Begriff „aufbacken“ wehrt man sich überall, auch wenn die Rohlinge bereits teilgebacken sind. Frisch aus dem Ofen – das ist es, was zählt und Kundenfreuqenz bringt. Wer es eilig hat, greift sowieso gleich im Supermarkt zu, anstatt noch einen Extra-Gang zu machen – das wissen Bäcker genauso wie Metzger oder andere Fachhändler. Vielen Konsumenten ist wohl gar nicht bewusst, dass sie damit teils gefrorene und wieder aufgetaute Produkte erwerben.
Mit Kälte zu arbeiten ist auch unter Bäckern bereits weit verbreitet. „Vor 20 Jahren war das noch verpönt, in den vergangenen Jahren ist aber viel verbessert worden. Durch die Gärverzögerung bei Temperaturen um null Grad lässt sich sogar die Qualität verbessern“, sagt Johann Kapplmüller, Biotechnologe an der HTL für Lebensmitteltechnologie in Wels, die mit dem Projekt „Frozen Bakery“ das Thema tiefgekühlte Backwaren unter die Lupe genommen hat. Für den Einsatz von Kälte in der Backwarenbranche gibt es verschiedene Verfahren. Die fertig geformten Teiglinge können gekühlt werden, sodass sich der Gärprozess nur verzögert. Die Teiglinge können so bis zu 24 Stunden aufbewahrt werden, was den Bäcker-Alltag flexibler macht. Nach dem Kühlen wird fertiggegart und im Ofen gebacken.
Bei Teiglingen, die vorgegart und dann auf minus 18 Grad Celsius schockgefrostet werden, findet eine Gärunterbrechung statt. Die Produkte können nun gelagert werden, ehe sie in den Ofen kommen und sich dort in fertiges Gebäck verwandeln. Ein Verfahren, das im Lebensmitteleinzelhandel häufig Verwendung findet. Backprodukte werden auch in halbgebackener und abgepackter Version zugestellt, wodurch keine Kältelogistik nötig ist. Aber auch großteils vorgebackene Ware, die dann schockgefrostet wird und vor dem Verzehr nur mehr kurz in den Ofen muss, ist am Markt erhältlich. Das oberösterreichische Unternehmen „Resch & Frisch“ ist der Pionier in diesem Bereich und beliefert Endverbraucher ebenso wie Gastronomie und Hotellerie mit seiner Aufbackware.
Bäcker leiden unter der Entwicklung
Der Boom bei Backstationen und Backshops geht auch an den Bäckereien nicht spurlos vorbei. 347 aktive Handwerksbäcker gibt es laut Wirtschaftskammer aktuell in Oberösterreich. 2010 waren es noch um 42 mehr. „Der Großteil leidet unter der Entwicklung“, sagt Reinhard Honeder, Berufsgruppensprecher der Bäcker in Oberösterreich. Sich am Markt zu positionieren sei nötig, der Königsweg sei es, sich mit einzigartigem Geschmack oder Produktsortiment vom Markt abzuheben. Denn: Wo in großen Mengen produziert wird, dient der Massengeschmack als Richtwert.
Und was immer gilt: Letztlich ist es der Konsument, der entscheidet, wo er zugreift.
Konsumentenzeitung, 20.03.2018
Bildquellen
- Bäcker: otolia - Kzenon