Schneidig seit 485 Jahren
Die Sensenschmiede „Franz de Paul Schröckenfux“ prägt seit 1540 die Gemeinde Roßleithen. Noch heute wird nach alter Tradition produziert und weltweit exportiert.
Es gibt nicht viele Orte in Oberösterreich, wo einst und jetzt so nahe zusammen liegen wie in Roßleithen. Und dieses „einst“ meint vor fast 500 Jahren: In der kleinen Gemeinde im Bezirk Kirchdorf ist seit 1540 eine Sensenschmiede beheimatet, in der die Arbeitsgeräte noch heute hergestellt werden. Der Betrieb ist eine der letzten Produktionsstätten für handgeschmiedete Sensen über Österreich hinaus, wo noch je ein Hersteller in Italien und Slowenien existiert und weltweit betrachtet dazu kaum eine Handvoll.
Unter dem klingenden Namen „Franz de Paul Schröckenfux“ agiert die Sensenschmiede, die im 17. Jahrhundert von der Familie Schröckenfux übernommen worden und eine der ältesten Firmen Österreichs ist, seit dem Jahr 1837. Der Fokus liegt seit jeher auf Qualität. Das ist wohl auch der Grund, warum die nach alter Tradition geschmiedeten Sensen unter dem Markennamen „Fux Austria“ über all die Jahre produziert und auch verkauft worden sind.
Etwa 25 Arbeitsgänge sind notwendig, bis das ursprünglich 4,5 Millimeter dicke und vier Zentimeter breite Stück Stahl in ein fertiges Sensenblatt verwandelt ist. Es verlangt Geschick, dieses Handwerk, das sich heute durchaus schon Kunsthandwerk nennen lässt. Herzstück der Produktion ist das Breiten. Das erledigt der sogenannte „Breiter“: jener Mitarbeiter, der an einem großen Schmiedehammer sitzt und den glühenden Stahlstrang durch präzises Hin- und Herbewegen unter den Hammerschlägen in die gewünschte Breite bringt. Sein Arbeitsplatz ist so wie der aller Kollegen in der Schmiede keine Wellnesszone. „Es ist ein eher rauer Betrieb, eine Schmiede halt“, sagt Perthmayr, betont aber sogleich: „Viele finden das auch spannend.“ Zum Glück, denn gute und motivierte Mitarbeiter zu haben sei das Um und Auf für das Fortbestehen des Betriebs. Das gilt natürlich für jede Firma. In der letzten Sensenschmiede des Landes aber umso mehr: Der Lehrberuf des Sensenschmieds ist längst ausgestorben, „learning by doing“ lautet die Devise. Dass die Leute im Tal eher sesshaft seien, wie Perthmayr es nennt, komme dem Unternehmen entgegen. Die meisten der 25 Mitarbeiter sind seit vielen Jahren im Betrieb. Auch dass die Arbeit von einer Generation auf die nächste übergeben wird, komme vor. „Dieses Wissen ist unwiederbringlich“, sagt Perthmayr, und bekräftigt: „Unsere Mitarbeiter sind das wertvollste Kapital. Hier macht der Einflussfaktor Mensch 100 Prozent aus. Die Maschinen sind nur ein Hilfsmittel, denn jede Bewegung wird von Menschen ausgeführt.“ In hunderten von Jahren hat sich daran nicht viel geändert. Die Rahmenbedingungen natürlich schon: Was früher durch die Kraft der Pießling eines Baches, der durch das Gebäudeareal fließt angetrieben wurde, macht heute der Strom. Im einstigen Badhaus, in denen sich die verrußten Schmiede nach einem langen Arbeitstag waschen konnten ein eigenes Badezimmer war damals keine Selbstverständlichkeit wird noch heute genutzt.
Exportiert wird in alle Welt. Selbst das hat eine lange Geschichte, waren Sensen doch eines der ersten Exportprodukte des alten Österreich. Von den etwa 100.000 Stück, die pro Jahr Roßleithen verlassen, werden 80 bis 85 Prozent exportiert. „Nach Nord- und Südamerika, in fast alle europäischen Staaten, in den Nahen Osten, Australien und Neuseeland“, sagt Perthmayr, um einige Regionen zu nennen.

Kein Sprit, kein Lärm
Woran erkennt man nun die Qualität einer Sense? „Qualitätsmerkmale sind ein sauberes Blatt, die gleichmäßige genaue Härte und Formgenauigkeit des Sensenblattes und natürlich eine scharfe Schneide“, sagt Perthmayr. „Ein Laie kann das nicht gleich erkennen, aber wer weiß, was eine gute Schneid‘ ist,
der merkt den Unterschied“, versichert er. Mit einer richtig eingestellten Sense mit guter Schneide sei das Mähen „kinderleicht“, betont Perthmayr. Das führt auch schon zu den Vorteilen des Sensenmähens: „Man braucht keinen Sprit, erzeugt keinen Lärm und auch keinen Gestank. Im Gegenteil, das frisch geschnittene Gras riecht gut“, sagt der Experte. Ökologisch und naturnah weckt das Arbeitsgerät auch bei jungen Menschen Interesse, wie sich an der Nachfrage nach Kursen zeige. Vermehrt zur Sense greifen Gartenbesitzer in der Stadt oder in Stadtnähe, genauso wie Landwirte in bergigem Gebiet. Flächiges „Gruppenmähen“ finde auf Bergwiesen genauso wie im Botanischen Garten in Wien statt. Einsatz findet die Sense auch auf Forstflächen, für die es spezielle kürzere Sensenblätter zum Ausmähen von Bäumen gibt. Apropos Sensenblatt: Angebracht ist dieses an einem Stiel mit zwei Griffen, fachmännisch als Sensenwurf oder Sensenbaum bezeichnet, umgangssprachlich auch „Worb“ genannt.
Um 1900 wurden pro Jahr etwa zwölf Millionen Sensen in 215 Schmieden in Österreich gefertigt, allein in Oberösterreich gab es damals 42 Gewerke. Große Bedeutung hatte das Sensenschmieden vor allem in der Region Eisenwurzen, wo ein spezialisiertes Schmiedehandwerk entstand. Die Sensenmuseen in Micheldorf und Scharnstein liefern davon heute noch Zeugnis, während in Roßleithen die letzten Sensenmänner das Kulturgut lebendig halten und auch morgen noch Stück für Stück durch ihre Hände gleiten lassen.
Welt-Kulturerbe Sensenschmieden

Österreichisches Sensenschmieden wurde im Jahr 2013 als traditionelles Handwerk in die Liste des „Immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen.
Die Sense ist das älteste Erntegerät in der Landwirtschaft. Sichelartige Geräte wurden in Mitteleuropa schon in der jüngeren Steinzeit (etwa 2500 bis 1500 vor Christus) genutzt.
Viele Informationen zum Thema Sense, von der Geschichte bis zum Kursangebot, finden sich auf der Website des Österreichischen Sensenvereins, der in Kirchdorf an der Krems beheimatet ist.
(www.sensenverein.at)
Bildquellen
- 20250618_093651: LUSTAUFSLAND/CACHA-LINDINGER