Brauchtum

Tracht meint heute Vielfalt

BRAUCHTUM. Jung, modern und frech oder zeitlos, edel und elegant. Nachhaltig, kleidsam und perfekt für viele Anlässe: Tracht passt für vieles – nur nicht in eine Schublade.

Das Dirndl ist so etwas wie ein Wahrzeichen für den alpenländischen Raum. Auf jeden Fall ist es ein Hingucker – egal, ob man es fasziniert betrachtet oder mit Vorurteilen behaftet. Das Kleid mit glockigem Rock und Schürze kann romantisierend wirken, traditionsverbunden oder zeitlos. Es ist auf jeden Fall ein besonderes Kleidungsstück und kein Alltagsgewand. Und es glänzt mit einer Eigenschaft, die heute mehr Beachtung denn je erfährt: mit Nachhaltigkeit. Denn das Dirndl unterliegt keinen kurzlebigen Modetrends, sondern ist ein Gewand für viele Jahre.

Klassische Stoffe, modernes Design

Trachtenmode hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt, vor allem in den jüngeren Bevölkerungskreisen. Dass sie auch modern interpre­tiert sein kann, zeigt etwa Eva-Maria Naderhirn mit dem von ihr kreierten „Kapuzendirndl“. Dieses kommt ohne Schürze, dafür mit Taillenband und einer Kapuze daher. Die Designerin aus Perg will damit ihrer Liebe zur Tracht und speziell den typischen Dirndlstoffen Ausdruck verleihen. Unter ihrem 2009 gegründeten Label „Bergluft“ schneidert sie Trachtiges, ohne sich klassischen Vorstellungen zu unterwerfen. Einige Modelle der Designerin schafften es auch auf die Bühne, da sich die „Poxrucker Sisters“ schon oft in Outfits von Naderhirn zeigten. Die Schneiderin selbst schätzt neben den Stoffen auch die Linienfüh­rung dieser Mode. „Weibliche Schnitte, wie man sie vom Dirndl her kennt, brauchen keine Größe 34“, sagt Naderhirn. Die Bänder, die sie häufig an ihren Kleidern verwendet, können als symbolische Schürze betrachtet werden. Sie betonen die Taille der Trägerin und setzen einen Farb-Akzent. „Und sie haben den praktischen Aspekt, dass sich damit die Weite des Kleides gut regulieren lässt“, erläutert die 36-Jährige.

Ohne Schürze, dafür mit Kapuze: Dirndl einmal anders gibt es bei „Bergluft“, dem Label einer Mühlviertler Designerin.

Ein buntes Sortiment an Trachten gibt es auch im OÖ Heimatwerk. Im Geschäft auf der Linzer Landstraße werden die Dirndlkleider in der hauseigenen Schneiderei genäht. Sehr viel davon auf Auftrag, wie Geschäftsführerin Maria Huber erzählt. Für den Sommer bieten sich Dirndl aus reiner Baumwolle an. Auch Leinenstoffe seien bei höheren Temperaturen empfehlenswert, die Nachfrage nach solchen Modellen halte sich aber in Grenzen. Gestiegen sei hingegen die Nachfrage nach Baumwoll-Dirndln, die ohne Bluse getragen werden. Das ist luftig und leicht – hat aber auch den Nachteil, dass das Dirndl selbst öfter gewaschen werden muss.   

Die Kleider seien aktuell – wie schon in den vergangenen Jahren – etwas kürzer. „Wobei kurz bei einer Tracht eine Länge von 70 Zentimetern bedeutet und bis über das Knie reicht“, betont Huber. Ein kürzeres Dirndl sei bequemer, das falle zum Beispiel beim Stiegensteigen ins Gewicht. Maria Huber rechnet aber damit, dass Dirndlkleider bald wieder etwas länger werden, so wie das in der allgemeinen Mode schon zu sehen ist. 

Blaudruck-Dirndl sind in Oberösterreich sehr beliebt und gelten als zeitlose Klassiker. Maria Huber, Geschäftsführerin im OÖ Heimatwerk, zeigt eine Variante mit grüner Schürze. 

Nicht mehr so bunt 

Was die Farben betrifft, geben Dirndlkleider traditionell eher ein buntes Bild ab. „Früher war es gang und gäbe, dass ein Dirndl aus drei Farben besteht – je eine für das Oberteil, den Rock und die Schürze. Mittlerweile wollen sich viele an einem Farbton ausrichten oder sind darauf bedacht, dass die einzelnen Stoffe gut zusammenpassen. „Das Ausseer Dirndl gehört aber immer noch zu den meist- getragenen Dirndln in Oberösterreich“, verweist Huber auf die Buntheit dieses Modells: Grünes Oberteil, roasafarbener Rock und lila Schürze vermögen zu bezaubern. Begehrt ist auch das Blaudruck-Dirndl. „Handblaudruck ist sehr wertvoll und hochpreisig und stellt schon eine gewisse Investition dar. Für viele Damen ist es das Dirndl, das sie sich einmal gön­nen wollen“, sagt Huber. Die Blautöne stehen auch vielen Frauen sehr gut, betont die Expertin. Die Handwerkstechnik des Blaudrucks ist übrigens 2018 in die Unesco-Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen worden. Die jahrhundertealte Technik wird im deutschsprachigen Raum nur mehr vereinzelt angewendet, im Mühlviertel ist es nur mehr die Werkstätte der Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden. 

Dieses Modell zeigt ein Dirndl, dessen Stoffe sich an einem Farbton ausrichtet.

Margarete Holzberger ist Gründerin der Trachten Wichtlstube in Edt bei Lambach. Das Trachtenfachge­schäft ist eines der größten Österreichs und feiert heuer 25-jähriges Bestehen. „Neben dem farbenfro­hen Dirndl sind auch Träger- und Blusenkleider im Trend“, sagt sie. Dabei würden kräftige Farben gerne mit zarten Applikationen an Ausschnitt, Kragen oder Ärmel kombiniert, dazu ein Gürtel oder ein verspieltes Band. „Generell ist Tracht heutzutage so vielfältig wie noch nie. Jung, modern und frech, aber genauso zeitlos, edel und elegant“, betont Holzberger. Die größte Veränderung im vergangenen Jahrzehnt habe sich in den Längen abgespielt. „Früher wurden Dirndl nur lang getragen“, so die Expertin. Auch die Modernisierung der Trägerkleider und Röcke habe das Bild vielfältiger gemacht.

Beliebt ist Tracht bei Feierlichkeiten wie einer Hoch­zeit. „Das Schöne daran ist, dass die Hochzeitsgesellschaft ein buntes, aber doch einheitliches Gesamtbild abgibt“, sagt Maria Huber vom OÖ Heimatwerk. Häufig sei auch zu sehen, dass der Bräutigam und die Hochzeitsgäste Tracht tragen und die Braut ein konventionelles Brautkleid. „Ein absolutes No-Go ist es, als Gast weiß oder beige zu wählen, denn diese Farben obliegen an diesem Tag der Braut, auch wenn sie selbst nicht weiß trägt“, ergänzt Holzberger. 

Seit Herbst: „niglnogl fast wie neu“

Unter dem Label „niglnogl fast wie neu” werden seit einigen Monaten in den Heimatwerk-Filialen Linz und Steyr auch Gebraucht-Trachten an- und wieder verkauft. Diese werden nach definierten Kriterien bewertet, entscheidend sind Material, Alter und Zustand. „Viele haben ein Dirndl oder eine Lederhose daheim, aus denen sie ‚herausgewachsen‘ sind“, sagt Huber. Die neue Schiene komme sehr gut an – bestä­tigt einmal mehr: Tracht ist nachhaltig und vielfältig.

Bildquellen

  • Dirndl Bergluft-578-print: Julia Dresch
  • Dirndl Heimatwerk Maria Huber: Lust aufs Land / Cacha
  • Dirndl Trachten Wichtlstube Gelb: Trachten Wichtlstube
  • Dirndl Heimatwerk: OÖ Heimatwerk