Lebensmittel & Ernährung

Lebensmittel per Klick

GENAU GESCHAUT – Obwohl der Onlinehandel boomt, läuft derzeit nur ein verschwindend geringer Prozentteil des Umsatzes im österreichischen Lebensmittelhandel über das Internet.

Beim Einkaufen sind die Österreicher grundsätzlich recht online-affin. 2018 nutzten 60 Prozent (%) der 16- bis 74-Jährigen das Internet zum Online-Einkauf.  Vor allem Bekleidung und Textilien
(37 % der Online-Einkäufer), Bücher und Zeitschriften (25 %) sowie Elektro- und Elektronikgeräte (23 %) werden am häufigsten im Internet erworben. Bei Lebensmitteln sieht die Lage etwas anders aus: Nur jeder Zehnte nutzt hierzulande das Internet, um Nahrungsmittel zu bestellen. Laut Johannes Mayr, Geschäftsführer der KeyQuest Marktforschung, handelt es sich dabei vor allem um die jüngere
Generation, Personen mit höherer Bildung sowie
Singlehaushalte. Aktuell werden circa ein bis zwei Prozent des Umsatzes im heimischen Lebensmittelhandel über Onlineshops erzielt. „Der Anteil steigt zwar, jedoch auf niedrigem Niveau“, erklärt Manfred Zöchbauer, Geschäftsführer der Sparte Handel an der oberösterreichischen Wirtschaftskammer. Die Gründe dafür seien vielfältig, würden jedoch vor allem an der Besonderheit der Produkte liegen.

Konsumenten kaufen frische Lebensmittel lieber vor Ort ein

Zöchbauer ortet bei den Kunden besonders im Frischebereich eine gewisse Hemmschwelle: „Die Konsumenten wollen gerade bei frischen Lebensmitteln die Produkte sehen, riechen und eventuell auch schmecken“, so der Handelsexperte. Das liegt auch daran, dass Lebensmittel zu den Grundbedürfnissen der Menschen gehören und meist mit Genuss verbunden sind. Ein wei terer Aspekt, warum der Onlinehandel mit Lebensmitteln nur schwer in die Gänge kommt, ist das Einkaufserlebnis. „Die Menschen kaufen gerne vor Ort ein. Das gehört zum wochenendlichen Ritual“, betont Theresa Schleicher, die als Trendforscherin für das Zukunftsinstitut in Wien und Frankfurt tätig ist. Für Zöchbauer spielt auch die soziale Komponente eine wesentliche Rolle: „Der Einkauf von Lebensmitteln ist auch ein gesellschaftliches Ereignis. Da trifft man Menschen, kommt ins Gespräch und erfährt Neues. Dieser soziale Kontakt ist extrem erwünscht und fällt beim Einkauf im Internet weg.“

Onlinehandel bringt (noch) keine Gewinne

Trotzdem sehen sowohl Experten als auch die Handelskonzerne großes Potential im Onlineverkauf. Unimarkt hat 2015 als erster Lebensmittelhändler die österreichweite Hauszustellung angeboten. Mittlerweile werden im Online- Shop mehr als 8000 Produkte
zu gleichen Preisen wie im Supermarkt angeboten. Auch Billa hat im selben Jahr das OnlineAngebot flächendeckend in allen Bundesländern eingeführt. Spar bietet die Hauszustellung des gesamten Lebensmittel-Sortiments aktuell nur in Wien und Salzburg an. Bei Weinen und Spirituosen wird seit 20 Jahren über die Weinwelt eine österreichweite Hauszustellung angeboten.

Als größte Herausforderung wird von allen Lebensmittelkonzernen die Lieferung kühlbedürftiger Produkte gesehen. Um die optimale Frische
der Lebensmittel auch bei Versendung zu garantieren, ist die Einhaltung von drei verschiedenen Kühlzonen (Zimmertemperatur, Kühlung, Tiefkühlung) zu beachten – diese müssen während des gesamten
Logistik-Prozesses aufrechterhalten werden. Zudem seien auch alle relevanten Qualitäts- und Hygienevorschriften genauso wie im stationären Handel einzuhalten. Dass solche logistischen Prozesse nicht nur aufwändig, sondern vor allem auch kostspielig sind, liegt auf der Hand. Deshalb werden von allen Mitbewerbern auch sogenannte „Click & Collect“-Systeme forciert. Dabei erfolgt die Bestellung online, abgeholt werden die Produkte vom Kunden in einem stationären Einzelhandelsgeschäft. Damit will man die (trotz Servicegebühren) unrentable Zustellung umgehen. „Derzeit machen die Konzerne nachweislich noch keine Gewinne mit ihrer Online-Schiene“, so Zöchbauer, der in diesem Zusammenhang auch auf die Retourkosten verweist. 

Bäuerliche Direktvermarkter zeigen: Regional geht auch digital

Ein etwaiger Einstieg des Online-Versandhändlers Amazon in den österreichischen Lebensmittelmarkt wird von den hiesigen etablierten Konzernen gelassen beobachtet. Nicht zuletzt deswegen, weil das amerikanische Unternehmen mit seinem „Fresh“-Konzept im benachbarten Deutschland nur mäßig erfolgreich ist. „Hier ergeben sich bei der Zustellung noch weitere Wege. Zudem wissen die Konsumenten dann nicht mehr woher die Produkte kommen“, vermutet Zöchbauer fehlendes Vertrauen von Seiten der Kunden. Während die Themen Regionalität und Nachhaltigkeit bei Amazon nicht mehr gewährleistet werden können, ergeben sich für bäuerliche Direktvermarkter zusätzliche Ab-
satzkanäle durch das Internet. Gerade in den vergangenen Jahren sind hier in Oberösterreich viele Plattformen entstanden, die gemeinschaftliche Bestellungen bei bäuerlichen Betrieben organisieren. Im Land ob der Enns gibt es geschätzt mehr als 30 sogenannte „Foodcoops“. Dabei werden wöchentliche Bestellungen bei direktvermarktenden Bäuerinnen und Bauern gemacht. Die Lebensmittel werden an einen zentralen Ort angeliefert und können dort von den Kunden abgeholt werden. Eine ähnliche Initiative entstand vor kurzem auch im Bezirk Urfahr mit dem GUUTE- Bauernladen. Mit dem Biohof Achleitner aus Eferding gibt es auch einen Pionier in Oberösterreich, der seine „Biokiste“ mittlerweile über das Bundesland hinaus zustellt. Eines haben all diese Beispiel gemeinsam: Sie zeigen, dass regional auch digital geht. „Diese Bäuerinnen und Bauern bedienen mit ihren Produkten einen regionalen Markt und stehen großen Konzernen um nichts nach“, betont Maria Dachs von der Abteilung Ernährung und Direktvermarktung an der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.

Zukunft: Großes Potential und „spannende“ Zustellkonzepte

Das Potential des Lebensmittel-Onlinehandels ist in Österreich, trotz aller Schwierigkeiten, sehr groß. Zöchbauer rechnet damit, dass bis 2030 der Prozentanteil am Gesamtumsatz auf fünf und in weiterer Zukunft auf (maximal) 10 % ansteigen wird: „Der Frischebereich wird aber nie diese Dimensionen wie der Mode-, Buch-, oder Elektrohandel erreichen“, so der Experte der Wirtschaftskammer. 

Zukunftsforscherin Schleicher schätzt das Potential mit 15 % sogar noch etwas höher ein. „Dieser Wert kann allerdings nur erreicht werden, wenn die Infrastruktur, die Lieferkosten und die Qualität passen. Und das liegt nicht nur in den Händen einzelner, sondern in der Zusammenarbeit von Handel, Politik, Stadtentwickler und Mobilitätsanbieter.“ 

„Online-Einkäufe be­dürfen einer besseren Planung und die Zeitspanne bis zum Erhalt der Ware ist größer.“

Johannes Mayr, Marktforscher

Aus der Sicht von Marktforscher Mayr wird der Online-Verkauf von Lebensmitteln dort funktionieren, wo die Bestellung im Internet für den Konsumenten überwiegend Vorteile bringt. Das seien einerseits Einkäufe, bei denen der Faktor „Bequemlichkeit“ im Vordergrund steht. Hier gehe es oft um Vorratskäufe mit langer Haltbarkeit. Meist seien das auch Produkte, bei denen der Konsument kaum Wert darauf legt, sich das Produkt selbst auszusuchen: „Ob der Konsument die erste oder zweite Kiste Mineralwasser aus dem Stapel erhält ist ihm in der Regel egal“, so Mayr. Aus seiner Sicht könne es sich dabei aber auch um Spezialitäten oder Nischenprodukte handeln, die in nahegelegenen Supermärkten kaum erhältlich seien. „Hier liegt der Vorteil darin, dass der Konsument sonst auf diese Produkte ganz verzichten oder längere Anfahrtswege in Kauf nehmen müsste“, so Mayr.

„Das meiste Potential steckt in den ländlichen Regionen. Es wird das Konzept gewinnen, was de facto vorhanden und einfach zu
bedienen ist.“

Theresa Schleicher, Zukunftsforscherin

Der zukünftige demografische Wandel würde jedenfalls neue Liefermöglichkeiten für eine ältere, weniger mobile Generation begünstigen. Wie diese aussehen können steht jedoch noch in den Sternen: „Klassische Drohnen sind eher weniger für die Lieferung von Lebensmitteln geeignet. Aber wir sehen viele spannende Konzepte – von schwimmenden Supermärkten bis hin zu kleinen autonom
fahrenden Supermarktautos, ohne Fahrer oder Verkäufer. Welches ‚Fahrzeug‘ es auch wird – klar ist, der Lebensmittelhandel wird in Zukunft mobil und auf Abruf vorhanden sein“, so Zukunftsforscherin Schleicher.

Zahlen & Fakten

Laut der Agrarmarkt-Analyse (RollAMA) wurden 2018 bei Frischelebensmitteln 1,5 Prozent der Umsätze im Internet bestellt.

Betrachtet man alle Warengruppen der Supermärkte (FMCG Total) so liegt der Anteil der Onlinekäufe am Gesamtumsatz mit 2,4 Prozent etwas höher. 

Quelle: RollAMA/GfK

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