Landwirtschaft & Handwerk

Die Eigenmarken des Handels: Nicht für alle ein gutes Geschäft

Den Anstoß gab eine Butter. Besonders streichzart, besonders billig, aber aus ausländischer Milch gemacht. Die Bauern waren sauer: Gerade zu einer Zeit, in der die Milchbauern ohnehin zu kämpfen haben, wird in einer Butter der Spar- Eigenmarke „S-Budget“ ausländische Milch verarbeitet. Zwar gekennzeichnet mit einer Nummer, von den meisten Konsumenten aber eher unbemerkt. Nun kann man berechtigterwei­se sagen, dass eine einzige Butter nicht den Ausschlag dafür geben wird, wie es mit der österreichischen Landwirtschaft weitergeht. Wohl aber zeigt dieser Fall eines auf: Bei Eigenmarken werden die Produzenten dahinter austauschbar. Und der Anteil der Eigenmarken in den Supermärkten nimmt ständig zu.

Von supergünstig bis Premium

In ihren Anfängen waren die Eigenmarken (Definition siehe Infokasten) fast durchwegs „Preiseinstiegsprodukte“, also günstige Produkte, die aber mit der Qualität von Herstellermarken vergleichbar waren. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert und so bieten große Handelsketten den Verbrauchern mittlerweile eine breite Auswahl. Es gibt Eigenmarken im mitt­leren Preissegment und sogar im Premiumbereich, eigene Bio-Marken oder Angebote mit regionalem Touch. Die Kundenakzeptanz von Eigenmarken ist dadurch deutlich gewachsen. Nach einer im Jahr 2014 veröffentlichten Studie des Markenartikelverbandes ist ein Unterschied von Hersteller- zu Eigenmarken für die meisten Konsumenten fast nicht mehr spürbar, viele stufen Eigenmarken als „gleich gut“ ein wie Herstellermarken. Auch ist der „typische“ Handelsmarken-Einkäufer mit „niedrigem Einkommen, weniger Erfolg bzw. jung an Jahren“ ein Stereotyp aus der Vergangenheit.

Dieser Boom lässt sich am besten durch Zahlen beschreiben. Waren früher Eigenmarken hauptsächlich bei Diskontern zu finden – bei Hofer machen Eigenmarken mehr als 90 Prozent des Sortiments aus –, sind sie heutzutage fixer Bestandteil jeder Lebensmittelkette. Die Rewe-Gruppe, zu der Billa, Bipa, Merkur, Penny und Adeg ge­hören, hat über 60 verschiedene Eigenmarken, auch Spar setzt zunehmend darauf.  Demensprechend haben sich die Umsatzzahlen entwickelt: Im Lebensmittelsektor machen Eigenmarken wertmäßig einen Anteil von 38 Pro­zent aus, rechnet man Hofer und Lidl ein, sind es sogar 51 Prozent. (Datengrundlage: RollAMA 2016 – AMA Marketing – Feldarbeit GfK Austria, Auswertung KeyQUEST Marktforschung. Nicht eingerechnet werden Fleisch, Obst, Gemüse, Kartoffeln sowie Bedienungsware).

Jedem Trend seine Eigenmarke

Wenn nicht der Preis – wie etwa bei den Billig-Eigenmarken S-Budget und Clever – als Kaufkriterium für den Konsumenten zählt, sind es oft bestimmte Merkmale: Bio-Produkte, Nachhaltigkeit, Regionalität, vegetarische oder vegane Ernährung sind nur ein paar Beispiele für Entwicklungen in der Lebensmittelbranche. Eigenmarken bieten dafür eine hervorragende Möglichkeit neue Programme einzuführen, die sehr zielgruppenspezifisch sind. Laut der Studie des Markenartikelverbandes haben vor allem Premium-Handelsmarken dieses immer wichtiger werdende Segment besetzt. „Ja!Natürlich“ von Rewe oder „Zurück zum Ursprung“ von Hofer haben sich beispielsweise erfolgreich im Biosegment etabliert, Spar hat mit der Eigenmarke „Veggie“ ein zielgerichtetes Angebot aus vegetarischen und veganen Produkten geschaffen.

Ein herausragender Trend ist die Re­gionalität. RollAMA-Daten aus 2015 sagen, dass die „Herkunft“ neben der „Frische der Ware“, der „Qualität“ und dem „Preis“ zu den wichtigsten Kaufkriterien zählt. Für 90 Prozent der Konsumenten ist die „österreichische Herkunft“ beim Einkauf wichtig. Diese Verankerung der Regionalität im Kaufverhalten ist vor allem ein Verdienst der österreichischen Landwirtschaft, die mit bedingungsloser Qualität und entsprechendem Marketing, etwa dem AMA-Gütesiegel, dies forciert hat. Den Trend der Regionalität haben freilich auch die Handelsketten längst entdeckt. Vor allem Premium-Handelsmarken befriedigen diese Bedürfnisse und werden auch von den Konsumenten so wahrgenommen. Nicht zuletzt merkt man es aber vor allem in der Werbung der Lebensmittelketten: Kaum ein Spot kommt ohne hohe Berge, saftige Wiesen oder glückliche Kühe aus.

Der Handel kann aussuchen

Die Vorteile der Eigenmarken liegen für den Lebensmittelhandel klar auf der Hand. Eigenmarken besitzen Exklusivität, d. h. die Handelsunternehmen haben die Chance, das eigene Sortiment bzw. Unternehmensimage durch unverwechselbare Artikel zu profilieren. Zudem schaffen sie Vorteile in punkto Werbung: „Die Werbung für eine ganze Produktgruppe ist viel billiger, als wenn man für ein einzelnes Produkt Werbung machen müsste“, sagt Siegfried Pöchtrager, der sich an der Universität für Bodenkultur intensiv mit der Wertschöpfungskette Lebensmittel befasst.

Der für Handelsketten vielleicht wichtigste Vorteil: Eigenmarken machen die Handelsunternehmen unabhängig. Die Handelsunternehmen können sich die Lieferanten und damit die Rohstoffe bei gleichbleibender Verpackung aussuchen – oder eben auch austauschen. „Wenn man Eigentümer der Marke ist, dann kann man es sich aussuchen, wo es die besten Konditio­nen und Bedingungen gibt“, sagt Oskar Wawschinek vom Fachverband der Lebensmittelindustrie, „dadurch wird man austauschbar.“ Der Fachverband fürchtet, dass mit den Eigenmarken des Handels heimische Hersteller – und damit natürlich auch Landwirte – zunehmend unter Druck geraten, durch ausländische Hersteller ersetzt zu werden. Dieses Problem sieht auch Pöchtrager: „Die Leidtragenden sind die Hersteller“, denn deren Möglichkeiten, ins Regal der Lebensmittelhändler zu kommen, werden damit weniger.

Der Handel sieht das naturgemäß anders. So spricht etwa Spar in einer Stellungnahme von einer „Riesenchance für viele bäuerliche Erzeuger“. Regionalmarken könnten nur in der unmittelbaren Umgebung Bekanntheit erlangen, alles andere hätte hohe Werbekosten zur Folge. Als Eigenmarken-Produkt hingegen könne es von deren Marketing profitieren und in ganz Österreich verkauft werden. Außerdem, so betont Spar, werde immer den österreichischen Produzenten der Vorrang gegeben. Allerdings unter der Voraussetzung, dass eine vergleichbare Qualität geliefert wird.

Wie Spar sehen sich auch andere große Handelsketten wie etwa Rewe oder Hofer als wichtige und verlässliche Partner der heimischen Landwirtschaft, die die Zusammenarbeit mit den Bauern und die hohe Qualität der österreichischen Produkte schätzen. Das kann man den Handelsketten auch zugestehen: Denn bei einem Großteil der Eigenmarken stammen die Rohstoffe aus Österreich. Auch deren Initiativen, die Regionalität und den Wert heimischer Lebensmittel bewusst zu machen, haben dazu beigetragen, die Nachfrage nach Produkten aus regionaler Landwirtschaft zu steigern.

Das sagt auch Wawschinek: „Der Handel bemüht sich auf österreichische Herkunft zu achten“, aber: „es gibt für den Handel keinen zwingenden Grund, darauf zu achten. Wenn es der Handel macht, dann macht er es.“

Gleiche Verpackung, anderer Inhalt

Oder eben nicht, um wieder zur Butter zurückzukommen. In besagter S-Budget-Butter ist ausländische Milch verarbeitet. Konkret von einer Molkerei aus Bayern, die neben deutscher Milch auch tschechische Milch verarbeitet. Spar sei auf der Suche nach einer streichzarten Butter gewesen, heißt es in einer Stellungnahme. „Über vier Jahre lang haben wir eine österreichische Molkerei gesucht, die in der Lage ist, uns eine derartige Butter in der gewünschten Menge zu erzeugen“, heißt es dort. Die gewünschte Menge sei in Österreich nicht verfügbar gewesen. Laut Josef Diermayer, Milchbauer aus Neuhofen im Innkreis und Funktionär, stimmt das so nicht. Letztendlich sei es eine Preisfrage gewesen. Wie dem auch sei, sicher ist jedenfalls, dass natürlich auch die österreichischen Molkereien im internationalen Wettbewerb stehen. Weil aber Österreichs Landwirtschaft klein strukturiert ist und die Milchproduktion großteils im Berggebiet stattfindet, bedeutet das höhere Produktionskosten pro kg Milch (oder kg Fleisch) als in anderen europäischen Ländern. Außerdem ist die Fütterung im Milchbereich absolut gentechnikfrei. Damit ist auch preislich nicht alles möglich. Noch eines stößt Diermayer sauer auf: „Eigenmarken von österreichischen Handelsketten suggerieren österreichische Rohstoffe. Da dürfen die Konsumenten nicht getäuscht werden.“ Es ist freilich auf besagter Butter die Kennzeichnung mit der Nummer „DE BY 261 EG“ auf der Rückseite der Butter korrekt, Diermayer glaubt aber, dass „das nur wenige Konsumenten wahrnehmen“. Außerdem, so Diermayer, „wird mit ausländischen Produkten die österreichische Gentechnikfreiheit im Milchbereich, die auch von den Handelsketten immer wieder gefordert wurde, unterlaufen“. „Es darf nicht durch eine Hintertür ausländische Ware in die Regale hineingebracht werden“, sagt auch Georg Ecker, Milchbauer aus Kollerschlag.

Eine weitere Problematik mit Eigenmarken nennt Pöchtrager: „Eigenmarken sind Verhandlungsbestandteil und Taktik.“ Was bedeutet, dass zwar von den Handelsunternehmen die Markenprodukte der Hersteller ins Sortiment aufgenommen werden, gleichzeitig aber Rohstoffe für die Eigenmarken „verlangt“ werden. Also auch hier spielt der Preis eine erhebliche Rolle.

Was bleibt von der Butter?

In besagter Butter manifestieren sich also zwei Probleme: Zum einen lassen Billig-Eigenmarken kaum eine kostendeckende Produktion zu. Zum anderen besteht die Gefahr des Verdrängungswettbewerbes durch ausländische Rohstoffe. Um für einen gerechten Preis zu kämpfen, hat der oberösterreichische Bauernbund kürzlich zu einer Demonstration aufgerufen. Der Obmann des Bauernbundes und Agrarlandesrat Max Hiegelsberger plädiert für eine faire Partnerschaft mit dem Handel: „Wir brauchen einen gerechten Preis für unsere hochwertigen Produkte und ein gelebtes Bekenntnis zur heimischen Landwirtschaft.“ Denn hinter der bäuerlichen Bewirtschaftung stehe nicht nur die Produktion von Milch, Fleisch und Getreide. Die Gentechnikfreiheit, der Tier- und Umweltschutz und die Erhaltung der Kulturlandschaft werden sozusagen mitgeliefert. „Das kann nur erfüllt werden, wenn die Betriebe ein Einkommen erwirtschaften, von dem die Familien auch leben können“, so Hiegelsberger. Und dafür brauche es eben faire Preise. Nur wenn die gesamte Lebensmittelbranche an einem Strang zieht, kann beim Konsumenten das Bewusstsein für die Wertigkeit heimischer Produkte gestärkt und gefestigt werden. Schlussendlich liegt der Ball also auch beim Konsumenten. „Wenn ein Produkt im Regal liegen bleibt, wird es bald nicht mehr gelistet werden“, sagt Wawschinek, „wir bekommen angeboten, was wir kaufen.“

Konsumentenzeitung Lust aufs Land, 7.6.2016

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