Landwirtschaft & Handwerk

Wein gegen Most

GENUSS. Ist Oberösterreich ein Weinland oder die Heimat der „Mostschädel“? Im Duell der Getränke schenkten einander Weinsommelier Reinhold Baumschlager und Mostsommelier Maria-Theresia Wirtl ein.

Dass Oberösterreich einst ein Weinland war, davon zeugt heute noch eine Vielzahl von Orts- und Hausnamen. Aber auch die Mostproduktion hat im Land ob der Enns eine lange Tradition. Lust aufs Land wollte es genauer wissen und bat zum launigen Duell Wein gegen Most.

Was zeichnet den Most gegenüber dem Wein aus?

Wirtl: Da fällt mir zuerst der Alkoholgehalt ein. Most hat um mehr als ein Drittel weniger Alkoholgehalt als Wein. Das qualifiziert den Most zu einem absoluten Trendgetränk. Most ist sommerlich, spritzig, frisch und eignet sich in Form von Cider perfekt als Aperitiv. Zudem hat der Most gesundheitsfördernde Eigenschaften und ist gut für die Verdauung.

Und umgekehrt?

Baumschlager: Es gibt auch beim Wein spezielle Formen mit weniger Alkoholgehalt, beispielsweise halbtrockener Wein, der in der Gärung gestoppt wird. Vor allem Rotwein wird auch eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Wie überall macht die Dosis das Gift. Aber ein gutes Achterl Wein hat noch niemandem geschadet.

Worin unterscheiden sich die beiden Getränke bzw. was haben sie gemeinsam?

Wirtl: Was die Aromen betrifft, lassen sich Most und Wein gut vergleichen. Die Qualität des Mostes wird in der Sensorik genauso beschrieben wie der Wein, hier wird dasselbe Vokabular verwendet. Selbst die Kellertechnik ist mittlerweile vergleichbar.

Baumschlager: Sogar das Verkostungsprozedere ist bei beiden Getränken gleich.

Wirtl: Auch beim Most geht es immer mehr in Richtung Sortenreinheit. Es gibt mittlerweile wirklich hervorragende Mostqualitäten bei uns im Genussland, die auch den Vergleich mit einem frischen Veltliner nicht zu scheuen brauchen.

„Beim Most hat sich die Qualität stark gesteigert. Beim Genussland arbeiten wir ständig am Image des Getränks.“

Maria-Theresia WIrtl

Baumschlager: Da muss ich leider zustimmen. Es hat auch schon Weinverkostungen gegeben, bei denen ein Most hineingeschwindelt wurde und dabei auch von Experten nicht als solcher erkannt wurde.

Traditionell betrachtet: Wer trank früher was?

Baumschlager: Das Bürgertum hat Wein und Bier getrunken. 

Wirtl: Und Most war das Getränk der Bauern und wurde auch zu einem begehrten Handelsprodukt. Nicht umsonst heißt es im Volksmund: „Die Vierkanthöfe hat der Most gebaut.“ 

Und wie ist das heute?

Wirtl: Da gibt es ein Stadt-Land-Gefälle. In der Stadt ist es sicher schwieriger Most in der Gastronomie zu vermarkten.

Baumschlager: In der Gastronomie am Land steigt die Nachfrage nach Most und hier werden teilweise bereits mehrere verschiedene Sorten Most angeboten. 

Welches Getränk bietet die größere Sortenvielfalt?

Baumschlager: Da sticht der Wein den Most klar aus.

Wirtl: Eindeutig, das muss ich
leider neidlos anerkennen.

Reinhold Baumschlager (52) ist Weinsommelier und Wirt im Landhotel Forsthof in Sierning.
Maria-Theresia Wirtl (61) ist Mostsommelier und Leiterin der Stabstelle im Genussland Oberösterreich.

Was eignet sich in der Küche besser – Gerichte mit Most oder Wein?

Wirtl: Überall, wo man einen Wein verwenden kann, kann man auch Most nehmen. Ganz besonders muss ich hier den „Mostschober“ erwähnen.

Baumschlager: Stimmt, das ist eine kulinarische Spezialität.

Zu welcher Speise würden Sie nur Most emp-
fehlen?

Wirtl: Zur Jause gehört einfach ein rescher Most. 

Und wo geht nur Wein?

Baumschlager: Süßwein zu süßen Speisen und zum Käse passt Most auch nicht wirklich gut dazu.

Wirtl: Was ist mit Süßmost?

Baumschlager: Überzeugt – überall wo Weißwein dazu passt, lässt sich drüber streiten. Bei Gerichten, zu denen vor allem Rotwein empfohlen wird, kann der Most aber nicht mithalten.

Wirtl: Das stimmt – dem Rotwein kann man mit Most nichts entgegensetzen.

Welches ist das jeweils richtige Glas?

Baumschlager: Beide Getränke jedenfalls in einem Stielglas servieren.

Wirtl: Ja, damit bringt man auch dem Most die entsprechende Wertschätzung entgegen.

Was schätzt der Weinsommelier am Most?

Baumschlager: Die Frische und die etwas andere Säure. Beim Wein wird zu viel Säure schnell als störend empfunden. Zum Most gehört das einfach dazu. Das macht ihn spritziger und süffiger.

Und andersrum?

Wirtl: Die ganz anderen Aromen des Rotweins.

Welches Getränk hat künftig mehr Potenzial?

Wirtl: Beim Most sehe ich noch viel Potenzial. Irgendwann muss sich die Bewusstseinsbildung für dieses Qualitätsprodukt auch in der breiten Bevölke­rung niederschlagen. Er ist ein Naturprodukt mit Qualität, hinter dem viel Arbeit der Bauern steckt. Dies muss sich auch im Preis widerspiegeln. Im Vergleich mit Wein hinken wir da noch weit hinterher.

Baumschlager: Beim Weinbau sehe ich noch viel mehr Potenzial in Oberösterreich, vor allem flächenmäßig. Der Klimawandel und die damit verbundenen höheren Temperaturen kommen dem Weinbau in unserem Bundesland entgegen. Möglicherweise wird das Donautal einmal zur Wachau in Oberösterreich.

„Beim Weißwein brauchen wir uns selbst international nicht zu verstecken.“

Reinhold Baumschlager

Ist Oberösterreich jetzt also ein Most- oder Weinland?

Wirtl: Geschichtlich und von der Produktionsmenge her betrachtet ist Oberösterreich ganz klar ein Mostland.

Baumschlager: Da muss ich dir recht geben. Der Weinbau ist in Oberösterreich erst im Aufbau. Vom Konsum her betrachtet sind wir aber eher ein Weinland – beim Pro-Kopf-Verbrauch hat der Wein mit circa 25 Litern ganz klar die Nase vorne.

Trotzdem werden die Oberösterreicher gerne scherzhaft als „Mostschädl“ bezeichnet.

Wirtl: Ich sehe das durchaus als Kompliment und es hat auch seine Berechtigung. Immerhin wird bei uns fast dreimal so viel Most konsumiert als in anderen Bundesländern. Auf unsere Mosttradition und Qualitäten können wir durchwegs Stolz sein.

Also kann man sagen, dass beide Getränke Spitzenprodukte aus regionaler bäuerlicher Erzeugung mit hoher Qualität sind und ausgezeichnet schmecken?

Baumschlager: Das kann ich jedenfalls so unterschreiben.

Wirtl: Das trifft hundertprozentig zu.

Baumschlager: Na dann, Prost!

Wirtl: G’sundheit, soist leben!

Historisch betrachtet
Nahezu überall, wo heute in Oberösterreich gute Mostgegenden sind, war im Mittelalter der Weinbau vorherrschend. Als dieser zurückging, trat der Obstmost an seine Stelle. Den großen Boom erlebte der Most erst im 18. Jahrhundert durch die Anlage von Streuobstwiesen, die durch Kaiserin Maria Theresia vorangetrieben wurde.

Bildquellen

  • Wein-Most: LustaufsLand/Mursch-Edlmayr
  • Wein: elenabdesign - stock.adobe.com