Glücksbringer im Essen?
ERNÄHRUNG. Menschliche Emotionen sind Resultat eines komplexen Zusammenspiels von Nerven, Hormonen und Botenstoffen. Die Bausteine hierfür werden vielfach über die Nahrung zugeführt. Die menschliche Glückszentrale mit Lebensmitteln anzuheizen ist aber gar nicht so leicht.
Der menschliche Körper ist ein komplexer Organismus, in dem kleinste Stoffe große Bedeutung haben. Serotonin ist einer davon. Im Volksmund wird er wegen seiner positiven Wirkung auf die Emotionen auch gerne als Glückshormon bezeichnet. Tatsächlich fungiert die wenige Nanometer große Substanz in der menschlichen Glückszentrale, dem Gehirn, aber als Neurotransmitter. Was das ist, erklärt Katharina Glück, Leiterin der Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am Klinikum Wels-Grieskirchen: „Ein Neurotransmitter ist ein Botenstoff, der Informationen in unserem Nervensystem von einer Nervenzelle zur nächsten weiterträgt. In dieser Funktion beeinflusst Serotonin Körpertemperatur, Appetit, Schmerzempfinden, Emotionen und Antrieb.“ Neben Serotonin kennt die Wissenschaft mehr als 100 andere Botenstoffe. Vermutlich gibt es aber Tausende davon. Ohne diese körpereigenen Boten könnten die Nerven nicht kommunizieren und der Mensch nicht denken, fühlen oder sich bewegen. Da jeder Transmitter eine spezifische Funktion hat, funktionieren sie nur im abgestimmten Zusammenspiel perfekt. Folglich ist es wichtig die Botenstoffe im Gleichgewicht zu halten. Stress, ungesunde Ernährung und wenig Schlaf bewirken jedoch Gegenteiliges und bringen den Transmitterhaushalt gehörig durcheinander. Müdigkeit, Leistungsschwäche, Antriebslosigkeit und Depressionen können die Folge sein.
Serotoninspiegel durch Lebensmittel erhöhen
Studien besagen, dass Menschen mit Depressionen einen im Mittel um 50 Prozent erniedrigten Serotonin-Spiegel haben. Um die Laune hoch und den Frustrationsball flach zuhalten, liest man daher oft die Empfehlung, Lebensmittel wie Bananen, Schokolade oder Walnüsse zu essen. Gute Idee, aber nicht zielführend. „Solche Lebensmittel können zwar den peripheren Serotoninspiegel beeinflussen. Der Serotoningehalt im Blut hängt aber nicht mit der Serotoninaktivität im Gehirn zusammen“, erklärt Glück. Schuld daran sei die Blut-Hirn-Schranke, ein besonderer Schutzmechanismus des Gehirns, bei dem das Blut gefiltert wird und nur wenige Substanzen durchgelassen werden. Auch das Serotonin aus der Nahrung wird durch diese Barriere am Passieren gehindert, sodass es nicht dorthin gelangen kann, wo es gebraucht wird und glücklich machen kann – ins Gehirn. Im „Zentrum unseres Denkens und Fühlens“ kann folglich nur jenes Serotonin wirken, dass das Gehirn selbst produziert. Bei der Synthese kann die Ernährung aber unterstützend wirken.
Aminosäure Tryptophan: Baustein zum Glück
Ausgangsstoff für den Glücksbringer Serotonin ist die essenzielle Aminosäure Tryptophan, welche über die Nahrung aufgenommen werden muss. Nur wenn ausreichend davon vorliegt, kann das Gehirn die optimale Menge des Neurotransmitters Serotonin herstellen. Von der Einnahme Tryptophans ist die Expertin aber wenig überzeugt. „In Studien haben Einzelsubstanzen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, ausgenommen Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren, zu keiner Verbesserung von depressiven Symptomen geführt. Eine gesunde, mediterrane Mischkost dagegen schon.“ Letztere zeichnet sich durch eine hohe Aufnahme von Gemüse, Obst, Früchten, Nüssen, Hülsenfrüchten, Vollkorn, Getreide, Fisch und ungesättigten Fettsäuren aus. Auch ausreichend Tryptophan wird durch diese Ernährungsform zugeführt.
Positive Wirkung hat auch körperliche Betätigung. „Dabei fällt Tryptophan in größerer Menge als Abbauprodukt an und steht zur Synthese von Serotonin zur Verfügung. Dies dürfte einer der Mechanismen der antidepressiven Wirksamkeit von körperlicher Bewegung und Sport sein“, erläutert Glück. Aber auch Sport und eine ausgewogene Ernährung sind noch keine Garantie für gute Laune. Aus dem Rohstoff Tryptophan müssen die Hirnzellen schließlich erst das Serotonin bilden. Das braucht seine Zeit und wird von Faktoren wie Tageszeit und Hormonen beeinflusst.
Nachteilig wirkt sich etwa ständiger Stress aus, weil dabei viel Cortisol und Noradrenalin produziert wird. „Beides sind lebenswichtige Hormone, die es uns ermöglichen, herausfordernde Situationen gut zu bewältigen. Chronischer Stress jedoch führt zu einem Mangel beider Substanzen und damit zu Symptomen einer Depression“, gibt die Psychiaterin zu bedenken. Damit steht fest: Für dauerhaft gute Laune reicht es nicht gewisse Lebensmittel zu essen. Auch die Lebensführung spielt eine prägnante Rolle. Um gut durch schwierige Phasen zu kommen, lohnt es sich daher folgende Tipps zu beachten:
- einen stabilen Nacht-Tag-Rhythmus einhalten
- frisch gekochte, an der mediterranen Mischkost orientierte Mahlzeiten zu sich nehmen
- körperliche Bewegung in der Natur so oft und lange wie möglich
- viel Sonne tanken (gerade jetzt im Frühjahr)
- Hobbys und soziale Kontakt pflegen, auf die eigenen Bedürfnisse schauen
Kleine Sünden mit belohnender Wirkung
Zumindest für kurze Zeit gibt es aber Leckereien, die erwiesenermaßen die Stimmung aufhellen. Ihr Geheimrezept: Sie sind reich an Kohlenhydraten oder Fetten. Dadurch wird ein spezielles Areal im Gehirn, das Belohnungszentrum aktiviert. Kommen Kohlenhydrate und Fett in einem Lebensmittel geballt vor, wird der Effekt sogar noch verstärkt.
In der Evolution hat dieser Mechanismus das Überleben der Menschen gesichert – heute wird er oft zum Problem. Denn der Belohnungsreiz überlagert nicht selten das Sättigungsgefühl. Übergewicht kann die Folge sein. Es spricht aber nichts dagegen, sich ab und zu eine kleine Sünde zu genehmigen. Ob der Griff nun auf süße, saure oder pikante Knabbereien fällt, ist letztlich von individuellen Vorlieben abhängig. Das eine Lebensmittel, das jeden glücklich macht, gibt es nämlich nicht.
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