Lebensmittel & Ernährung

Protein in aller Munde

Die Extradosis Eiweiß: Was einst nur Bodybuilder interessiert hat, wollen Werbung und Marketing heute
der Allgemeinheit schmackhaft machen.  

Zwei Wörter sind es, die seit garaumer Zeit als Verkaufsargument ihre Wirkung tun: High Protein. Der Zusatz ist auf den unterschiedlichsten Produkten im Supermarkt zu finden, vom Pudding bis zum Müsli, vom Brot bis hin zu Chips und Eis. Gemeint ist damit ein hoher Proteingehalt, also Eiweißanteil. Und das wiederum soll Fitness und Gesundheit suggerieren. Die Extraportion Eiweiß soll schließlich nicht nur dem raschen Muskelaufbau dienen, sondern auch beim einfachen und schnellen Abnehmen helfen, so die populäre Meinung. Letzteres lässt die Ernährungsexpertin Angelika Kirchmaier nicht gelten. „Wer abnehmen will, braucht nur eine gute Eiweißkombi, nicht eine große Menge“, so Kirchmaier in ihrem Buch „Ernährung und Sport“ (Verlag Tyrolia). Kurzfristig möge der rasche Gewichtsverlust mit viel Eiweiß zwar gelingen, „aber langfristig rutscht man damit in den Jo-Jo-Effekt.“ Konsumiert man dauerhaft zu viel Eiweiß, etwa in Form von Proteinshakes, steige sogar das Risiko, dass der Körper das Eiweiß in Fett umwandelt, rapide an. 

Kontinuierlich Eiweißaufnahme

Protein, umgangssprachlich auch als Eiweiß bezeichnet, ist ein lebensnotwendiger Nährstoff, der wichtige Funktionen im Körper erfüllt. Proteine zählen neben Kohlenhydraten und Fetten zu den drei Grundbausteinen der menschlichen Ernährung, den sogenannten Makronährstoffen. Jedes Protein ist aus verschiedenen Bausteinen, sogenannten Aminosäuren, aufgebaut.

Auch wenn Proteine die wichtigsten Baustoffe für die Muskulatur sind: Eine hohe Eiweißzufuhr alleine bewirkt keinen Muskelzuwachs. „Der Körper kann Eiweiß nur dort hinbringen, wo vorher ein Reiz stattgefunden hat“, sagt der Ernährungswissenschafter und Personal Trainer Christian Putscher. Es brauche also ein gewisses Muskeltraining, um die Umbauprozesse im Körper zu starten. Diese dauern dann auch an tagelang. Aber auch Knochen, Bindegewebe und Knorpeln, Haut, Haare und Nägel brauchen Proteine, um hergestellt, erhalten und repariert zu werden. Darüber hinaus sind sie Transportmittel diverser Stoffe wie zum Beispiel Eisen und zur Abwehr von Krankheitserregern nötig. „Wichtig ist vor allem, dass der Körper laufend mit Eiweiß versorgt wird. Das heißt sieben Tage die Woche über mindestens drei Mahlzeiten hinweg“, sagt Putscher, der das auf bestimmte Zeitfenster begrenzte Essen beim populären Intervallfasten als „Katastrophe für Junge, Aktive und Ältere“ bezeichnet. Das Fatale daran: Die Folgen, zum Beispiel für die Knochengesundheit, seien nicht sofort spürbar, sondern würden sich erst nach Jahren äußern.

Es geht nur darum, verschiedene Eiweißquellen zu mixen. Da sind wir dann wieder bei der traditionellen Hausmannskost.

Christian Putscher 

Auf die Kombi kommt es an

Je mehr ein Eiweiß den menschlichen Proteinen ähnelt, desto besser kann es in körpereigene Proteine umgebaut werden.  Die Wissenschaft spricht von biologischer Wertigkeit. Als Maßstab gilt dabei das Protein von Hühnereiern (welches mit einem Wert von 100 beziffert wird), weil darin alle essen-
ziellen Aminosäuren in einem optimalen Verhältnis vorkommen. „Dies ist aber ein Theoriewert. Im Körper zählt die biologische Verfügbarkeit, wie viel davon ins Blut kommt, nicht was im Labor gemessen wird“, betont Christian Putscher. Was kompliziert klingt, ist jedoch ganz einfach: Es geht lediglich darum, verschiedene Eiweiße zu mixen. Wer Getreide, Kartoffeln oder Hülsenfrüchte mit Ei, Milch, Fleisch oder Fisch kombiniert, ist schon auf der sicheren Seite. „Da sind wir schon bei der traditionellen Hausmannskost“, sagt Putscher und nennt Kartoffelpüree oder Palatschinken als Beispiele. „Oder das Grießkoch mit Milch, das ist wie ein Eiweißshake.“ Apropos Eiweißshake: Derartige Ersatzprodukte sind für den Experten nicht viel mehr als „Geschäftemacherei“. Was in punkto Ernährung generell gilt: Es kommt immer auf die Menge und Häufigkeit des Verzehrs an. 

Neue „grüne“ Rezept-Ideen

Wer vermehrt pflanzliches Protein in seine Ernährung integrieren möchte, wird in dem Mitte Oktober erscheinenden Buch von Ulrika Zika „Das Green Protein Kochbuch“ (siehe Buchtipp) jede Menge Informationen und Rezepte finden. Eiweiß-Shakes, Proteinriegel oder andere hochverarbeitete Produkte sind auch aus ihrer Sicht nicht das, was eine gute und gesunde Ernährung ausmacht. Viel mehr sollte man ursprüngliche Lebensmittel im Visier haben, auf eine hohe Qualität der Grundzutaten achten und selber kochen. Wichtig ist ihr, dass die Gerichte auch schmecken. „Sonst isst man sie nicht dauerhaft. Genuss und ein achtsamer Umgang mit sich selbst sind für mich unerlässlich“, so die Ernährungsberaterin.     

Aufpassen heißt es für alle, die auf vegane Fleischersatzprodukte als Proteinquelle setzen, egal ob Veggie-Wurst, -Salami oder -Hühnerfilet: „In diesen ist zwar die Menge an gesättigten Fettsäuren meist geringer als in den Fleischprodukten, dafür ist die Zutatenliste umso länger und der Salzgehalt umso höher“, sagt Diätologin Alexandra Feilmayr vom Neuromed Campus am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Ein Blick auf die Zutatenliste und Nährwerte, vor allem Fett, Zucker und Salz, sei zu empfehlen. „Aus ernährungstherapeutischer Sicht ist es durchaus zu empfehlen, eine Vielzahl an unterschiedlichen Proteinquellen in die tägliche Ernährung einzubauen“, so Feilmayr. 

Möglicher Mangel im Alter 

Wer sich ausgewogen ernährt, läuft keine Gefahr, einen Eiweißmangel zu erleiden. Davon ausgenommen sind ältere Menschen: Wenig Bewegung und wenig Appetit setzen die Kette in Gang, auch die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Darm verliert an Effektivität. Der Körper holt sich die fehlenden Aminosäuren dann aus der Muskulatur, es kommt zum Muskelabbau. 

Buchtipp

Im Buch „Das Green Protein Kochbuch“ von Ulrike Zika finden sich mehr als 50 vegetarische und vegane Rezepte, mit denen sich der tägliche Eiweißbedarf auf geschmackvolle Weise und ohne hochverarbeitete Ersatzprodukte und Pülverchen decken lässt. Das Buch erscheint am 14. Oktober 2024 im Kneipp Verlag und wird unter ISBN 978-3-7088-0856-7 im Buchhandel zum Preis von 22 Euro erhältlich sein. 

Eiweissquellen

Die bekanntesten Proteinlieferanten sind Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte. Zu den pflanzlichen Proteinquellen zählen Hülsenfrüchte wie beispielsweise Linsen, Bohnen, Kichererbsen oder Sojabohnen und daraus gewonnene Produkte (Tofu, Tempeh).  Aber auch Kartoffeln, Getreide und die sogenannten „Pseudogetreide“ wie Quinoa, Amaranth oder Buchweizen enthalten viel Eiweiß. 

Bildquellen

  • Legumes bean seed in sack, top view: LustaufsLand
  • 1000_F_363979310_w77kci1p9ZBwHLtdV6g5Hlgg4FL98yNu: airborne77 - stock.adobe.com