Macherei

Braugerste im Klimawandel

MACHEREI. Geänderte klimatische Bedingungen und Fortschritte in der Pflanzenzüchtung eröffnen neue Perspektiven für die Winterbraugerste.

Dieser Tage wird, zur Freude aller Bierliebhaber, bereits der Rohstoff für die nächste Bier-Generation in die Erde gebracht. Die erste Wahl bei Getreide ist seit jeher die Sommerbraugerste, die sich aufgrund innerer Eigenschaften, Ausbeute und Verarbeitbarkeit ideal für Mälz- und Brau-
zwecke eignet. Der Landwirt wählt dabei mit Sorgfalt den idealen Anbauzeitpunkt, der je nach Witterung zwischen Ende Februar und Anfang April liegt, und überlässt auch bei der richtigen Sortenwahl nichts dem Zufall. Zur Verwendung als Braugerste eignen sich nur speziell für diesen Zweck gezüchtete Braugerstesorten.  

Der Klimawandel bringt die Sommerbraugerste jedoch zusehends in Bedrängnis. Mit steigenden Temperaturen und zunehmender Frühjahrstrockenheit fallen die Erträge und die Proteinwerte steigen in ein für Bierbrauer unbrauchbares Maß. Passen die Qualitäten nicht, bleibt dem Landwirt nur die Vermarktung als Futtergerste. 

Winterbraugerste als Alternative

Winterbraugerste hat gegenüber Sommerbraugerste einen entscheidenden Vorteil: Während die Sommerbraugerste zu keimen beginnt, hat die im Herbst gesäte Winterbraugerste die feuchten Monate der kalten Jahreszeit bereits bestens genutzt, um kräftige Wurzeln und dichte Bestände zu entwickeln. Damit ist sie weniger empfindlich gegenüber Trockenheit und dem Klimawandel. Bei Sommer- als auch bei Wintergerste sind die kommenden Wochen und Monate für den Landwirt entscheidend, in denen er mit viel Fachwissen und kulturangepasster Bestandsführung Erntemenge und -qualität absichern kann. 

Jahrelang arbeiteten Züchter daran, die Wintergerste braufähig zu machen, indem sie optimale agronomische Eigenschaften mit hervorragenden Korn- und Brauqualitäten bei guten Erträgen verbanden. In den wichtigsten Brau- und Mälzungseigenschaften wie Extrakt und Würzfarbe ist die Winterbraugerste auf dem geforderten Niveau bereits angekommen und braucht keinen Vergleich mehr mit bisher favorisierten Sommergerstesorten zu scheuen.  

Derzeit decken heimische Brauereien rund 40 Prozent des Malzbedarfs aus Winterbraugerste – Tendenz steigend. Die frühe Ernte der Winterbraugerste bringt neben zeitiger Rohstoffverfügbarkeit und dem längeren Fenster für die Ernte- und Erfassungslogistik vor allem eine breitere Risikostreuung – sowohl für den Landwirt als auch für die Brauereien. So gilt die Winterbraugerste als Hoffnungsträger, dass es trotz Klimawandel weiterhin ausreichend heimisches Getreide für Bier aus Österreich gibt.

Quelle: Saatbau

Wissenswertes zur Braugerste

  • Der heimischen Brauindustrie stehen 160.000 Tonnen Braugerste der Ernte 2020 zur Verfügung. 
  • Der Anteil der braufähigen Sommerbraugerste wird auf etwa 100.000 Tonnen geschätzt. Deutliche Zuwächse gibt es bei
    der Winterbraugerste.
  • Wichtiges Qualitätskriterium für Braugerste ist ein geringer Proteingehalt von maximal
    9,5 bis 11,5 Prozent. 
  • Für 100 Liter Bier braucht man 20 bis 21 Kilo Braugerste.

Charakter, Farbe und Geschmack

Die Liste der Zutaten für gutes Bier ist kurz: Wasser, Hopfen, Hefe und Gerste, aus der Malz gewonnen wird. Malz bestimmt Charakter, Farbe, Kraft und Geschmack des Bieres. Der Mälzungs-prozess beginnt mit dem Einweichen der Gerste, um die angestrebten biologischen und biochemischen Reaktionen einzuleiten. 

In einem weiteren Schritt, der Keimung, werden Enzyme gebildet, welche die im Korn enthaltene Stärke in Malzzucker verwandeln. Die Intensität dieser Abbauvorgänge bestimmt sowohl die Qualität des Malzes als auch die Qualität der daraus hergestellten Biere. 

Beim anschließenden Darren werden durch Hitzeeinwirkung die biochemischen Umsetzungen des keimenden Getreides gestoppt und in einen lagerfesten Zustand, dem Fertigprodukt „Malz“, überführt. Unterschiedliche Darrtemperaturen lassen helles und dunkles Malz entstehen. Dies bestimmt auch den Typ der späteren Biere.

Bierland Österreich

  • Österreich ist ein traditionsreiches Bierland. Das Land zählt mehr als 300 Brauereien, deren Sortenreichtum und Geschmacksvielfalt mit mehr als 1000 Biervarianten einzigartig ist.
  • Auf rund 30.000 Einwohner kommt eine Brauerei – damit besitzt Österreich eine der höchsten Brauereidichten weltweit.
  • Der Selbstversorgungsgrad mit Bier beträgt in Österreich 104 Prozent.
  • 2018 betrug der Gesamtausstoß an Bier in Österreich 9.826.497 Hektoliter. Das sind beinahe zwei Milliarden Krügerl Bier.
  • Durchschnittlich trinkt jeder Österreicher im Jahr rund 104 Liter Bier. Dies bedeutet im weltweiten Vergleich Platz zwei hinter Tschechien.
  • Die beliebteste Biersorte der Österreicher ist mit circa 65 Prozent das Lager- bzw. Märzenbier.
  • In Österreich gilt das Reinheitsgebot nicht. Was genau im Bier sein darf, ist jedoch im Österreichischen Lebensmittelbuch streng geregelt.
  • Ob Helles, Dunkel- oder Schwarzbier: Österreichs Landwirte stehen am Beginn der Wertschöpfungskette. Sie produzieren hochwertige Rohstoffe für heimische Brauereien. Neben feinstem Hopfen ist dies überwiegend zweizeilige Sommerbraugerste.

Historisches

Vergorener Brotteig soll vor rund 6000 Jahren in Mesopotamien den Ursprung des ersten „Bieres“ markieren. Alle frühgeschichtlichen Hochkulturen entwickelten die Braukunst weiter. 

Die Geschichte des Bieres wesentlich geprägt hat die Braukunst der Mönche im frühen Mittelalter. Sie waren es auch, die dem Bier neben Wasser und Malz erstmals Hopfen als Würz- und Haltbarkeitsmittel zusetzten. 

Um eine einheitlich hohe Qualität sicherzustellen, erließ der bayrische Herzog Wilhelm IV ein Gebot, dass zur Herstellung von Bier einzig und alleine Gerstenmalz, Hopfen und Wasser zu verwenden
seien – das Reinheitsgebot von 1516, das bis zum heutigen Tag gültig ist. 

Wie der Brauprozess funktioniert erfahren Sie im Beitrag „Von der Gerste zum Bier“.

Bildquellen

  • Bierbrauen: STOCK.ADOBE.COM - Erica Guilane-Nachez
  • Biertrinker: RIDO - STOCK.ADOBE.COM