Kinder & Freizeit

Nicht überall ist nur Ponyhof

KINDER. Leben und Arbeit auf einem Bauernhof haben wenig zu tun mit den idyllischen Darstellungen in vielen Kinderbüchern. Gefragt sind mehr Realität und Wissen.

Wer vor einem Regal mit Kinderbüchern steht, der kommt kaum an ihnen vorbei: Bilder und Geschichten vom Leben auf einem Bauernhof. Vierbeiner sind die Protagonisten vieler Kinderbücher und Bauernhöfe der Inbegriff der heilen Welt, in der eine Hand voll Tiere mit Bauer und Bäuerin lustige Abenteuer erleben. Für die Jüngsten ist das auch in Ordnung, wenn sich ihre Umwelt in der weichgespülten Version präsentiert. Doch ab dem Vorschulalter können Kinder schon mehr Realität mitserviert bekommen. Am Beispiel Bauernhof heißt das, dass sich dort nicht nur Ferkel und Kälbchen Gute Nacht sagen und im Bauerngarten Getreide wächst, sondern Bäuerinnen und Bauern „in echt“ Lebensmittel für viele Menschen produzieren. 

Direkter Einblick wird weniger 

Dass heute nur noch wenige Kinder einen direkten Bezug zur Landwirtschaft haben, macht die Sache nicht einfacher. Noch schwieriger wird es, wenn auch die Elterngeneration nicht mehr genau sagen kann, wie die bäuerliche Urproduktion funktioniert. Wieviel Milch kommt pro Tag aus einer Kuh? Wie lange braucht Getreide zum Wachsen? Welches Obst und Gemüse wird wann geerntet und was bedeutet eigentlich bio? Kinder sind die Konsumenten der Zukunft, wenn ihnen maßgebliche  Zusammenhänge von klein auf erläutert werden, werden sie auch später einmal sensibler reagieren und Entscheidungen treffen können.   

Noch einmal zurück ins Bücherregal: Es gibt auch Sachbücher für Kinder, die sich auch um eine realistische und moderne Darstellung bemühen. Dass es im Stall schon Roboter zum Füttern, Entmisten und Melken gibt, ist keine Utopie mehr und nur ein Beispiel für den Stand der Technik. Ebenso ist auf den heutigen Höfen Spezialisierung notwendig, Betriebe mit vielen verschiedenen Tieren sind – entgegen allen Bilderbuch-Darstellungen – selten geworden. Zwei Beispiele für Kinder-Sachbücher in denen der Bauern-Alltag realitätsnah abgebildet wird, werden im Infokasten rechts vorgestellt. 

Immer bei der Wahrheit bleiben

Dass der Bauernhof und seine Tiere einen bedeutenden Platz in der (Klein-)Kinderliteratur einnehmen, ist natürlich zu begrüßen. „Es ist gut, dass Kinder die heimischen Tiere kennen lernen, wie sie aussehen, wo sie leben und was sie fressen“, sagt die Psychotherapeutin und Heilpädagogin Sandra Wiesinger, Geschäftsführerin im Institut Hartheim. Ab dem Vorschulalter werde Aufklärung aber wichtiger. „Fragen, die von den Kindern kommen, sollte man immer der Wahrheit entsprechend beantworten, aber natürlich auf kindgerechte Weise“, lautet Wiesingers goldene Regel. Kinder würden sehr gut selbst steuern, wie weit sie mit ihren Fragen gehen, wie tief in ein Thema hinein. Man müsse für sie auch nichts beschönigen. Ein Kind darf wissen, dass das Fleisch auf seinem Teller einmal ein Tier war und dieses extra dafür gehalten und geschlachtet wurde.

Wiesinger apelliert an Eltern, mit ihren Kindern heimische Tiere aufzusuchen und ihnen ein realistisches Bild von diesen zu vermitteln. „Viele Kinder kennen ja die wilden Tiere aus dem Zoo schon besser als die heimischen“, so Wiesinger. Aus ihrer früheren Praxiserfahrung als Kindergartenpädagogin kennt sie durchaus auch die Fragen nach der berühmten lila Kuh.  

Unterricht direkt am Betrieb 

Genau hier setzt auch die Initiative „Schule am Bauernhof“ an, die es seit mittlerweile mehr als 20 Jahren in ganz Österreich gibt. In Oberösterreich leitet Julia Gstöttner das Projekt. 132 zertifizierte Betriebe gibt es derzeit dafür in Oberösterreich, 14 weitere Betriebe werden heuer dazukommen – deren Betriebsführer oder Betriebsführerinnen absolvieren  gerade den dafür vorgeschriebenen Lehrgang. Je nach Art und Schwerpunkt des Betriebes entwickeln sie dabei während der Ausbildung auch eine Art „Drehbuch“ für das Programm, das bei den Unterrichtseinheiten auf ihrem Hof abgehalten werden soll. „Bei Schule am Bauernhof ist ganz wichtig, dass die Kinder aktiv eingebunden werden in das Geschehen und nicht nur Informationen serviert bekommen“, sagt Gstöttner, „sie gehen also auch mit hinaus auf das Feld und graben nach den Kartoffeln“, nennt sie ein Beispiel. Hauptsaison hat Schule am Bauernhof in den Monaten Mai und Juni sowie September und Oktober. Über die Homepage können sich Interessierte die Betriebe auch nach Bezirken filtern. „Meistens machen das die Pädagogen selbst und vereinbaren einen Termin. Es gibt aber auch einige Schule-am-Bauernhof-Betriebe, die selbst sehr aktiv sind und an Schulen werben. Sehr viel passiert auch via Mundpropaganda“, so Gstöttner. 

Schule am Bauernhof
Unter www.schuleambauernhof.at sind sämtliche Informationen über das gleichnamige Projekt zu finden. Betriebe können nach Bundesländern oder Bezirken gefiltert werden. Unter dem Menüpunkt „Unterrichtsmaterialien“ werden Bücher, Lehrbehelfe und Spiele für Kinder rund um das Thema Landwirtschaft vorgestellt.

Angeboten werden Halbtage oder ganze Tage am Bauernhof für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre, das Angebot wird aber hauptsächlich von Volksschulen genutzt. Das Bild, das sich aus den Rückmeldungen der Betriebe zusammenstellen lässt, erfüllt tatsächlich viele Klischees. „Die Fragen nach der lila Kuh gibt es immer wieder“, so Gstöttner, „genauso müssen wir oft erklären, dass eine Henne nicht zehn Eier auf einmal legt, damit der Eierkarton voll ist, sondern nur eines pro Tag.“ Die Wissenslücken der Kinder seien enorm, vielen müsse zuallererst einmal erklärt werden, dass die Lebensmittel nicht der Supermarkt, sondern der Bauer produziert. „Von einem Bauernhof haben Kinder entweder sehr romantisierte Vorstellungen oder die, dass alles stinkt und dreckig ist“, erzählt die Projektleiterin. Umso wichtiger erscheint jegliche Maßnahme, die solche Bilder wieder zurechtrücken.

Buchtipp
Das Buch „Marike und Julius: Entdecke mit uns den Bauernhof“ richtet sich an Kinder im Volksschulalter. Wie funktioniert ein Pflug? Wie heißen die Pflanzen auf dem Feld? Was fressen Kühe im Stall? Das Werk ist als erzählendes Sachbuch gestaltet und im Landwirtschaftsverlag Münster unter ISBN 978-3-7843-5636-5 erschienen. Es kostet 16,50 Euro. 

Bildquellen

  • Kinder Bauernhof: stock.adobe.com – LIGHTFIELD STUDIOS