Genau geschaut

Wenig Heimat in Butter & Käse

GENAU GESCHAUT. 963 Eigenmarken-Milchprodukte, insbesondere Butter und Käse, wurden einem Regionalitäts-Test unterzogen. Ergebnis: 40 Prozent davon wurden nicht nachweislich aus österreichischer Milch hergestellt.

Im Zuge eines Regionalitäts-Tests hat der Verein „Wirtschaften am Land“ vor Kurzem gemeinsam mit Jungbauern aus dem ganzen Land – federführend mit dabei auch die Oberösterreicher – Eigenmarken bei Milchprodukten bundesweit im Lebensmitteleinzelhandel sowie bei Diskontern genau unter die Lupe genommen. Dabei haben die Testkäufer insgesamt 963 Butter- und Käseprodukte nach Kriterien wie Herkunft und Preis untersucht. Das Ergebnis ist zugleich überraschend wie ernüchternd: 40 Prozent (%) der Produkte sind nicht nachweislich mit österreichischer Milch hergestellt:

„Neben einer klaren, eindeutigen Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln braucht es das Bewusstsein, welchen Nutzen Eigenmarken haben und wer davon profitiert“, fordert daher der oberösterreichische Jungbauern-Landesobmann und Bundesobfrau-Stellvertreter Christian Lang.

„Die Ergebnisse des Regionalitäts-Checks lassen viel Luft nach oben. 60 % der Milchprodukte sind unzweifelhaft von heimischen Milchbauern. Bei 27 % ist allerdings gar nicht erkennbar, woher der Rohstoff Milch stammt“, erklärt Jungbäuerin Anni Neudorfer aus Frankenmarkt. Elf Prozent der Hersteller verwenden Rohstoffe aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, zwei Prozent sogar aus Übersee. 

Der Großteil der 963 überprüften Produkte entfiel auf verschiedene Käsesorten wie Mozzarella, Hart-, Schnitt- oder Streichkäse. 59 % davon wurden mit österreichischer, gentechnikfreier Milch hergestellt. Bei 14 % der Käse-Eigenmarkenpro­dukte wurde nachweislich Milch aus dem Ausland verarbeit und bei 27 % der Käse-Produkte war gar keine Angabe bezüglich Herkunft auf der Verpackung zu finden. 

Bei der Butter beträgt der Österreich-Anteil immerhin 72 %. „21 % sind allerdings auch hier nicht ordentlich gekennzeichnet und sieben Prozent der Butter-Eigenmarken wurden mit ausländischer Milch hergestellt“, bemängelt die Jungbäuerin, die selbst einen Milchviehbetrieb bewirtschaftet.

28 % Herkunft der verarbeiteten Milch ist nicht aus Österreich

41 % Herkunft der verarbeiteten Milch ist nicht aus Österreich

Anteil der Eigenmarken nimmt stetig zu

Nach wie vor gebe es zahlreiche verschiedene Methoden der Kennzeichnung, die die Konsumenten oft verwirren, anstatt Sicherheit zu geben. „Bezeichnungen wie ‚Abgepackt in Österreich‘ sind keine Herkunftsangabe, sondern verweisen nur auf den letzten Verarbeitungsschritt, ebenso wie das sogenannte Genusstauglichkeitskennzeichen“, erklärt Johann Költringer, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. Er empfiehlt den Konsumenten daher auf das AMA-Gütesiegel zu achten: „Dabei handelt es sich um eine sichere Herkunftsbezeichnung, die zudem Qualität über gesetzliche Standards hinaus garantiert.“ Zudem wies Költringer darauf hin, dass der Eigenmarken-Anteil im Supermarkt in den vergangenen Jahren stets zugenommen habe: „Die RollAMA-Daten für das Jahr 2022 zeigen, dass die Eigenmarken mit 63 % beinahe zwei Drittel des Sortiments einnehmen, Tendenz steigend. Im Käsebereich lag der Anteil immerhin bei 58 %.“

Steigende Marktmacht der Supermarktkonzerne

Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass günstige Einstiegspreise kompensiert werden müssen. Hier stellt sich für die Jungbauernvertreter die Frage, wer die Kosten billiger Eigenmarken trägt und wer schlussendlich davon profitiert. 

Durch einen höheren Anteil an Eigenmarken steigt nämlich die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels, in dem sich das Kräfteverhältnis am Verhandlungstisch verschiebt. Das geht auch aus dem Tätigkeitsbericht des unabhängigen und weisungsfreien Fairness-Büros hervor (siehe kursiven Zitate in den grauen Boxen).

„Das Handelsunternehmen entscheidet nicht nur, welche Produkte zum Verkauf angeboten werden, sondern auch welche Inhaltsstoffe und Qualitätskriterien die Produkte aufweisen. Damit entsteht für den Konsumenten und die Lieferanten eine starke Abhängigkeit und somit eine Abwärts-
spirale: einerseits durch höhere Preise im Regal, andererseits durch eine geringere Spanne beim Lieferanten.“

„Eigenmarkenartikel können von heute auf morgen auch im Ausland hergestellt werden, unter anderem mit kostengünstigeren auslän-
dischen Urprodukten, die teils geringere gesetzliche Arbeits-, Tierhaltungs- oder Qualitätsanforderungen aufweisen.“

„Dies führt zur Konsequenz, dass die Diversität an Unternehmen, Produkten und Innovationen geringer wird und somit kommt es zur deutlichen Reduktion des Wettbewerbs, die am Ende des Tages nicht nur negative Auswirkungen auf die heimische Produktion und Nachhaltigkeit hat, sondern vor allem nachteilig für den Konsumenten ist.“

„Die strategische Eigenmarken-Positionierung hat zur Folge, dass sich die Handelsketten von den Markenproduzenten und deren Marken-
artikeln unabhängig machen und damit eine noch stärkere Verhandlungs-, Markt- aber auch Produktmacht an sich reißen.“

„In der Diskussion rund um die Preisentwicklung von Lebensmitteln dürfen wir nicht vergessen, dass wir Bäuerinnen und Bauern nach wie vor mit hohen Produktionskosten konfrontiert sind. Um stabile Preise zu gewährleisten, braucht es ein starkes Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft“, so Lang. Der oberösterreichische Jungbauernvertreter tritt daher für mehr Transparenz im Regal ein: „Der Regionalitäts-Check hat eindeutig klargestellt, dass in diesem Bereich noch Nachholbedarf herrscht. Qualitativ hochwertige Lebensmittel aus Österreich dürfen nicht unter dem Deckmantel der Anonymität beliebig durch kostengünstigere, ausländische Urprodukte austauschbar sein.“ Die Jungbauernschaft fordert daher eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf verarbeitete Lebensmittel ein, die seitens der EU-Kommission schon lange angekündigt aber bislang noch nicht umgesetzt worden ist. 

Heimische Bauern werden aus dem Sortiment verdrängt

Unterstützung erhalten sie von Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger: „Solche Untersuchungen führen die reale Situation und die damit einhergehende Angst vieler Bäuerinnen und Bauern vor Augen. Denn der Ausbau des billigeren Eigenmarkensortimentes führt nicht nur zu einem stärkeren Preisdruck, sondern ersetzt auch einen beträchtlichen Teil regional produzierter Milch durch ausländische. Im Klartext heißt das, dass österreichische Bäuerinnen und Bauern aus dem Sortiment verdrängt werden, keinen Produktionsauftrag mehr bekommen und infolge dessen zur Produktionsaufgabe gedrängt werden“, so Langer-Weninger. 

Fazit des Regionalitäts-Tests: Die mittelfristige Sicherstellung der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln ist nur mit wirtschaftlicher Stabilität in Form einer angemessenen Wertschöpfung für die tägliche Arbeit auf den Höfen möglich. Deshalb brauchen insbesondere die Jungbauern und junge Hofübernehmer Zukunftsperspektiven.


Folgen eines sinkenden Milchpreises

Ein sinkender Milchpreis hat für Konsumenten insbesondere bei verarbeiteten Produkten nur geringfügige Auswirkungen, für Milchbauern dagegen massive.

Während der Erzeugerpreis, den Landwirte für ihre Milch erhalten, seit einigen Monaten im Sinken ist, kommt dieser Effekt bei den Konsumenten am Supermarktregal noch nicht wirklich an. Dafür dürfte es mehrere Gründe geben. Einer davon ist der äußerst geringe Anteil der Kosten für das Urprodukt Milch am Preis eines Milchprodukts, etwa einer Packung Butter. 

Ein Rechenbeispiel: 

Sinken die Erzeugerpreise für Milch um zwei Cent pro Kilogramm, erspart sich der Konsument neun Cent pro Packung Butter – vorausgesetzt, die Preissenkung wird vom Handel auch an den Konsumenten weitergegeben. Hochgerechnet auf den jährlichen Butterverbrauch pro Kopf ist das eine Ersparnis von nicht einmal zwei Euro. Ein durchschnittlicher österreichischer Milchviehbetrieb verliert durch eine Senkung des Milchpreises um zwei Cent aber knapp 3000 Euro seines jährlichen Einkommens.

Bildquellen

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