Lebensmittel & Ernährung

Mu(h)tmaßlicher Leckerbissen

ERNÄHRUNG. Die Herkunft ist für viele Konsumenten Indikator für guten Geschmack. Doch das hochgelobte Steak aus Übersee kann einem auch schnell im Magen liegen – insbesondere wenn man die Haltungsbedingungen hinterfragt.

Feedlot – übersetzt Fressplatz im Freien – klingt harmlos, sogar ein bisschen idyllisch, ist es aber nicht. Denn mit dem englischen Begriff wird eine intensive Rinder-Haltungsform beschrieben, bei der Tierwohl ganz weit hinten rangiert. Im Grunde handelt es sich dabei um groß angelegte Viehgatter unter freiem Himmel, in denen zigtausende Rinder ohne Weidezugang gemästet werden. Ziel sind rasche Tageszunahmen und die Bildung intramuskulären Fettes (Marmorierung). Erreicht wird das durch spezielle Kraftfutterrationen, die den Tieren manchmal sogar angewärmt kredenzt werden, damit sie möglichst wenig Energie beim Fressen verbrauchen. „Im Durchschnitt nehmen die Tiere pro Tag 1400 Gramm zu. Die Spitzenwerte liegen aber bei über zwei Kilo“, erklärt Rudolf Grabner, Rindfleischreferent der Landwirtschaftskammer. Artgerecht ist diese hauptsächlich aus Soja und Mais bestehende Futterration jedoch nicht. Nachdem die Rinderverdauung eigentlich auf Heu und Gras ausgelegt ist, würden die hohen Kraftfuttermengen eine Übersäuerung im Pansen, dem Vormagen der Wiederkäuer, verursachen. „Damit die Rinder das aushalten, werden ihnen vorsorglich Medikamente, sogenannte Pansenschoner verabreicht“, erläutert Grabner. 

Wenig schön sind auch die Lebensbedingungen der Rinder. Zwar sind die Tiere an der frischen Luft und können sich ungehindert bewegen, dafür liegen sie oft ein halbes Jahr „im eigenen Dreck“. Denn der Boden unter ihren Füßen ist ein Gemenge aus Erde, Kot und Urin. Auch die Argumentation, dass die Masttiere nur den letzten Lebensabschnitt dort verbringen, nachdem sie zuvor auf weitläufigen Grasflächen weideten, ist fadenscheinig. Denn wenn die erste Mastpartie des Jahres in die Feedlots gelangt, sind die Tiere sechs bis sieben Monate alt, also noch Kälber. Innerhalb von vier Monaten werden sie dann auf 500 Kilogramm – das Doppelte ihres Anfangsgewichtes – ausgemästet. Nach der Schlachtung folgt sogleich die zweite etwas ältere „Einsteller“-Gruppe und der Fütterungsprozess beginnt von Neuem. 

Praktiziert wird diese Form der Intensivmast vor allem in Übersee. Gerade die größten Rindfleischproduzenten, also die USA, Australien und natürlich die Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay) haben sich auf diese Form der Massentierhaltung spezialisiert. Auch das Einsetzen von Hormonimplantaten zur Förderung der Tageszunahmen ist in diesen Ländern Usus. In die EU importiert werden darf das sogenannte „Hormonfleisch“ aber nicht. Nach jahrelangem diesbezüglichen Handelsstreit musste die EU jedoch Zugeständnisse machen und eine zollfreie Importquote von jährlich 45.000 Tonnen Rindfleisch, sogenanntem „High Quality Beef“, gewähren.

Das Endprodukt mag toll aussehen. Die Lebensumstände der Rinder sind es definitiv nicht.

Die Produktbezeichnung auf der Verpackung gibt keine Gewissheit 

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, warum viele EU-Staaten, vorne weg Österreich, das Mercosur-Handelsabkommen ablehnen. Klima, Umwelt und die klein strukturierte heimische Landwirt­schaft würden durch einen solchen internationalen Vertrag Schaden nehmen. Zudem würden wenig artgerechte Tierhaltungssysteme, wie die vorhin erörterten Feedlots, unterstützt. 

Wenngleich hier relativiert werden muss – nicht jedes Steak aus Übersee stammt aus der Massen-Mast. Auch klassische Weidehaltung gibt es dort. Das Problem ist nur: Der Konsument kann die Haltung nur schwer überprüfen. Klar, das Herkunftsland muss angegeben sein, das bestimmt die EU-Lebensmittelinformationsverordnung. Doch weitergehende Infos fehlen oft. Zudem ist der Begriff „Weiderind“ rechtlich nicht geschützt. Infolge kann importiertes Rindfleisch aus Feedlots auch unter diesem geschönten Begriff verkauft werden – gerade in Amerika sei man laut Grabner eher großzügig bei solchen Produktbeschreibungen. „Auch ‚natürlich‘ schreiben sie gerne auf die Packung. Ob man aber von gesunder Haltung und Freilauf sprechen kann, ist zweifelhaft – auch wenn die Ausmast unter freiem Himmel stattfindet“, gibt der Rindfleischexperte zu bedenken. 

Wer also guten Gewissens Rindfleisch kaufen und geprüfte Qualität mit nach Hause nehmen möchte, sollte auf österreichische Produkte zurückgreifen. Das AMA-Gütesiegel und die heimischen Qualitätsprogramme garantieren beste Qualität aus artgerechter Haltung, die sich lückenlos zurückverfolgen lässt. 

Die Herkunftskennzeichnung räumt dem Konsumenten die Wahl ein

Jährlich werden in Österreich 105.000 Tonnen Rindfleisch verzehrt. Mehr als die Hälfte davon Außerhaus, sprich in der Gemeinschaftsverpflegung oder beim Gastronomen. Damit bleibt aber den Konsumenten für gewöhnlich verborgen, woher ihr Kalbsschnitzerl, die Rindsroulade oder der Tafelspitz kommt. 

Ein Blick auf das Sortiment des Gastro-Großhandels lässt nichts Gutes erahnen. Ein Store-Check der Landwirtschaftskammer offenbarte, gut die Hälfte des Rindfleisches – bei den Edelteilen sogar noch mehr – kommt aus dem Ausland. Dabei wäre die Selbstversorgung in Österreich mehr als gegeben. Um dem Gast die Wahl zu lassen, braucht es daher eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Außerhausverpflegung. Lange dafür eingesetzt haben sich aus gutem Grund die Bäuerinnen und Bauern. Heuer fand die richtungsweisende Idee Eingang in das Regierungsprogramm – die Realisierung fehlt aber noch. Das Land Oberösterreich, das in punkto Regionalität eine Vorreiterrolle hat, ist da schon einen Schritt weiter. In einer Vielzahl der Landesküchen wird die Herkunft der Produkte bereits offensiv ausgelobt. „Mit dieser Herkunftskennzeichnung und unseren Einkaufsgrundsätzen setzen wir ein wichtiges Zeichen zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe und der heimischen Landwirtschaft“, erklärt Landeshauptmann Thomas Stelzer. Agrarlandesrat Max Hiegelsberger pflichtet dem bei, tritt aber auch für eine rasche Umsetzung auf Bundesebene ein: „Durch die Herkunftskennzeichnung wird dem Konsumenten die Wahl gelassen. Er kann entscheiden zu welchem Lebensmittel er greift. Es geht also nicht um Ausgrenzung, sondern um Wahlfreiheit.“

Bildquellen

  • Rinder: Stock.adobe.com – cascoly2
  • Rindfleisch: Stock.adobe.com – Karlis