Auf die Herkunft achten
Wer wissen will, woher die Lebensmittel stammen, muss sich weiter intensiv damit auseinandersetzen. Daran ändert auch die neue EU-Primärzutatenverordnung nichts.
Die Herkunft von Lebensmitteln ist für viele Konsumenten ein wesentliches Kaufkriterium. Dort, wo die Herkunft erkennbar ist, greifen sie vielfach auch zu heimischen, regionalen Produkten. Dies gilt insbesondere für Lebensmittel mit EU-weit verpflichtender Herkunftsangabe wie beispielsweise Frischfleisch, unverarbeitete Eier, Obst und Gemüse. Die hier gegebene Transparenz bietet tatsächlich Wahlfreiheit. Anders gestaltet sich die Lage bei verarbeiteten Lebensmitteln. Fertigprodukte, auch Convenience-Produkte genannt, sind von der Regelung ausgenommen. Deren Zutaten (auch Fleisch, Obst und Gemüse) müssen nicht gekennzeichnet sein. Hier tappen Konsumenten beim Einkauf bzw. der Speisenauswahl daher fast immer im Dunkeln.
EU-Primärzutatenverordnung: Nur ein „Teilerfolg“
Auf Verpackungen gibt es sowohl offene als auch versteckte Hinweise, gleichzeitig verschweigen sie mitunter Wesentliches. Fakt ist: Die Herkunft muss nicht zwingend angegeben werden. Laut Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz ist es jedoch verboten, irreführende Informationen anzugeben. Dies war – weil ein rechtlicher Graubereich – bis vor Kurzem jedoch einfach möglich, wie zahlreiche Beispiele aus der Praxis belegen. So verbinden Konsumenten mit einer rot-weiß-roten Fahne oder einem Herz bzw. Aufschrift „Aus Österreich“ oder „Hergestellt in Österreich“ häufig, dass auch die Rohstoffe aus Österreich kommen. Doch das muss nicht zwangsläufig so sein. Denn wird ein Produkt in mehreren Ländern hergestellt, gilt gemäß EU-Recht jenes Land als Ursprungsland, in dem der letzte wesentliche Verarbeitungsschritt erfolgt ist.
Seit 1. April 2020 gilt hier jedoch eine strengere Regelung. Durch das Inkrafttreten einer EU-Verordnung wird die Auslobung der Herkunft von Primärzutaten neu geregelt. Dabei handelt es sich um eine Detailregelung für eine täuschungsfreie Herkunftskennzeichnung. Nun muss zusätzlich auch das Ursprungsland oder der Herkunftsort der primären Zutat angegeben werden, wenn dieses nicht mit dem des Lebensmittels identisch ist. Dabei muss sich die Angabe in demselben Sichtfeld wie die Herkunftsangabe befinden.
Ein Beispiel aus der Praxis – „Heimischer Speck“: Wenn das Fleisch nicht aus Österreich kommt, muss draufstehen „Fleisch nicht aus Österreich“, oder „Fleisch aus Deutschland“ oder „Fleisch aus der EU und Nicht-EU“. Dasselbe gilt, wenn nur eine rot-weiß-rote Fahne als Herkunftshinweis abgebildet ist. Der verpflichtende zusätzliche Hinweis muss immer im gleichen Sichtfeld sein.
Ein Lebensmittel kann aber auch mehr als eine Hauptzutat haben, nämlich dann, wenn eine weitere Zutat aus Verbrauchersicht wichtig ist. Beispiel Erdbeerjoghurt (siehe Grafik oben). In diesem Fall gibt es zwei primäre Zutaten. Das Erdbeerjoghurt mit Milch aus Österreich enthält Erdbeeren aus Marokko. Das heißt, es muss angegeben werden „Erdbeeren aus Nicht-EU“ oder „Erdbeeren aus Marokko“. In der Praxis bedeutet das, ein Erdbeerjoghurt mit rot-weiß-roter Fahne und der Herkunftsangabe „Erdbeeren aus Marokko“.
Von der bäuerlichen Interessensvertretung wird die EU-Primärzutatenverordnung nur als Teilerfolg gesehen. Zumindest ist damit das Spiel der Lebensmittelhersteller und des Handels mit den rot-weiß-roten Fahnen jetzt zu Ende. Denn bis zuletzt konnte man dies auf ausländischen Lebensmitteln finden. „Wir als Bauernbund haben das schon immer beanstandet. Das war eine perfekte Täuschung der Konsumenten“, betont Landesobmann und Agrarlandesrat Max Hiegelsberger. Die oberösterreichische Landwirtschaftskammer-Präsidentin
Michaela Langer-Weninger sieht in der Verordnung zwar eine Verbesserung, kritisiert aber die komplexe praktische Umsetzung: „Es gibt viele Unklarheiten und in den meisten Fällen wird die Anonymität der Rohstoffherkünfte nicht beseitigt.“
Die Regelung kann tatsächlich einfach umgangen werden und zwar indem auf die Herkunftsangaben schlichtweg verzichtet wird. Zudem sagt die Angabe „EU und Nicht-EU“ auch wenig bis eigentlich gar nichts aus. Schließlich kann das bedeuten, dass die Rohstoffe entweder aus Deutschland, der Schweiz, Marokko oder sonst wo aus der Welt kommen. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die verpflichtende Primärzutatenkennzeichnung ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, verirrt sich allerdings da und dort auf dem Weg zur Lebensmitteltransparenz.
Fazit: Wer wirklich wissen will, woher die Lebensmittel kommen, muss sich in den meisten Fällen intensiv damit auseinandersetzen. Wenn man sich beim Kauf von Lebensmitteln, egal ob im Supermarkt oder in der Gastronomie, nicht sicher ist, woher das Produkt stammt und wie es produziert wurde, lohnt es sich nachzufragen.
Definition Primärzutat
Eine Primärzutat ist jene Zutat, die mehr als 50 % dieses Lebensmittels ausmacht und/oder die Verbraucher üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziieren. Ein Lebensmittel kann eine, mehrere oder keine Primärzutat beinhalten.
Bei verpacktem Mehl stellt das Getreide die Primärzutat dar.
Erdbeerjoghurt weist zwei Primärzutaten auf, Joghurt und Erdbeeren. Käswurst hat mit Fleisch und Käse ebenfalls zwei Primärzutaten. Hingegen hat ein Mohnstrudel nur eine (Mohn) und Marmorkuchen keine Primärzutat.
Erfolgreiches Pilotprojekt in öffentlichen Küchen des Landes
Bauernbund und Landwirtschaftskammer fordern bereits seit Jahren, dass auch in verarbeiteten Lebensmitteln bzw. Speisen Transparenz und Wahlfreiheit geschaffen wird und zwar durch eine Ausweitung der Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Milch und Eier als Hauptzutat. Dieses Anliegen hat erneut Eingang in das Regierungsprogramm gefunden. Zudem wurde verankert, dass die Lebensmittelbeschaffung in öffentlichen Einrichtungen konsequent auf heimische Produkte umgestellt und dabei der Bio-Anteil bis 2025 auf 30 Prozent ausgebaut werden soll. Gefordert wird nun die rasche Umsetzung. Gewünscht ist dies auch vom Großteil der Konsumenten, wie eine Studie aus dem Jahr 2018 belegt. 68 Prozent der Befragten wollen demnach wissen, woher die Zutaten ihres Kantinenessens stammen. Schätzungen zufolge werden in Österreich täglich circa 2,5 Millionen Portionen Essen in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung wie Schulen, Spitäler, Pflegeheimen und Betriebskantinen zubereitet.
Das Land Oberösterreich nimmt in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein. Seit Jänner 2019 erfolgt unter dem Dach der Maßnahme „Wir essen regiönal“ eine klare Kennzeichnung der Lebensmittelherkunft auf dem Speiseplan der größten Küche des Landes, dem Landesdienstleistungszentrum. 2021 soll der Anteil an regional eingekauften Lebensmitteln 60 Prozent erreichen. „Wir wollen das Bewusstsein für heimische Lebensmittel stärken und ein klares Vorbild für andere Großküchen sein“, betont Landeshauptmann Thomas Stelzer. Der erfolgreiche Pilotversuch wird Ende Juni auf 15 weitere Dienststellen ausgeweitet. „Wir haben in Oberösterreich ein dichtes Netz an direktvermarktenden Bauernhöfen und gewerblichen Lebensmittelproduzenten. Das gilt es zu nutzen, zum Wohle der Kantinengäste, der Landwirtschaft als auch der gesamten regionalen Wertschöpfung“, so Agrarlandesrat Hiegelsberger.
Das ist seit 1. April nicht mehr erlaubt
Ein typisches Beispiel für Konsumententäuschung: Salat mit Österreichfahne und Schriftzug „hergestellt in Österreich“ (vorne), aber Herkunft Italien (hinten). Die Hauptzutat muss nun im gleichen Sichtfeld sein wie die Österreich-Fahne.
Was das Identitätskennzeichen aussagt
Das Identitäts- oder Genusstauglichkeitskennzeichen gibt mit dem Länderkürzel, zum Beispiel “AT” für Österreich, jenes Land an, in dem das Produkt verpackt wurde. In der zweiten Zeile ist die Betriebsnummer des Verpackers angegeben. Über die Herkunft der Rohstoffe, etwa Fleisch oder Milch, sagt es nichts aus.
Bildquellen
- Herkunftskennzeichnung Beispiel: Bauernbund
- Herkunftszeichnung: Quelle: LK Tirol, Grafik: Lustaufsland/Fleischanderl
- Supermarkt: gina sanders - adobe.stock.com