Technischer Defekt: Zufall oder Absicht?
So ziemlich jedem Verbraucher ist das wohl schon einmal widerfahren: Kaum ist ein technisches Gerät zwei, drei Jahre alt, gibt es den Geist auf. Und das alles passiert oftmals ausgerechnet nach Ablauf der Garantiezeit. Ist das bloß Zufall oder steckt hier vielleicht sogar System dahinter? Kritiker sprechen von sogenannter „geplanter Obsoleszenz“, bei der in Produkte bewusst Schwachstellen eingebaut werden, um deren Lebensdauer zu verkürzen. Lust aufs Land hat sich umgehört, was an den Vorwürfen dran ist.
Wenn der Drucker glaubt, er sei kaputt
Sepp Eisenriegler ist Geschäftsführer vom R.U.S.Z. in Wien, dem größten unabhängigen Reparaturbetrieb in Österreich für Elektrogeräte. Der Konsumkritiker, der zu diesem Thema auch ein Buch verfasst hat (siehe Infokasten), ist überzeugt davon, dass es die geplante Obsoleszenz gibt: „Wir sind tagtäglich bei der Reparatur von technischen Geräten damit konfrontiert. Es gibt eingebaute Sollbruchstellen und da rede ich jetzt nicht von denen, die den Rest des Gerätes schützen sollen.“ Auch Peter Blazek, Redakteur der Zeitschrift „Konsument“, dem Magazin des Vereins für Konsumenteninformation, kennt solche Fälle aus eigener Erfahrung: „Es wird gezielt damit gearbeitet, indem ein billiger Teil in ein hochwertiges Produkt eingebaut wird.“ Für beide steht außer Frage, dass solche Machenschaften zur Strategie von Unternehmen gehören, um die Lebensdauer von Produkten bewusst zu verkürzen, um dadurch den Umsatz zu erhöhen. Eisenriegler spricht unter anderem von eigens konstruierten Mechanismen, die ein Gerät nach einer genau festgelegten Anzahl von Betriebsstunden außer Funktion setzen. Als Beispiel nennt er den Drucker: „Über einen eigens eingebauten Chip vermittelt das Gerät nach einer festgelegten Anzahl an gedruckten Seiten die Nachricht, dass die Tonerkartuschen angeblich leer sind.“
Elektroindustrie widerspricht Vorwürfen
Die Hersteller stellen sich hier gar keiner Diskussion. Dafür gibt es die Branchenvertreter. Der FEEI, der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie, bezieht zu den Vorwürfen wie folgt Position: „Kein Markenhersteller kann es sich erlauben, bei seinen Produkten auf geplanten Verschleiß zu setzen. Der harte Wettbewerb im Markt würde eine derartige verbraucherfeindliche Produktstrategie sofort bestrafen, weil sich Kunden einer anderen Marke zuwenden würden.“ Eisenriegler will in diesem Zusammenhang zwar nicht von Absprachen oder gar Kartellbildung sprechen, entgegnet jedoch, „wenn es alle machen, hat keiner von ihnen wirklich einen Schaden dadurch“.
Fehlende Ersatzteile und fest verbaute Akkus
Weitere Kritikpunkte die Eisenriegler und Blazek äußern, drehen sich um Ersatzteile und fest verbaute Hauptbestandteile von Geräten, wie beispielweise Akkus. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen werde immer schlechter: „Es gibt beispielsweise Staubsauger, da sind gar keine Ersatzteile vorgesehen“, erzählt Eisenriegler. Dadurch werde die Lebensdauer vieler Geräte bereits im Vorfeld zeitlich beschränkt. So auch bei fest verbauten Akkus, die eine Reparatur
so verkomplizieren und dadurch unwirtschaftlich machen würden. Blazek spricht hier von wesentlichen Punkten, die auch die Wirtschaft nicht abstreiten könne.
Eisenriegler sieht die Hersteller jedoch nicht als alleinige Hauptverdächtige und lenkt die Verschuldensfrage auch hin zu den großen Handelskonzernen. Diese würden über eine enorme Marktmacht verfügen: „Wenn die großen Händler bestellen, dann bewegt sich was bei den internationalen Herstellern, und die machen alles, um möglichst viel verkaufen zu können“, so Eisenriegler. Der Konsumkritiker wirft den Branchenvertretern des Elektrohandels vor, gemeinsam mit den Produkten auch die Lebensdauer dieser zu bestellen, etwa bei Waschmaschinen: „Aufgrund einer Vorschrift, die sie den Herstellern schicken, bestellen sie Geräte, die pro Hundert Euro Endverkaufspreis ein Jahr halten sollen und nicht länger.“ Das würde auch der Feststellung des FEEI nicht widersprechen, dass sie entsprechend der „Geiz-ist-geil“-Mentalität vieler Konsumenten auch billigere Geräte produzieren: „Wenn jemand ein Niedrigpreisprodukt kauft, können die Ansprüche an Lebensdauer und Funktionalität nicht gleich hoch sein wie bei einem Premium-Produkt.“
Werbung verdirbt die Konsumenten
Womit wir beim Konsumenten als Mitschuldigem angekommen sind. Eisenriegler bezeichnet Menschen als „Konsumtrottel“, weil diese seiner Meinung nach durch die vielen Werbebotschaften „verdorben“ seien. Redakteur Blazek spricht in diesem Zusammenhang von „psychologischer Obsoleszenz“: „Es werden einem Produktneuheiten eingeredet und der Konsument lässt sich hier leicht verführen.“ Bei Haushaltsgeräten treffe die Faustregel „Wer billig kauft, kauft teuer“ nach wie vor zu, wie Eisenriegler betont: „Es ist ein Unterschied, ob ich eine Waschmaschine um 1000 Euro 20 Jahre betreiben kann oder eine um 300 Euro drei Jahre. Die billige Waschmaschine ist im Endeffekt die doppelt so teure Variante, weil ich sieben Stück davon brauche.“
Qualitätsprodukte kaufen, warten und pflegen
Wer sich den Ärger mit frühen Defekten ersparen will, sollte sich beim Kauf gut beraten lassen: „Entscheidend ist, wie lange der Hersteller Ersatzteile für das Produkt verfügbar hat und ob das Produkt im Falle eines Defekts
reparierbar ist. Bei Qualitätsprodukten zahlt sich im Falle eines Defekts eine Reparatur fast immer aus. Zudem sollte man mehr Augenmerk auf die Wartung und Pflege von Produkten legen“, empfiehlt Eisenriegler.
Konsumentenzeitung, 29.08.2018
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- Waschmaschine: Fotolia - Ljupco Smokovski