Nur er dreht an der Turmuhr
HANDWERK. Oberösterreichs einziger Uhrmacher, der sich auf Turmuhren und Glockensteuerungen spezialisiert hat, ist Günther Köstner aus Engelhartszell.
Wenn die Uhr auf dem Kirchturm stehengeblieben ist oder eine falsche Zeit anzeigt, dann ist für viele Menschen Feuer am Dach – und das Telefon im Pfarramt läuft heiß. Oder eine Kirchenglocke funktioniert plötzlich nicht mehr: „Das ist für viele Leute so dramatisch, dass ich sogar am Sonntag in der Früh angerufen werde“, sagt Günther Köstner. Nicht ohne Grund: Köstner ist der einzige Uhrmacher im Land, der sich auf Turmuhren und Glockensteuerungen spezialisiert hat – der 46-jährige Innviertler ist also der Experte auf diesem Gebiet und rasch imstande, solche Probleme zu beheben.
In dritter Generation am Turm
„Schon mein Großvater hat damit begonnen, als gelernter Uhrmacher auch Kirchturmuhren herzurichten. Mein Vater hat das weitergeführt und schließlich habe auch ich dieses Geschäft übernommen“, sagt der Engelhartszeller. Er hat in Karlstein an der Thaya (NÖ) die Uhrmacher-Fachschule absolviert und ist mittlerweile weitum bekannt für seine Expertise. Nachdem in den 1970er-Jahren viele Turmuhren modernisiert und elektronische Steuerungen eingebaut worden sind, sind es heute die historischen, mechanischen Uhrwerke, die Köstners Herz höher schlagen lassen, wenn sie revitalisiert werden. Er arbeitet – als Einziger in Österreich – mit einem in Belgien entwickelten Reguliersystem, das ein Uhrwerk nicht nur aufzieht, sondern auch die Zeit automatisch einstellt. Die Mechanik eines Turmuhrwerks wird schließlich von vielen Faktoren wie zum Beispiel auch Temperatur und Witterung beeinflusst. „Früher gab es Leute, die 40 Jahre lang täglich das Werk wieder aufgezogen haben. Das will heute niemand mehr tun“, sagt Köstner. Turmuhren werden heute zum überwiegenden Teil elektromechanisch gesteuert. Allmählich erwache das Interesse an alten, rein mechanischen Uhrwerken jedoch wieder. Das von Köstner verwendete System – er hat sich dafür eigens in Belgien ausbilden lassen – wird am alten Uhrwerk angebaut, ohne die historische Substanz zu verändern. „Kein Bohrloch, keine Schraube“, bestätigt Köstner.
Er ist im ganzen Bundesland und auch darüber hinaus unterwegs, um Uhren auf Kirchtürmen, aber auch solchen auf Rathäusern oder Bahnhöfen wieder auf die Sprünge zu helfen. Eigene Wartungsverträge hat sein Unternehmen mit 225 Kirchen, in denen er auch die Glockensteuerungen serviciert. Wo es öfter etwas zu reparieren gibt – an der Uhr oder an den Glocken? „An den Glocken. Weil es in jeder Kirche drei bis fünf Glocken gibt, aber nur eine Uhr“, schmunzelt der Innviertler. Bei der Glockensteuerung geht es auch darum, das Schwingen der Glocken möglichst so einzustellen, dass es wie von Hand geläutet klingt.
Einblicke in historische Anlagen
Köstners Arbeit bringt nicht nur handwerkliche Abwechslung mit sich, sondern ist zum Teil auch eine körperliche Herausforderung: „Ich klettere extrem viel im Inneren der Glockentürme herum, oft auf den abenteuerlichsten Holztreppen und in ziemlichen Höhen“, sagt Köstner. Im Außenbereich macht er das jedoch nicht. „Dafür gibt es eigene Turmkletterer“, wehrt er ab. Was ist also das Schönste an seinem Beruf? „Ich komme sehr viel herum und in viele historische Gebäude und Anlagen. Die Glockenstühle können bis zu 400 Jahre alt sein“, sagt Köstner. Oft sei vor ihm jahrelang niemand den Turm hinaufgestiegen, wenn er mit seinem Werkzeugkoffer anrückt und sich an die Arbeit macht – damit alle Menschen in Hör- und Sichtweite von Glocke und Turmuhr wieder beruhigt sein können.
Handwerkspreis
Die historische Turmuhr aus Gusseisen im sogenannten „Burschentrakt“ des Pferdezentrums Stadl-Paura hat Günther Köstner 2017 Rang drei beim OÖ Handwerkspreis eingebracht. Er hat jedes einzelne der ca. 150 Teile in Handarbeit restauriert, wieder zusammengebaut und dabei gleichzeitig automatisiert. Die Uhr läuft nun autonom und rein mechanisch wie bereits im Jahre 1899.
Bildquellen
- Uhr: Cacha/Lustaufsland