Genau geschaut

Ist vegan auch nachhaltig?

GENAU GESCHAUT. Veganismus liegt im Trend – doch ist dieser Ernährungshype wirklich die bessere Alternative zu nachhaltigen regionalen Lebensmitteln? Lust aufs Land hat genau geschaut und sich international auf Spurensuche begeben.

Vegane Lebensmittel sind derzeit besonders bei jüngeren Menschen angesagt – denn dieser Ernährungstrend wirbt meist mit Gesundheit, Nachhaltigkeit sowie Klima- und Umweltschutz. Ein im wahrsten Sinne des Wortes brennendes Thema in Zeiten der globalen Erderwärmung, die mittlerweile nicht einmal mehr Verschwörungstheoretiker leugnen können. Blickt man bei veganen Lebensmitteln jedoch ein wenig näher hinter die Fassade, so zeigt sich, dass häufig Zu-
taten wie etwa Kokosfett oder Palmöl Verwendung finden und diese tausende Kilometer bis zu ihrer Weiterverarbeitung in Europa hinter sich haben. Außerdem seien die Produktionsstandards beträchtlich geringer. Trotzdem weisen vegane Lebensmittel fast immer einen deutlich höheren Preis als heimische auf. 

Der Oberösterreichische Bauernbund hat daher bei einem Produktvergleich vegane mit regionalen Lebensmitteln, bei denen die Rohstoffe von österreichischen Bauern stammen, einmal genauer unter die Lupe genommen.

Warum viele einen alternativen Ernährungsstil wählen 

Nicht schuld sein zu wollen am Tod eines Tieres oder aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes seien vielfach Argumente jüngerer Generationen für den Kauf veganer Lebensmittel. Vegan zu leben liege eben derzeit voll im Trend. Laut der Webseite statista.com ernährten sich im Jahr 2021 zwei Prozent der Österreicher vegan und elf Prozent vegetarisch. 30 Prozent bezeichneten sich außerdem als Flexitarier – eine Esskultur, bei welcher man sich überwiegend vegetarisch ernährt und nur gelegentlich, dafür aber hochwertiges Fleisch konsumiert. 

Produktvergleich bei Milch, Käse und Faschiertem 

Für den Produktvergleich wurden Milch, Käse und Faschiertes sowie ihre veganen Alternativen eingekauft. Unter die Lupe genommen wurden der Preis, die Herkunft der Zutaten und die zurückgelegten Transportkilometer. Als Referenzprodukte für die Studie wurden ausschließlich Lebensmittel herangezogen, welche mit dem AMA-Gütesiegel gekennzeichnet sind.

  • Milch: Im Faktencheck wurde heimische Kuhmilch, die in Österreich ausschließlich mit gentechnikfreier Fütterung produziert wird, mit einem Mandeldrink verglichen. 
  • Käse: Beim Käse wurde ein in Scheiben abgepackter Gouda aus einer österreichischen Molkerei mit einem sogenannten Analogkäse, also einem veganen Käse, der als Hauptbestandteil Kokosöl enthält, näher betrachtet. 
  • Faschiertes: Bei der Produktgruppe Fleisch fiel die Wahl auf ein gemischtes Faschiertes aus Schweine- und Rindfleisch sowie ein veganes, welches aus Erbsenprotein hergestellt wurde. 

Deutlich höhere Preise bei veganen Produkten 

Beim Analogkäse lag der Preis 36 Prozent über dem natürlichen aus Milch hergestellten Gouda. Das vegane Faschierte war um 154 Pro­zent teurer als ein gemischtes Faschiertes aus Schweine- und Rindfleisch. Der Mandeldrink kostete sogar um 187 Prozent mehr als eine Kuhmilch. „Wer sich vegan ernährt, muss mehr Geld beim Lebensmitteleinkauf dabeihaben, das steht unbestritten fest. Ich selbst habe nicht damit gerechnet, dass es hier so gravierende Preisunterschiede gibt“, zeigt sich Wolfgang Wallner, Direktor des OÖ Bauernbundes, überrascht.

Ökologischer Fußabdruck: Zutaten reisen um die halbe Welt

Etliche Produzenten veganer Lebensmittel werben mit Gesundheit, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Leider treffe oft nur wenig davon tatsächlich zu. Viele ursprünglich in den Rohstoffen enthaltenen Nährstoffe gehen im Herstellungsprozess verloren. So müssen Vitamine, Mineralstoffe, Geschmacksverstärker und Stabilisatoren teilweise erst wieder zugesetzt werden.

Die Mandeln für den Mandeldrink des für die Studie ausgewählten Produktes stammen laut Herstellerangaben aus dem Mittelmeerraum, also beispielsweise aus Ländern wie Spanien, Türkei, Marok­ko oder Israel. Er be­inhaltet lediglich 2,3 Prozent Mandeln. Nähere Angaben über die Herkunft konnten auf der Verpackung jedoch nicht gefunden werden. 

Produziert wird der Mandeldrink in Belgien. Rechnet man also noch die knapp 800 Kilometer für den Transport von Belgien nach Österreich hinzu, kommt man auf Entfernungen – je nach Herkunftsland der Mandeln – zwischen 2300 bis ungefähr 3000 Kilometern. 

„Jeder Griff des Konsumenten ins Regal erteilt einen Produktionsauftrag. Bei veganen Produkten werden Herkunft und Produktionsstandards oft zu wenig hinterfragt.“

Michaela Langer-Weninger, Agrarlandesrätin und Bauernbund-Landesobfrau

Der Wasserverbrauch für die Produktion von einem Liter Mandeldrink liegt einer Studie der Universität Oxford zufolge bei 371 Litern. Davon macht der größte Teil die künstliche Bewässerung aus. Dagegen liegt der Wasserverbrauch österreichischer Milch laut einer Modellrechnung der HBLFA Raumberg-Gumpenstein mit 8,35 Liter pro Liter Milch deutlich darunter. 

Als das weltweit größte Mandel-Anbaugebiet gelten die USA beziehungsweise Kalifornien. Die Entfernung von Österreich nach Kalifornien beträgt knapp 10.000 Kilometer. „Die Milch von österreichischen Bauern schneidet hier um Welten besser ab. Außerdem zeichnet sie sich durch ihre optimale Nährstoff-
zusammensetzung aus. Mandeldrinks bestehen in der Regel zu 90 bis 95 Prozent aus Wasser. Heimisches Futter, Kreislaufwirtschaft und die regionale Verarbeitung der Milch in den Molkereien garantieren kurze Transportwege und sorgen für Wertschöpfung auf den bäuerlichen Familienbetrieben“, so Agrarlandesrätin und Bauernbund-Landesobfrau Michaela Langer-Weninger.

Der Hauptbestandteil des veganen Käse-Imitats beim eingekauften Produkt ist Kokosöl. Produziert wurde es in Griechenland. Kokosöl hat eine lange Reise hinter sich und stammt aus Ländern der Tropischen Zone, wie beispielsweise den Philippinen, Brasilien, Indonesien oder Papua-Neuguinea. Aber auch in Afrika wird Kokosöl erzeugt. Von Papua-Neuguinea nach Österreich sind es circa 13.000 Kilometer. Das Erbsenprotein für das vegane Faschierte im Bauernbund-Test kommt von Belgien, Frankreich und Dänemark. Ebenso wie im veganen Käse-Imitat ist auch hier Kokosöl enthalten. 

Palm- und Kokosfett sind keine umweltfreundlichen Alternativen

Palmfett ist bei Konsumenten zuletzt wegen seiner nega­tiven Auswirkungen auf Klima und Gesundheit stark in Verruf geraten. Viele Produzenten haben es daraufhin durch Kokosfett ersetzt, dessen Image derzeit noch besser ist. Dass das aber eigentlich nicht der Fall ist, ist noch wenig publik. Für den Anbau von Kokospalmen wird ebenso wie für die Produktion von Palmfett aus den Früchten der Ölpalme Regenwald gerodet. Vergleicht man den Ertrag der beiden tropischen Palmgewächse, sind die Früchte der Ölpalme sogar wesentlich ergiebiger, wodurch auch weniger Fläche benötigt wird, sprich weniger Wald den Plantagen weichen muss. Lange Transportwege einhergehend mit hohen Treibhausgasemissionen sind eine weitere negative Folge.

Österreichs Landwirtschaft weist höchste Standards auf

Hingegen sind die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich beim Thema ressourcen- und klimaschonender Landwirtschaft nicht nur in Europa, sondern weltweit federführend. Dies wurde auch in Form des internationalen Nachhaltigkeitsindex, der vom „Economist“ veröffentlicht wurde, belegt: Von 67 Ländern landeten Österreichs Bäuerinnen und Bauern auf Platz eins. 

Und auch beim Tierschutz herrschen hierzulande im internationalen Vergleich sehr hohe Standards. Die NGO „World Animal Protection“ stellte Österreichs Landwirtschaft beim Tierschutz auf Platz eins von 50 Staaten. „Hier zeigt sich, dass unsere Bäuerin­nen und Bauern erstklassige Qualitätslebensmit­tel unter extrem hohen Standards produzieren. Die bäuerlichen Familienbetriebe können zu Recht stolz auf ihre Arbeit und Leistung sein“, betont Langer-Weninger und kritisiert, dass beim Einkauf veganer Lebensmittel oft zu wenig auf die Herkunft der Zutaten sowie Produktionsstandards geachtet werde. Diese seien bei Nicht-EU-Ländern nämlich deutlich niedriger, da dort beispielsweise noch Pflanzenschutzmittel zugelassen sind und auch angewendet werden, die hierzulande aufgrund ihrer Gefährlichkeit bereits seit Jahrzehnten verboten sind.

„Jeder Griff des Konsumenten ins Regal erteilt ei­nen Produktionsauftrag. Die Konsumenten sollten daher auch beim Einkauf von veganen Lebensmitteln darauf achten, dass die Produkte beziehungsweise Zutaten aus heimischer bäuerlicher Produktion stam­men. Das würde auch der österreichischen Landwirtschaft sowie dem Umwelt- und Klimaschutz zugute kommen. Achten wir beim Einkauf gemeinsam auf regionale Qualität“, appelliert die vor Kurzem neu gewählte Bauernbund-Landesobfrau Langer-Weninger an die Konsumenten.

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  • Vegane Produkte: Natalia Klenova - stock.adobe.com