Kein Ersatz für Milch
GENAU GESCHAUT. Das „weiße Gold“ ist einzigartig in Geschmack und absolut top in punkto Nährstoffzusammensetzung. Lust aufs Land hat genau geschaut, inwiefern sich echte Milch von pflanzlichen Kopien abhebt.
Nachahmung ist bekanntlich die höchste Form der Anerkennung. So ist es wohl auch bei der Milch und den pflanzlichen Imitaten. Viele sind es mittlerweile an der Zahl. Aus Soja, Mandeln, Reis, Hanf und anderem werden sie gewonnen. Ans Original reicht aus Sicht von Rüdiger Sachsenhofer jedoch keine Kopie heran. Die einzigartige Nährstoffzusammensetzung des „weißen Goldes“ bleibe unerreicht. Der Experte vom Agrarmarktservice Austria (AMA) ist überzeugt: „Ohne die ganzen Zusatzstoffe würden die Pflanzendrinks nicht gekauft werden. Von einem naturbelassenen Produkt sind sie weit entfernt. Da braucht man sich nur das Zutatenverzeichnis anzusehen.“ Sachsenhofer resümiert: „Eine Kopie ist eben nie so gut wie das Original.“
Bezeichnungsschutz im europäischen Raum
So sieht es auch die Europäische Union. Seit 33 Jahren ist die Bezeichnung „Milch“ rechtlich geschützt und klar definiert. Milch ist demnach ein „ausschließlich durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenes Erzeugnis“. Vor drei Jahren wurde dieser Schutz durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) für Milch als auch Käse, Rahm, Butter und Joghurt bekräftigt. Er argumentierte, dass eine namentliche Gleichstellung von pflanzlichen Produkten und Milch(erzeugnissen), etwa in Form von „Sojamilch“, eine Verwechslungsgefahr für den Konsumenten eröffne. Die geltenden Richtlinien seien daher Garant für die Sicherstellung gleicher Qualitätsstandards. Zu Recht. Denn im Gegensatz zu tierischer Milch enthält pflanzliche deutlich weniger essenzielle Nährstoffe wie Kalzium oder Protein – sofern nicht künstlich zugesetzt. Einem sorglosen Konsumenten, der auf die Bezeichnung „Milch“ vertraut und daher die Verpackungsrückseite keines Blickes würdigt, wird das aber so schnell nicht auffallen.
Daraus bestehen Pflanzendrinks
Die Bandbreite an Ausgangsprodukten für die Herstellung von Milchimitaten ist groß – von Getreide, Nüssen bis hin zu Ölsaaten und Kokosnüssen. Damit daraus eine Flüssigkeit entsteht, wird das pflanzliche Rohmaterial meist mit Wasser vermengt, vermahlen und die Feststoffe werden herausgefiltert. Der Verarbeitungsprozess ist da aber noch nicht abgeschlossen. Ernährungswissenschafterin Katrin Fischer erklärt: „Damit das Gemisch homogen bleibt, werden Emulgatoren und Stabilisatoren durch energieaufwändige Verfahren zugesetzt.“ Damit schließlich auch der Geschmack überzeugt, werden zum Teil Aromastoffe oder Zucker zugesetzt. Die Expertin gibt ein Beispiel: „Ein Mandeldrink enthält je nach Hersteller nur etwa zwei bis fünf Prozent Mandeln. Dafür aber 6,5 Gramm Zucker.“
Im Supermarkt findet man schließlich eine riesige Auswahl verschiedener Produkte – gesüßt, ungesüßt, proteinarm oder -reich, neutral oder mit Vanille-Geschmack. Zusätzlich zum breit gefächerten Angebot an echter Milch wird die Wahl dann schnell zur Qual.
Aus Ernährungssicht ist das Original der Kopie vorzuziehen
„Ernährungsphysiologisch sind die beiden Produkte nicht zu vergleichen“, betont Fischer. Sie erklärt: „Milch ist ein Lebensmittel mit hoher Nähstoffdichte. Es enthält in Relation zum Energiegehalt viele lebensnotwendige Vitamine und Mineralstoffe. Ein Imitat dagegen besteht fast nur aus Wasser. Wertgebende Nährstoffe sind fast nicht vorhanden, sodass Vitamine und Mineralstoffe oft künstlich zugesetzt werden.“ Weiter bezugnehmend auf die Milch hebt die Ernährungswissenschafterin das hochwertige Eiweiß, das leicht verdauliche Fett und den von Natur aus hohen Gehalt an Kalzium hervor. Auch über den in Verruf geratenen Milchzucker (Laktose) weiß Fischer Positives zu berichten: „Laktose erfüllt eine wichtige Rolle im Dünndarm. Sie hilft bei der Aufnahme von Kalzium und unterstützt den Aufbau einer gesunden Darmflora.“ Damit seien die in der Milch natürlich vorkommenden Nährstoffe Laktose, Kalzium und Vitamin D eine optimale Kombination für Knochen und Gesundheit.
Problematisch ist Kuhmilch nur bei Laktoseintoleranz. Für betroffene Personen stehen im Handel aber bereits zahlreiche laktosefreie Milchprodukte bereit. Bei diesen Lebensmitteln wird der Milchzucker bereits in die Monosaccharide Glukose und Galaktose aufgespalten, sodass Personen, denen das hierfür nötige Enzym Laktase fehlt, problemlos die Produkte konsumieren können. Laut Österreichischer Gesellschaft für Ernährung dürfte die Rate der Betroffenen aber ohnehin nur bei circa zehn Prozent liegen.
Auch ein Ausweichen auf Sojadrink und Co. ist in diesem Fall theoretisch möglich. Welche der vielen pflanzlichen Produkte hier oder ganz generell am besten sind, lässt sich nur schwer sagen. Jedes Produkt hat seine individuellen Stärken und Schwächen.
Der Sojadrink beispielsweise enthält viel Protein und ungesättigte Fettsäuren, dafür aber nur wenig Kalzium. Die regionale Alternative aus Hafer überzeugt mit hohem Kalziumgehalt, dafür mangelt es ihm an Eiweiß. Dem Reisdrink fehlt es fast gänzlich an Protein. Zusätzlich enthält er kaum Vitamine und Ballaststoffe. Dafür aber dank vieler energiereicher Kohlenhydrate verhältnismäßige viele Kalorien.
Insofern besitzen Pflanzendrinks gegenüber Milch keinen gesundheitlichen Mehrwehrt. Stellt sich die Frage: Wieso greifen immer mehr im Supermarkt zur vermeintlichen Milch-„Alternative“?
Steigende Beliebtheit – Motive für den Griff zum Imitat
Die Antwort darauf liefert eine von der Universität für Bodenkultur (BOKU) veröffentlichte Studie zum Konsum von Pflanzen- und Kuhmilch. Demnach greifen Veggie-Fans neben Gesundheits- und Genussmotiven (bessere Verdaulichkeit und Geschmack), vor allem aus ethischen Überlegungen zum Pflanzendrink. Studienleiter Rainer Haas erläutert: „Bei den Konsummotiven von Pflanzenmilch tritt ganz stark das Tierwohl hervor. Auch die Gesundheit, verknüpft mit einer veganen oder vegetarischen Ernährung, und der Umweltschutz sind zentrale Gründe.“ Dennoch gab die Hälfte der Pflanzenmilchkonsumenten an, gelegentlich Kuhmilch zu trinken – des guten Geschmacks wegen. Der Geschmack ist auch der am häufigsten genannte Grund, weshalb Konsumenten die Kuhmilch favorisieren, zur tierischen Variante greifen. Auch wegen ihrer gesundheitlichen Vorzüge schätzen sie viele. Andere wiederrum trinken sie einfach aus Gewohnheit und weil die Kuhmilch mit Erinnerungen an die eigene Kindheit verbunden ist. Auffallend ist auch die große Bedeutung der regionalen Herkunft beim Konsum von Kuhmilch. „Das konnten wir bei Pflanzenmilch nicht beobachten, den Wunsch die bäuerlichen Familienbetriebe und die klein strukturierte Landwirtschaft in Österreich zu unterstützen“, so Haas. Kuhmilch werde eindeutig als regionales, heimisches Produkt gesehen, während Pflanzenmilch eher als internationales, globales Produkt wahrgenommen werde. Dennoch greift laut Studie beinahe jeder zweite Milch-Fan aus Neugierde auch einmal zum Pflanzendrink.
Wachsender Markt – jährlich steigende Absatzzahlen
Circa 16 Milliarden US-Dollar Umsatz wurden weltweit im vergangenen Jahr mit pflanzenbasierten Milchimitaten erwirtschaftet. Damit wurde ein Jahresplus von acht Prozent erzielt. Prognosen rechnen bis 2029 mit globalen Umsätzen von knapp 35 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Weltmilchmarkt besetzen Pflanzendrinks zwar einen Nischenmarkt, allerdings einen, der stetig wächst. Das verdeutlicht auch ein Blick auf die Konsumdaten von Herrn und Frau Österreicher. Lag der Konsum 2009 noch bei 1,3 Liter pro Kopf dürfte er Schätzungen zufolge auf fünf Liter gestiegen sein. Auch die Absatzzahlen sind kontinuierlich gewachsen. Im vergangenen Jahr sogar um 34 Prozent (siehe Grafik links unten). Im Gegensatz dazu nimmt der Verbrauch von Milch stetig ab. 2019 wurde mit 74,4 Kilogramm pro Kopf um fünf Prozent weniger konsumiert als noch vor zehn Jahren. Das blieb auch den großen Marktplayern nicht verborgen. Der „Danone“-Konzern etwa sicherte sich 2016 mit der Übernahme von „Alpro“ den europäischen Marktführer im Bereich Pflanzenmilch. „Joya“, die zweitgrößte Marke am heimischen Markt, war bis 2015 in österreichischer Hand (Mona Naturprodukte GmbH), wurde aber 2015 vom US-Lebensmittelhersteller „Hain Celestial“ aufgekauft. International sind aber nicht nur die Erzeuger, sondern auch die Ausgangsstoffe der Pflanzendrinks. Soja aus Kanada, Mandeln aus den USA – wer regional und gleichzeitig nachhaltig einkaufen will, greift besser zur Milch mit AMA-Gütesiegel. Denn da ist hundert Prozent Österreich drin.
Erfolgsgeschichte
Seit mehr als 7500 Jahren ist Milch ein wichtiger Ernährungsbestandteil am europäischen Kontinent. Entscheidend hierfür war die Fähigkeit Laktose zu spalten. Aufgrund des entscheidenden Überlebensvorteils setzte sich das entsprechende Gen aber schnell durch. Circa 90 Prozent der Nord- und Mitteleuropäer vertragen deshalb Laktose. Auch heute sind Milch(produkte) fester Bestandteil einer gesunden Ernährung. Drei Portionen am Tag werden empfohlen.
Eine Zutat, beste Qualität
Milch von den heimischen Bäuerinnen und Bauern, verarbeitet von den österreichischen Molkereien, hat nur eine Zutat – Milch. Diese eine Produktkomponente enthält aber so viele essenzielle Inhaltsstoffe, dass sie fester Bestandteil einer gesunden Ernährung ist. Erhältlich ist sie in den unterschiedlichsten Formen, etwa als Voll-, Halbfett-, Mager-, Roh- oder Haltbarmilch – aber immer frei von Gentechnik. Abgefüllt wird die Milch schließlich in Tetrapack oder Glasflaschen.
Was ist drin?
In nachfolgender Übersicht werden die Nährwerte der Pflanzendrinks einander gegenübergestellt. Auch die vis-à-vis stehende Kuhmilch (Vollmilch, 3,5%) wurde in den Vergleich miteinbezogen. Das Punkteschema reicht von 0 bis 6, wobei der Höchstwert 6 jeweils an das Produkt mit dem höchsten Gehalt vergeben wurde. Zum Vergleich sind die Produkte des europäischen Marktführers „Alpro“ jeweils in der Sorte „Original“ herangezogen worden. Diese sind mit Kalzium (Tricalciumphosphat, Calciumcarbonat) angereichert, so erklärt sich auch der hohe Gehalt in sämtlichen Getränken.
Bildquellen
- Milch Infografik: pigprox – Stock.adobe.com
- Milch: Iakov Kalinin – Stock.adobe.com