Genau geschaut

Was Schinken besonders macht

GENAU GESCHAUT. Nach einer langen Fastenzeit ist die Freude auf den Osterschinken groß. Aber was ist Schinken eigentlich, wie wird er hergestellt und wo gibt es Unterschiede? Eine Spurensuche samt Verkostung gängiger Schinkenarten.

Die beste Seite des Schweins ist wohl sein Hinterteil. Denn der sogenannte Schlögel umfasst die fleischreichen, mageren und feinfasrigen Fleischpartien. Daraus wird der Schinken geschnitten. Und zwar – das gibt das österreichische Lebensmittelbuch vor – nur aus dem Schlögel. Österreichischer Schinken ist deshalb „immer ein gutes Produkt“, schickt Marija Zunabovic-Pichler voraus. Sie ist Lebensmitteltechnologin an der Universität für Bodenkultur in Wien und sagt: „Wenn Schinken draufsteht, ist Schinken drin.“ Schummeleien hätten wenig Chance, aber dazu später.

Unterschiede zwischen Schinken und Schinken gibt es jedenfalls viele. Wer an den klassischen Schinken denkt, wird den Kochschinken (siehe unten) meinen, also etwa Beinschicken, Pressschinken oder Toastschinken. Auch Artikel und Kosterei beschränken sich auf diese Art des Schinkens.

Eine ziemlich technische Sache

Ihnen gemein ist, dass sie aufgrund ihrer Herstellungsweise zu den Kochpökelwaren gehören. „Das Prinzip ist immer dasselbe“, sagt Willibald Mandl, Bundesinnungsmeister für das Lebensmittelgewerbe und selbst Fleischhauer. „Zwei bis drei Tage nach der Schlachtung wird das Fleisch mit einer Salz-Wasserlake eingespritzt. Dann kommen die Fleischteile zum Poltern in eine Trommel, in der sie für mehrere Stunden herumgewälzt werden. Anschließend wird das Fleisch gekocht“, fasst Mandl zusammen. Das Injektionspökeln, bei dem die Salz-Wasserlake ins Fleisch gespritzt wird, sei heute Standard und werde sowohl in der industriellen als auch in der handwerklichen Herstellung angewandt, sagt Zunabovic-Pichler: „Die Lake gelangt damit schneller ins Fleisch, was den Herstellungsprozess verkürzt.“ Das Poltern wiederum bewirkt den Austritt von Muskeleiweiß, was das spätere natürliche Verkleben der Fleischstücke beim Kochen begünstigt. Verkleben? Richtig! Die meisten Schinken müssen erst in Form gebracht werden. „Zu wissen, dass ein Schinken von Natur aus nicht viereckig ist, kann man vom Konsumenten erwarten“, meint Zunabovic-Pichler dazu. Nur der Beinschinken (wenn er mit Bein zubereitet wird) und einzelne Teile des Schlögels kommen aus einem Stück. Ansonsten werden die größeren und kleineren Teilstücke nach dem Polten in Formen gelegt und gepresst. Für Press- und Toastschinken werden kleinere Teilstücke verwendet.

Was die Qualität ausmacht

Was ist es nun, das den qualitativen Unterschied ausmacht? „Hochwertig ist auch ein Toastschinken“, sagt Zunabovic-Pichler – denn die Fleischteile kommen immer vom Schlögel. Diese Regelung gilt übrigens nur für Österreich. In Deutschland können auch andere billigere Fleischteile verwendet werden. Für Zunabovic-Pichler ist der Geschmack eher eine Assoziationsfrage, was also der Konsument damit verbindet. Die Fleischbeschaffenheit spiele aber schon eine Rolle. „Die Qualität hängt davon ab, ob das Ausgangsmaterial einwandfrei ist“, sagt auch Ingrid Kiefer, Leiterin des Fachbereichs Risikokommunikation der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). Sie fügt aber hinzu: „Wenn noch Stärke, Verdickungsmittel und Farbstoffe oder Pflanzeneiweiße zugesetzt werden, ist weniger Fleischanteil vorhanden – was als qualitätsbeeinflussend zu sehen ist.“ Diese weiteren Zutaten – wie auch der Anteil an Fleisch – müssen auf der Verpackung angegeben werden. Kiefer empfiehlt daher, auf die Zutatenliste zu achten. Beim Schnittbild können Konsumenten zudem auf große gewachsene Fleischstücke, wenig Fett (ausgenommen Schwarte) und wenig Bindegewebe achten. 

Zusatzstoffe und Irreführung 

Die „Zutaten“ hat auch Johann Schlederer, Geschäftsführer der Schweinebörse,  im Sinn, wenn er provokant und überspitzt in Richtung der industriellen Verarbeiter meint: „Die Kunst besteht oft darin, Wasser schnittfähig zu machen.“ Grundsätzlich ist im Lebensmittelbuch genau geregelt, wie viel Wasser (und Eiweiß) in der Produktion zugesetzt werden dürfen. Bei „Super-Sonderaktionen, die der Handel in Auftrag gibt“, vermutet Schlederer allerdings, dass diese Regelungen ausgereizt werden, um preisliche Vorteile zu lukrieren. Ein 2014 vom österrei­chischen Testmagazin „Konsument.at“ durchgeführter Test gibt ihm recht: Mehr als die Hälfte der untersuchten Schinken enthielt zu viel Wasser. 

Ein Zusatzstoff, der sich erst gar nicht auf der Zutatenliste finden muss, wohl aber verwendet wird, ist die Transglutaminase. Sie ist ein Enzym, das Eiweiß im Schinken vernetzt und somit als Kleber fungiert. Normalerweise erledigt das Zusammenkleben der Fleischteile das fleischeigene Eiweiß, das beim Poltern austritt. „Wer dieses Handwerk aber nicht versteht, muss den Kleber hinzufügen“, sagt Mandl.

Der häufigste Beanstandungsgrund im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrolle geht in eine andere Richtung, nämlich in die der Irreführung. Darunter fällt zum Beispiel, dass ein „Toastblock“ als „Schinken“ auf Toast oder Pizza gelangt. Toastblock darf auch Fleisch von anderen billigeren Teilen (z. B. von der Schulter) und anderen Tieren beinhalten sowie mehr Wasser. Für das Erhitzen etwa auf der Pizza bringt das Vorteile, weil er damit nicht so schnell austrocknet. Als „Schinken“ darf er aber nicht bezeichnet werden. 

Am liebsten Schwein

Der Schinken ist jedenfalls beliebt, wie auch das Schweinefleisch generell. Mit 29 Prozent Anteil landet Schweinefleisch am häufigsten auf dem Teller der Österreicher – 37,2 Kilo pro Kopf und Jahr. Eingekauft wird Schinken zum Großteil (93 Prozent) im Lebensmitteleinzelhandel und dort wird laut den Daten der Agrarmarkt Austria (AMA)-Marketing zunehmend die Selbstbedienung gegenüber der Feinkosttheke beliebter. Beim Fleischhauer holen sich nur vier Prozent der Einkäufer ihren Schinken, drei Prozent nutzen andere Einkaufsquellen, wie Direktvermarkter. Geschmacklich wird sich ein Schinken zwischen Supermarkt und Fleischer kaum unterscheiden. „Das Hand­werk, mit dem überall Werbung gemacht wird, beherrschen aber wir“, sagt Willibald Mandl. Damit es die regionalen Fleischhauer auch künftig noch gibt, empfiehlt er für den Ostereinkauf dort hinzugehen.

Was Schinken ist

Schinken muss laut österreichischem Lebensmittelbuch aus Fleischteilen vom Schlögel kommen. Grob unterteilt man ihn in Roh- und Kochschinken. 

  • Rohschinken wird nach dem Salzen oder Pökeln durch lufttrocknen oder räuchern haltbar gemacht. Dazu gehört etwa der Serranoschinken aus Spanien oder der Parmaschinken aus Italien (Parma), der umgangssprachlich meist „Prosciutto“ genannt wird.
  • Kochschinken hingegen wird durch Pökeln und Kochen haltbar gemacht. Zu ihm zählt man zum Beispiel den Beinschinken, den Pressschinken oder auch den Toastschinken.

Bildquellen

  • Schinken-Schlögel: Lust aufs Land
  • Schinken-Markt: Lust aufs Land
  • Schinken: Studio Gi – Adobe Stock.com