(Preis)kampf im Regal
GENAU GESCHAUT. Eigenmarken sind zu einem mächtigen Werkzeug des Handels geworden. Damit werden Hersteller unter Druck gesetzt und Produzenten austauschbar.
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts war der Handel Erfüllungsgehilfe. Danach ist die Marketingführerschaft von der Industrie mehr und mehr auf den Handel übergegangen“, weiß Professor Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der Johannes Kepler Universität in Linz. Vorreiter bei den sogenannten Eigenmarken (Definition siehe Infokasten) waren damals die Diskonter wie beispielsweise Hofer. Speziell während der Finanzkrise im Jahr 2008 konnten sie damit Marktanteile dazugewinnen. Das hat damals auch große Handelsketten wie Spar und Rewe auf den Plan gerufen und dazu veranlasst, verstärkt auf hauseigene Marken zu setzen. Mittlerweile sind diese zu einem mächtigen Werkzeug des Handels geworden. Im Lebensmittelsektor wird mittlerweile knapp die Hälfte des Umsatzes damit erwirtschaftet – Tendenz stark steigend. „Die Spannen auf Eigenmarken sind für den Handel größer als jene auf Herstellermarken. Damit können höhere Deckungsbeiträge bzw. Margen erzielt werden“, so Teller, der den Grund für den Trend zu Eigenmarken in der Emanzipation des Handels von der Industrie sieht.
Mit Erfolg, denn durch die Eigenmarken sind die Lebensmittelhändler auch ein großes Stück weit unabhängiger geworden. Sie können damit nicht nur die Rezeptur vorgeben, sondern auch ganz einfach den günstigsten Lieferanten auswählen. Durch die zunehmende Macht der Handelsketten steigt aber nicht nur der Druck auf die Lieferanten, sondern auch auf die bäuerlichen Rohstoff-Produzenten. Diese werden dadurch austauschbar in- dem sie beispielsweise durch ausländische Hersteller ersetzt werden. Ziel dieses Verdrängungswettbewerbs ist es, einen möglichst tiefen Preis anzubieten und damit die Konkurrenz unter Druck zu setzen. Der Konkurrenzkampf im Supermarktregal kann somit auch zu Lasten der heimischen Bäuerinnen und Bauern gehen, die aufgrund der klein strukturierten Landwirtschaft höhere Produktionskosten haben als ihre Berufskollegen in anderen Ländern.
Definition
Eigenmarken bzw. Handelsmarken sind von einem Handelsbetrieb geschaffene Marken für verschiedene Produkte. Es sind also Marken, die sich im Eigentum des Handelsunternehmens befinden. Während es früher oftmals nur „Billig-Eigenmarken“ wie „S-Budget“ oder „Clever“ gab, wurde das Sortiment mittlerweile um (Bio)-Premium-Produkte wie „Ja!Natürlich“ oder „Spar Premium“ erweitert. Im Gegensatz dazu sind Herstellermarken die einem Lebensmittelhersteller zugehörigen Marken wie etwa „Schärdinger“, „Gmundner Milch“ oder auch „Coca Cola“.
Händler werden zu Herstellern
Die Grenzen zwischen Markenartikeln und Eigenmarken verschwimmen immer mehr, wie die Rechercheplattform „Dossier“ im Magazin „Die Welt der Handelsriesen“ veröffentlich hat. Die Händler werden mit eigenen Werken selbst zu Herstellern. Sichtbar wird dies an Beispielen wie der Fleisch- und Wurstwaren-Eigenmarke „Tann“ von Spar sowie „Hofstädter“ von Rewe. Letzterer wird in einer aufwändig produzierten Werbung als Fleischermeister aus der Region dargestellt – in Wahrheit ist der füllige Schnauzbartträger aus dem Werbespot ein Schauspieler und die Eigenmarke einer der größten Fleischverarbeiter des Landes. „Was sich der Hofstädter immer erlaubt“, lautet der Slogan in den Werbespots, der in diesem Zusammenhang durchaus berechtigt zweideutig ausgelegt werden kann.
„Wenn man nicht mehr nur Händler, sondern auch Hersteller ist, hat man einfach viel mehr Einfluss auf die Marke“, so Teller. Händler, die in der klassischen Versorgungskette aus Rohstoffproduzent, Verarbeiter und Vermarkter eigentlich am Ende stehen, werden damit zu Fleischern mit eigener Marke. In weiterer Folge vielleicht auch noch zu Bauern, wenn sie entlang dieser Kette noch einen weiteren Schritt Richtung „zurück zum Ursprung“ machen.
Kritisiert wird im Dossier-Magazin auch der Umstand, dass die großen Supermarktkonzerne gegenüber den Herstellern nicht mehr nur als Kunde auftreten, sondern durch den systematischen Ausbau ihrer Eigenmarken auch als Mitbewerber agieren. „Der Handel hat ein Wissensmonopol, das ihm in seiner dualen Rolle nützt, weil er die Kalkulationen der Hersteller kennt“, so Günter Thumser, Geschäftsführer des Verbands der Markenartikelindustrie, gegenüber Dossier.
Wettbewerbsrechtlich sei es heikel, wenn die Eigenmarken als Verhandlungsinstrument benutzt werden. Laut Sarah Fürlinger, Sprecherin der Bundeswettbewerbsbehörde, müssten Produzenten Repressalien wie Auslistungen oder schlechtere Regalplatzierungen durch die Händler fürchten.
„Die Spannen auf Eigenmarken sind für den Lebensmittelhandel größer als jene auf Herstellermarken.“
Christoph Teller
Von einer „Schicksalsgemeinschaft“ bzw. „Symbiose“ spricht Universitätsprofessor Teller, angesprochen auf die Beziehung zwischen Lebensmittelhändlern und Herstellern: „Der Handel braucht die Industrie genauso wie die Industrie den Handel braucht. Das wird immer so sein und ist auch beiden bewusst. Bei Preisverhandlungen versuchen aber natürlich beide die Muskeln spielen zu lassen.“ Schlussendlich gehe es ja darum Geschäft zu machen. So müsse sich jedes Produkt seinen Platz im hart umkämpften Regal verdienen – egal ob Markenartikel oder Eigenmarke.
Kunden achten vermehrt auf Aktionen
Dieser (Preis)kampf im Regal werde sich aufgrund der derzeitigen Inflation noch weiter verschärfen. Aktuelle Konjunkturdaten im Einzelhandel zeigen, dass die Österreicher seit Beginn des Ukraine-Krieges weniger Waren einkaufen, dies aber (notgedrungen) zu höheren Preisen. „Die Kunden üben sich in Kaufzurückhaltung. Sie sind extrem preissensitiv und suchen nach Sonderangeboten. Zwei Drittel der Konsumenten achten aktuell vermehrt auf Preisaktionen“, so Teller, der sich sicher ist, dass die heimischen Lebensmittelhändler auf knapper werdende Budgets der Kunden reagieren werden: „Der Handel muss in Zeiten der Krise findig sein. Sortimentsoptimierung ist hier die allererste Möglichkeit. Das Produkt, das nicht performt wird, ausgelistet. Das ist zwar brutal aber einfach Realität“, so der Handelsexperte. Da es für den Handel aber auch essenziell sei seinen Kunden eine gewisse Vielfalt bieten zu können, werden starke Marken immer ihren Platz behalten: „Der Handel kann es sich einfach nicht leisten, gewisse Marken nicht mehr anzubieten.“
„Bauern sind keine Preistreiber“
Im Oberösterreichischen Bauernbund verwehrt man sich indes dagegen, die heimische Landwirtschaft wäre Preistreiber hinter den steigenden Lebensmittelpreisen. Hauptsächlich würden Energie, Treibstoffe und Strom eine Inflationsrate von über zehn Prozent verursachen, nicht aber die Erzeugnisse der Bauern. Wie jeder Unternehmer müssten auch Landwirte sowie die nachgelagerten Bereiche, wie etwa Molkereien oder Bäckereien, die erhöhten Produktionskosten an die Konsumenten weitergeben. Die Produzenten von Agrarprodukten und -rohstoffen bekommen jedoch meist nur ein kleines Stück vom Kuchen ab. So bleiben den Bäuerinnen und Bauern als Urproduzenten vom Preis für ein Kilogramm Brot derzeit lediglich 35 Cent und vom Preis einer Semmel nur 2,4 Cent. „Das sind gerade einmal sieben Prozent“, rechnet Landesobfrau und Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger vor. Infolge der Rekord-Inflation würden Menschen aber denken, sie können sich Regionalität und Tierwohl nicht mehr leisten. Das Gegenteil sei jedoch der Fall: „Unsere Bäuerinnen und Bauern produzieren für alle Preissegmente, von der günstigsten Stufe bis hin zur Premiumware. Regionalität ist also keine Frage der Börserlgröße“, meint Langer-Weninger, die von den Konsumenten daher auch in Zeiten der Krise den Griff zu heimischen Lebensmitteln einfordert, denn vom Handel werde das angeboten, was auch gekauft wird.
„Es ist eine glatte Fehldarstellung, wenn es heißt, die heimische Landwirtschaft ist der Preistreiber hinter den steigenden Lebensmittelpreisen. In Wahrheit sind die enormen Strom- und Treibstoffkosten dafür verantwortlich.“
Michaela Langer-Weninger
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