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Nachhaltig wirtschaften

LEBEN. Das Konzept der Bioökonomie: Ziel ist es, den fossilen Material- und Energieverbrauch zu reduzieren und ihn gleichzeitig durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen.

Energiekrise, Teuerung und Nahrungsmittelknappheit – und gerade jetzt soll die Menschheit auch noch die Welt retten? Es scheint, dass durch die aktuellen Krisen Themen wie Umweltschutz, Ressourcenschonung oder ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell aus dem Fokus der Gesellschaft und der Politik gerückt sind. Und trotzdem oder gerade jetzt braucht es Konzepte für einen bewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Ein Beispiel dafür, die Bioökonomie.

Definition: Bioökonomie
Die Bioökonomie ist ein Konzept, das noch in Entwicklung ist. Es ist ein im Einklang mit den Naturgesetzen agierendes Wirtschaftssystem, das auf zirkular geführte nachwachsende Rohstoffe aufbaut. Was es sicher nicht ist: eine biobasierte Wegwerfökonomie.

Viel Abfall und knappe Rohstoffe

Durch die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert sind die Grundbedürfnisse der Menschen massiv angestiegen. Um 1900 hat die Menschheit
7,3 Gigatonnen an Rohstoffen aus der Natur extrahiert – davon 75 Prozent aus Biomasse. Jetzt, 120 Jahre später, sind es 95 Gigatonnen Material, wovon nur noch 25 Prozent aus Biomasse stammen. „Das hat neben einer Anhäufung von Infrastruktur wie beispielsweise Gebäuden, Straßen und Gegenständen zu einem enormen Anstieg an Abfall geführt. In weiterer Folge sind gewisse Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt aber auch fossile Rohstoffe noch knapper geworden“, erklärt Martin Greimel, Leiter des Zentrums für Bioökonomie an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. 

In Europa werden aktuell lediglich 13 Prozent der Extraktion im Kreis geführt – in Österreich liegt der Wert mit acht Prozent noch niedriger. Zudem habe sich die Umweltproblematik verschärft.

Endliches Wachstum

Erstmals ist der Begriff „Bioökonomie“ in den 1970er-Jahren im Zuge der Ölkrise aufgetaucht. Zu dieser Zeit habe es in der Wirtschaft erstmals auch ein Umdenken gegeben. Der rumänische Mathematiker und Wirtschaftswissenschafter Georgescu-Roegen hat den Begriff kreiert und betonte damals, dass jede Wirtschaft, die sich nicht an Naturgesetze hält und versucht darüber hinauszugehen, in eine Sackgasse hineinfahre. Denn in einer endlichen Welt könne es kein unendliches Wachstum geben. Im Laufe der Jahrzehnte ist der Begriff aber in Vergessenheit geraten. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gab es eine Neuinterpretation – zuerst durch die OECD, später durch die EU. „Da ist die Rohstoffknappheit ersichtlich geworden und war klar: Fossile Energie muss durch nachwachsende ersetzt werden“, so Greimel. 

Ein Forschungsprojekt damals war die Erzeugung von Bioethanol aus Mais. „Das hat zu einer massiven Steigerung des Maispreises und in weiterer Folge zu einer Tank-Teller-Trog-Debatte geführt. Dadurch zeigte sich, dass der technologisch wirtschaftliche Ansatz zu kurz gedacht war“, so der Bioökonomie-Experte. 2018 folgte eine Überarbeitung der Strategie, bei der auch der Umweltbereich mitbedacht wurde.

Kreislauf statt linearem System

Greimel ist überzeugt, dass dieses lineare System nicht mehr funktioniert. Deshalb komme die Kreislaufwirtschaft ins Spiel. „Aber auch die ist nicht kostenlos, wenn man bedenkt, dass man dafür sammeln, trennen, recyclen und wiederaufbereiten muss. Das alles benötigt bei nicht-nachwachsenden Rohstoffen wie Aluminium, Eisen oder Beton enorm viel konzentrierte Energie“, so Greimel. Das Problem werde nur verschoben, sei aber immer noch da. 

Die lineare Ökonomie (linke Illustration) verbraucht zu viele (fossile) Rohstoffe und erzeugt massig Müll. Bei der Kreislaufwirtschaft (rechte Illustration) geht es um die Erzeugung biobasierter Rohstoffe sowie Verwertung biogener Abfälle und Reststoffe von Land, Forst und Wasser. Dazu gehört auch die Entwicklung von Be- und Verarbeitungsprozessen. Neben umweltwissenschaftlichen Aspekten (Klimawandel) müssen auch sozialwissenschaftliche Aspekte (regionale Wertschöpfung) miteinbezogen werden.

Der einzige Rohstoff, der zum Nachwachsen nur wenig Energie, nämlich Sonnenlicht braucht, ist die Biomasse. „Wir müssen so viel wie möglich an nicht nachwachsenden Rohstoffen durch nachwachsende ersetzen“, so sein Appell. Das sei aber nicht so einfach, denn wenn man die technologischen Möglichkeiten von heute dazu nutzen würde, würde man drei bis vier Erden an Fläche benötigen, um das anzubauen. „Wir müssen daher genügsamer werden und uns fragen: Was brauchen wir, um trotzdem noch gut leben zu können.“ Um das Thema Suffizienz werde man nicht herumkommen. Das bedeute nicht automatisch der Verzicht auf etwas, sondern viel mehr Genügsamkeit: „Was brauche ich nicht bzw. wie kann ich auch ohne glücklich sein.“ 

Mit einem sogenannten „Ressourcenkonto“ möchte das Institut für Bioökonomie das Thema Suffizienz in der Gesellschaft stärker verankern. „Jeder Mensch erhält ein CO2-Kapital als Rahmen, in dem man sich frei bewegen kann. Jeder hat Bereiche in seinem Leben, bei dem es ihm schwerer oder leichter fällt sich einzuschränken. Wer das Kapital auf seinem Ressourcenkonto aufgebraucht hat, soll ordentlich dafür zahlen. Das muss spürbar werden“, so Greimel.

Netzwerk Bioeconomy Austria
Heuer im Sommer haben Klimaschutz- und Landwirtschaftsministerium den Startschuss für den Aufbau des Bioökonomie-Netzwerks „Bioeconomy Austria“ gegeben. Jetzt im November wurde der Bioökonomie-Aktionsplan präsentiert. Dieses Projekt soll ein breites Netzwerk zur Förderung der regionalen Wirtschaft sowie der Zusammenarbeit entlang gemeinsamer Wertschöpfungsketten aufbauen. 
Der erste Schwerpunkt liegt auf dem Rohstoff Holz: „Die Nutzung von Holz als Bau-, Werk- und Energiestoff ist eine wesentliche Säule eines biobasierten Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Holzverwendung ist nicht nur ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz und sichert Arbeitsplätze, sondern trägt auch zu unserer Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen bei. In der holzbasierten Bioökonomie steckt noch sehr viel Potenzial und das wollen wir jetzt ankurbeln. Mit dem Aufbau eines bundesweiten Netzwerkes leisten wir einen wesentlichen Beitrag dazu“, so Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig.

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