Hohe Kunst, auch am Ei
BRAUCHTUM. Ostermärkte sind Eldorados für Liebhaber von Kunsthandwerk, müssen heuer aber entfallen. Eier werden trotzdem verziert – kaum welche aber so aufwändig wie jene im Stil der filigranen Klosterarbeiten.
Als Klosterarbeiten werden jene aufwändigen, ausschließlich händisch gefertigten Elemente bezeichnet, mit denen sakrale Objekte und Andachtsgegenstände verziert werden. Vergoldete Drähte, Fäden und Perlen, aber auch edle Stoffe wie Brokat und Samt spielen dabei eine tragende Rolle.
Ein Rahmen für Reliquien
Ihren Ursprung haben Klosterarbeiten im 15. Jahrhundert. Wie der Name bereits besagt, wurden sie vorwiegend in Klöstern gefertigt. Entstanden sind sie aus dem Wunsch heraus, Reliquien einen besonderen Rahmen zu geben und außergewöhnlich zu verzieren. Auch der Begriff „Klosterfrauenarbeit“ wird für das historische Kunsthandwerk manchmal noch verwendet, schließlich waren es auch meist Frauenklöster, in denen die Werke entstanden sind.
Auch heute sind es meistens Frauen, die ihre Liebe zu diesem filigranen Handwerk entdecken und in der Folge Nadel, Golddraht und seidenen Faden zur Hand nehmen, um eigene Objekte zu fertigen. Wie man am besten an die Sache herangeht, weiß Birgit Aigner aus Krenglbach. Sie ist seit 2013 Obfrau der international vernetzten Werkgruppe Klosterarbeiten. Deren Anliegen ist es, das – einst nur mündlich überlieferte – Wissen um die Arbeitstechniken immer weiter zu erforschen und in Form von Vorträgen, Kursen und Workshops weiterzugeben. „Wir wollen auch, dass die Wertschätzung an alten Objekten wieder gehoben wird“, sagt Aigner.
In Österreich sei das einst im gesamten alpenländischen Raum verbreitete, historische Kunsthandwerk schon fast am Aussterben gewesen, habe sich dann aber von Bayern ausgehend allmählich wieder etwas etablieren können, erzählt die Expertin. Mit der Gründung der Werkgruppe vor 30 Jahren habe der Aufschwung abgesichert und eine Basis für das Weiterbestehen der Klosterarbeiten geschaffen werden können. 2019 erhielt die Gruppe, die genau genommen ein Verein ist, eine hohe Auszeichnung: Sie erhielt das „Good Practice“-Siegel der Unesco für ihre Bemühungen, die komplizierten, historischen Techniken weiterzugeben.
Zukunft für Klosterarbeiten
Für vorbildliche Pflege und Weitergabe von Wissen rund um ein altes Kulturerbe vergibt die Unesco (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) das „Good-
Practice“-Siegel. Als so ein „Gutes Praxisbeispiel“ hat die Österreichische Kommission im Juli 2019 die Werkgruppe Klos-
terarbeiten (www.werkgruppe-klosterarbeiten.at) ausgezeichnet. Die seit 30 Jahren bestehende Gruppe hat es sich zum Anliegen gemacht, historische Arbeitstechniken zu erkunden und weiter-
zuvermitteln, damit das zwischenzeitlich fast in Vergessenheit geratene Kunsthandwerk weiterleben kann.
Kurs-Echo bis nach Japan
Das Interesse an den Kursen ist weitreichend: Teilnehmerinnen aus Deutschland, Italien, Luxemburg, Polen und der Schweiz waren bereits in
Oberösterreich, am „Exotischesten“ war bislang ein
Mutter-Tochter-Gespann aus Japan, das sich hierzulande seit Jahren ausbilden lässt und nun selbst in Japan Kurse für Klosterarbeiten abhält.
Für Birgit Aigner ist eine Klosterarbeit ein Kunstwerk, das auf mehreren Ebenen interessant ist. „Zum einen ist es so, dass jedes Bild auch eine besondere Geschichte erzählt. Zum anderen sind noch die Technik, in der es gefertigt worden ist, das Motiv und die verwendeten Materialien Aspekte, die jedes Objekt spannend und einzigartig machen.“
Wer einmal an der besonderen Art der Handarbeit Feuer gefangen habe, den lasse diese auch nicht mehr los. Für Aigner ist das Schönste daran die Arbeit selbst: „Das Tun ist die Bereicherung. Diese Besinnung auf das Objekt, das einen zur Ruhe kommen lässt.“ Hektik erlaubt das Arbeiten mit den kostbaren und feinen Materialien ohnehin nicht. Apropos fein: Die Gold- und Silberdrähten, mit denen gearbeitet wird, haben einen Durchmesser bis hinab zu 0,06 Millimeter. Die Drähte werden zum Beispiel über Nadeln gedreht, bis sie spiralisieren. Auch mit an den Kanten vergoldeten Papierstreifen wird gearbeitet – eine eigene Technik, die sich „Krüll“ nennt. Bei der Klosterarbeit wird gewickelt, gebunden und gedreht, gestickt und genäht – oft über hunderte Stunden hinweg, eine Lupe stets in Reichweite. Die Faszination des Handwerks liegt schließlich im Detail, beim Fertigen genauso wie beim Betrachten der Werke.
„Typisch“ für Klosterarbeiten sind aufwändig geschmückte Heiligenfiguren, Wachsobjekte, Andachtsbilder, Gebetszettel oder Wallfahrtsandenken, eingebettet in einen Bilderrahmen. Beim Verzieren selbst wird Anleihe genommmen an historischen Objekten. „Wir sind viel im musealen Bereich unterwegs und schauen uns an, wie und aus welchen Materialien unsere historischen Vorbilder gefertigt sind. Dann versuchen wir ein Duplikat herzustellen“, sagt Aigner. Hat sie ein Objekt ausreichend „erkundet“ und selbst ausprobiert, wird es in das Kursrepertoire aufgenommen.
Die Techniken der Klosterarbeiten werden aber auch für rein dekorative Objekte verwendet. „Wir sind natürlich den schönen Dingen nicht abgeneigt und auch nicht so vergeistigt, dass wir das nicht zulassen würden“, schmunzelt Aigner. Christbaumschmuck oder eben Ostereier werden genauso verziert. Oftmals passiere genau über diese Dinge der Einstieg in die Klosterarbeit. Die Motive mit religiösem Charakter kommen dann ganz automatisch an die Reihe.
Bildquellen
- Klosterarbeiten_Rosenspalierei: Birgit Aigner
- Klosterarbeiten_Goldstickbild-Detail: Birgit Aigner
- Klosterarbeiten_Details-in-rot: Roswitha Samhaber
- Klosterarbeiten_Aigner – Ikonenei: Birgit Aigner
- Klosterarbeiten_Marienbild-PH: Birgit Aigner
- Klosterarbeiten_Krüllarbeit: Holnsteiner
- Klosterarbeiten_4Jahreszeitenei-Vorderseite: Birgit Aigner
- Klosterarbeiten_Hände-beim-Arbeiten: Roswitha Samhaber