Wirklich frei von Glyphosat?
ERNÄHRUNG. Die Lebensmittelkette Spar sieht sich als Vorreiter für glyphosatfreie Lebensmittel und wirbt dafür mit teuren Inseraten. Was hinter der Fassade der schönen Werbebilder steckt.
Die Lebensmittelkette Spar sieht sich selbst seit Jahren als Vorreiter für glyphosatfreie Lebensmittel. Der Konzern wird nicht müde, ein generelles Verbot des Unkrautvernichtungsmittels zu fordern. Zudem rühmt man sich damit, dass Lieferanten der Spar-Eigenmarken aus dem In- und Ausland angewiesen wurden, auf Glyphosat zu verzichten. In regelmäßigen Abständen führt man daher Kampagnen unter anderem in Form von (ganzseitigen) Inseraten in Zeitungen. Doch was steckt wirklich hinter der Fassade der schönen Werbebilder? Mit dieser Frage hat sich eine Reportage von „oekoreich“, einer Initiative zur Förderung von Ökologie und Nachhaltigkeit, beschäftigt.
Glyphosat
Während die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) das Unkrautvernichtungsmittel als „nicht krebserregend“ eingestuft hat, verweisen Umweltschutzorganisationen auf die gegenteilige Einstufung der WHO. In Übersee wird Glyphosat direkt auf die gentechnisch veränderten und damit resistenten Nutzpflanzen angewendet und gelangt somit auch in die daraus produzierten Lebensmittel. Der Glyphosat-Einsatz in Österreich ist mit der großflächigen Anwendung auf gentechnisch veränderte Pflanzen in Nord- und Südamerika nicht vergleichbar. Hierzulande wird es vor der Aussaat ausgebracht und kommt nicht mit den Nutzpflanzen in Berührung.
Teure Werbekampagne gemeinsam mit Greenpeace
Erst kürzlich konnte man so ein ganzseitiges Inserat der Firma Spar in der Kronen Zeitung bestaunen. Darauf zu sehen: Ein Mitglied des Spar-Vorstands mit dem langjährigen Geschäftsführer der NGO Greenpeace. In der Hand hielten die beiden eine Tafel mit der Aufschrift „Stopp Glyphosat jetzt“. Unter dem Titel „Kein Glyphosat auf unseren Tellern!“ wurde über die „Spar-Initiative zur Rettung der Biodiversität“ informiert. Daneben noch ein Foto mit ausgewählten Produkten aus dem Sortiment des Lebensmittelhändlers. Und natürlich durfte auch ein Foto von einem Traktor, der offenbar gerade Glyphosat auf einem Feld ausbringt, versehen mit einem Stop-Schild, nicht fehlen. Weiters wurde im Inserat darüber informiert, dass Spar bereits im Jahr 2017 das Unkrautvernichtungsmittel aus allen Eigenmarken verbannt habe. Das Pflanzengift würde die Böden und Gewässer schädigen, außerdem würde es erheblich zum Artensterben beitragen. Deswegen, so der Werbetext, habe man sich als Konzern entschieden, das Totalherbizid aus den Eigenmarken zu verbannen. So weit so vorbildlich.
Günstig ist diese Form der Werbung in der auflagenstärksten Tageszeitung Österreichs gewiss nicht. „Wer sie sich trotzdem leistet, muss entweder viel Geld haben oder die Notwendigkeit verspüren, sich einem breiten Publikum auf eine gewisse Weise zu präsentieren“, mutmaßt die Initiative oekoreich.
Auf Spar, den Marktführer unter den Lebensmittelhändlern in Österreich, treffe beides zu. Alleine in Österreich habe der Konzern im Vorjahr satte
8,6 Milliarden Euro umgesetzt und damit seine Spitzenposition ausgebaut – allen Krisen zum Trotz.
„Kein Glyphosat“: Was das genau bedeutet
Oekoreich hat bei Spar nachgefragt, was es denn nun genau bedeute, dass kein Glyphosat in den Eigenmarken-Produkten drinnen steckt. Und Spar habe wie folgt geantwortet: „Wir haben für alle in- und ausländischen Eigenmarken-Lieferanten vorgegeben, dass keine Zutaten enthalten sein sollen, die mit Glyphosat behandelt wurden. Darauf beziehen sich auch alle Aussagen in Inseraten.“
Etwas anders gestalte sich die Lage in der vorgelagerten Lieferkette der Lebensmittelproduktion: „Bei Futtermitteln für das eigentliche Produkt ist ein Glyphosatverzicht im Ackerbau ausdrücklich gewünscht, jedoch nicht vollständig umsetzbar. Hier verhält es sich wie bei der Gentechnik-Freiheit. Wir forcieren bei Futtermitteln auch die gentechnikfreie Produktion, aufgrund von Verfügbarkeit und Preisen sind Futtermittel jedoch nicht komplett glyphosat- und gentechnik-frei produziert“, so der O-Ton.
Dass das zahlreiche heimische Produzenten sehr wohl hinbekommen würden, habe Spar dabei nicht erwähnt. Funktionieren würde es ja auch bei den eigenen Tierwohl- und Regionalitäts-Programmen. Während etwa bei den (teils deutlich teureren) Fleischprodukten der Marke „Tann schaut drauf“ kein Glyphosat enthalten sei, komme es bei der regulären Tann-Produktion offenbar schon zum Einsatz. Fazit von oekoreich: „Wer es sich leisten kann, der kriegt die glyphosatfreie Ware.“
Einsatz kann bei gewissen Zutaten nicht ausgeschlossen werden
Weiters wurde Spar damit konfrontiert, ob sichergestellt werden könne, dass gewisse Zutaten, die für Eigenmarkenprodukte verarbeitet werden, wie beispielsweise Erdbeeren, Tomaten oder etwa Kakaobohnen, nicht mit Glyphosat in Berührung gekommen sind. Denn das sei es doch, was viele wohl interpretieren, wenn der Handelskonzern von einer „Verbannung“ aus den Produkten spricht. Und auch das könne Spar nicht gewährleisten, weil sich „die Rückstände in den Früchten abgebaut haben, bis diese geerntet werden und damit nicht mehr nachweisbar sind. Genau darin liegt für uns als Händler die Herausforderung. Für eine Garantie, dass auf keinem Feld jemals ein Tropfen Glyphosat versprüht worden ist, bräuchte es eine 24-stündige Überwachung von vor der Aussaat bis nach der Ernte, was unmöglich durchführbar ist“, so die Stellungnahme. Fazit: Hier zeige sich, dass in den Eigenmarken-Produkten kein Glyphosat stecken soll, aber doch stecken kann.
Ziel: Generelles Verbot von Glyphosat auf europäischer Ebene
Für oekoreich stellt sich somit die Frage, wieso bei Spar überhaupt noch Produkte zu finden sind, in denen Zutaten stecken, die nicht nur vielleicht sondern ganz sicher unter Einsatz von Glyphosat erzeugt wurden. Laut der Öko-Initiative könnte der Konzern doch einfach alle Produkte auslisten,
die nicht seinen eigenen Ansprüchen entsprechen: „Irgendwie kann man sich das doch erwarten, wenn ein Unternehmen so viel Geld in die Hand nimmt, um sich mit einer NGO wie Greenpeace in einem Inserat abzubilden“, so der Vorwurf, auf den Spar wie folgt antwortete: „Bezüglich der Auslistung von Produkten, die weiterhin mit Glyphosat hergestellt wurden, gehen wir einen anderen Weg. Unser Ziel ist ein generelles Verbot von Glyphosat auf europäischer Ebene, die dann alle Hersteller gleichermaßen betrifft und eine glyphosatfreie Produktion mit entsprechender Kontrolle sicherstellt.“ Fazit von oekoreich: „So weit geht dann das Engagement des Unternehmens offenbar also doch nicht.“
Spar kann keine Garantie für glyphosatfreie Lebensmittel geben
Zusammenfassend könne gesagt werden: Spar setze sich für ein Ende von Glyphosat in Lebensmitteln ein. Bei seinen Eigenmarken habe der Konzern das Unkrautvernichtungsmittel schon verbannt, außer in der „vorgelagerten Lieferkette“, wie beispielsweise Tierfutter. Eine Garantie, dass auch in Eigenmarken-Produkten kein Glyphosat drinnen steckt, könne jedoch nicht gegeben werden. Es scheint, als würde sich das Unternehmen hier eine Hintertüre offen lassen. Auch wenn diese in der Werbung natürlich nicht ersichtlich wird.
Daher müsse man davon ausgehen, dass in Spar-Märkten nach wie vor viele Lebensmittel im Regal stehen, die unter dem Einsatz von Glyphosat erzeugt worden sind. Dass Spar diese nicht auslisten will, sei für oekoreich unverständlich: „Wenn ein Händler schon so offensiv mit seinem Engagement wirbt, unter Einsatz massiver Gelder, dann sollte er auch bereit sein diesen Schritt zu gehen.“
Denn Spar werbe nicht nur in ganzseitigen Inseraten mit seinem Einsatz, sondern lasse – im Gleichschritt mit Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace – auch die Medien in regelmäßigen Abständen wissen, dass dem Konzern ein generelles Glyphosatverbot ein großes Anliegen sei.
Bauernbund: EU-weites Verbot muss auch für Importe gelten
Auch der Bauernbund hat Spar mit Fragen rund um die Werbung zum Glyphosatverzicht konfrontiert und von der Konzernsprecherin folgende Antwort bekommen:
„Wir haben alle unsere Eigenmarken-Lieferanten, sowohl im In- als auch im Ausland informiert, dass wir keine Verwendung von Glyphosat im gesamten Herstellungsprozess wünschen. Das gilt für das gesamte Produkt. Der Hersteller muss dafür Sorge tragen und uns dies gegenüber auch bestätigen. Bei Markenartikeln haben wir keinen Einfluss auf die Rezeptur oder die Rohstoffe. Das ist Sache der Hersteller, was sie ihren Kunden anbieten wollen. Aber wir haben auch sie darüber informiert, was wir von Glyphosat halten.“
Fakt ist: In Österreich kommt Glyphosat aufgrund seiner Anwendungsmöglichkeiten nicht mit dem Erntegut in Berührung. „Der mediale Einsatz mancher Handelsketten hinsichtlich der Abschaffung von Glyphosat ist befremdlich, da genau diese nach wie vor ausländische Produkte, auch aufgrund von Preisvorteilen, im Regal führen“, erklärt Bauernbund-Direktor Wolfgang Wallner, der daher an den Lebensmittelhandel appelliert, den Weg in eine glyphosatfreie Zeit gemeinsam, über mehr Regionalität in den Regalen und faire Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette, zu bestreiten: „Das immer wieder geforderte europaweite Verbot von Glyphosat müsste demzufolge auch in einem Listungsverzicht von importierten Lebensmitteln, die unter Einsatz dieses Wirkstoffes produziert werden, münden. Dies wäre ein konsequenter Weg.“
Bildquellen
- Glyphosat-Spar: Lust aufs Land/Mursch-Edlmayr