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Essen für das Gehirn

ERNÄHRUNG. Lebensmittel nehmen nicht nur Einfluss auf die körperliche Gesundheit, sondern auch auf geistige Fähigkeiten sowie die Psyche des Menschen.

Das Gehirn ist das Kapital des Menschen“, sagt die Neurowissenschafterin Manuela Macedonia. Sie erforscht das überaus komplexe System seit vielen Jahren und verfolgt ein Ziel mit besonders viel Herzblut: nämlich interessierten Laien Wissen aus der Gehirnforschung näher zu bringen. Wie funktioniert das Gehirn? Wie wirken sich die Vorgänge im Kopf auf das tägliche Leben aus? Durch ihre Bücher und Vorträge will sie möglichst viele Menschen dazu anregen, ihr Gehirn zu pflegen.

„Es ist nicht egal, was wir Essen. Mit jedem Bissen und mit jedem Griff beim Lebensmitteleinkauf entscheiden wir über ökologische, ökonomische und soziale Rahmenbedingungen“, sagt Agrarlandesrat Max Hiegelsberger. Er ist auch Obmann des Ökosozialen Forums Oberösterreich, auf dessen Einladung Macedonia kürzlich im Paneum in St. Florian über die Auswirkungen des Essens auf das menschliche Gehirn referierte – und damit der Lebensmittel-Auswahl eine weitere Dimension verlieh. „Iss dich klug“ lautet auch der Titel ihres jüngsten Buches. 

Ökosoziales Forum
Ökologie, Ökonomie und Soziales – das sind die Grundpfeiler der Ökosozialen Marktwirtschaft. Für die Umsetzung derselben setzt sich das Ökosoziale Forum als überparteiliche Plattform ein. Info: www.oekosozial.at/oberoesterreich

Dass es sich zu jedem Zeitpunkt lohnt, eine gute Wahl zu treffen, stellte sie gleich zu Beginn klar: Denn schon im Mutterleib werden die Weichen gestellt, der Einfluss der Ernährung auf das Gehirn hält dann bis ins hohe Lebensalter an. „An der Oberfläche des Gehirns befinden sich Milliarden Neuronen, die einander vernetzen wollen. Das versuchen sie ein ganzes Leben lang, wobei es in der Kindheit am besten funktioniert“, so Macedonia. So wie das Gehirn von hochwertiger Nahrung profitiert, so wird es durch schlechte Ernährung auch geschädigt und daran gehindert, sein Potenzial auszuschöpfen. „Was wir essen, ist also tatsächlich, was wir sind“, sagt die Forscherin. 

Alarm durch Pommes, Chips & Co 

Wer ein fittes Hirn haben möchte, sollte sich vor „Industriefetten“ besonders in Acht nehmen. Gemeint sind Fette, die in industriell erzeugten Lebensmitteln zu finden sind und durch ihre freien Fettsäuren auch als ungesund bekannt sind. Enthalten sind sie im sogenannten „Junkfood“ (schnelles, kalorienreiches Essen, geprägt von minderwertigen Zutaten und geringen Nährwerten) und in Fertiggerichten. Einst als „amerikanisch“ verschriene Gewohnheiten seien auch hierzulande häufig wiederzufinden, merkt Macedonia an. Viel Fett, viel Zucker und viele Zusatzstoffe sind längst „westlich“ – und alles andere als gesund. 

„Freie Fettsäuren reichern sich im Blut an und lagern sich in den Gefäßen ab. Das ist der Anfang vieler Demenzarten“, sagt die Wissenschafterin. Ebenso verursachen sie den Zellen oxidativen Stress. „Denn je nachdem, was die Zelle verstoffwechselt, kann sie auch Schaden daran nehmen“, erklärt Macedonia. So entstehen mit der Zeit diffuse Entzündungen im Körper und im Gehirn. Man bemerkt sie zwar nicht, sie verursachen dennoch Gewebeschäden. Als Wächter des Immunsystems wird etwa der „Toll-Like-Rezeptor 4“ schon aktiv, sobald Pommes, Chips & Co verspeist werden. „Geschieht das häufig, ist auch das Immunsystem ständig gefordert und kann schon müde sein, wenn tatsächlich eine Bedrohung von außen kommt“, sagt Macedonia. Ebenso mit schlechtem Essen überfordert werden können die „Mikroglia“, eine Art Zellen, die Macedonia mit den Putzerfischen im Aquarium vergleicht.

Freie Fettsäuren wirken sich in allen Lebenslagen aus – auch schon im Mutterleib, wo sie über die Plazenta in das Gehirn des Embryos gelangen und dort Baupläne beeinflussen können. „Solche Kinder essen dann beispielsweise mehr über den eigenen Hunger hinaus, weil ihre Andockstellen für den Glücksbotenstoff Dopamin abgebaut worden sind“, erläutert die Forscherin. Apropos Dopamin: Damit funktioniert das Belohnungssystem, mit dem die Evolution den Menschen ausgestattet hat. „Essen belohnt uns, daher denken wir gerne daran und essen gerne“, so Macedonia. 

Es gibt aber auch „gute“ Fette. Diese enthalten Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren (zum Beispiel in Leinöl, Nüssen, Fischen). Macedonia empfiehlt, die Dinge zu essen, wie sie sind: „Also den Fisch oder das Öl und nicht das jeweilige Nahrungsergänzungsmittel. Denn gewisse Bestandteile lassen sich isoliert nicht so gut aufnehmen.“ 

Im Lot mit Milchsäurebakterien 

Für die „Darm-Hirn-Achse“ – diese ist noch nicht allzu lange bekannt – seien die in Milchprodukten enthaltenen Milchsäurebakterien wichtig. Sie regen im Darm die Produktion von Serotonin an, dem Botenstoff der Ausgeglichenheit. Daher sind sie auch wichtig für die Psyche. „Serotonin wird auch im Gehirn ausgeschüttet, die größere Menge wird aber im Darm gebaut“, erläutert Macedonia. Allerdings nur, wenn sich dort genügend dieser Bakterien befinden. Das Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm, beeinflusst das Gedächtnis ebenso. Gut gefüttert wird es durch Ballaststoffe – etwa aus Gemüse, womit sich der Kreis in Richtung frisch und gesund für das Gehirn wieder schließt. 

Interview: Die Expertin gibt Antworten

Manuela Macedonia forscht und lehrt an der Universität Linz und am Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften in Leipzig (D). 

Sie tut es nicht für die Figur, sondern für das Gehirn: Das sagt Manuela Macedonia sowohl beim Thema Bewegung als auch bei
der Ernährung. Worauf man beim Essen achten sollte: 

Lust aufs Land: Welche Ernährung schadet dem Gehirn?

MACEDONIA: „Industriell erzeugte Lebensmittel, die minderwertige Zutaten enthalten, konserviert sind und mit vielen Zusätzen optimiert werden, zum Beispiel Geschmacksstoffe und Emulgatoren. Dazu gehören Junkfood wie etwa Burger, Tiefkühl-Gerichte oder Fertigessen in Dosen. In diesen Lebensmitteln sind unter anderem Transfette enthalten, die Entzündungen im Körper und damit auch im Gehirn verursachen. Und auch Zucker, der eine ganze Reihe von Erkrankungen verursachen kann.“ 

Was sollte man also essen?

„Hochwertige, frisch zubereitete Speisen mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten und hochwertigen Fetten wie zum Beispiel Olivenöl oder Leinöl. Diese enthalten entzündungshemmende Polyphenole und Omega-3-Fettsäuren.“

Wie „leidet“ das Gehirn, gibt es Warnsignale?

„Ja, vielleicht fällt es einem nicht sofort auf, aber die geistige Leistung hängt tatsächlich von der Ernährung ab. Kinder sind mit der richtigen Ernährung besser in der Schule, weil ihr Gedächtnis leistungsfähiger ist. Erwachsene und alternde Menschen verzögern das Einsetzen von Vergesslichkeit, indem sie zu gesunden Lebensmitteln greifen.“

Wie kann man Menschen dazu motivieren, sich um ihr Gehirn zu kümmern?

„Ich esse nicht für meine Figur, ich esse für mein Gehirn – so lautet mein Motto. Gelüste auf Ungesundes kenne ich auch, aber wenn ich weiß, was schlechte Ernährung dem Gehirn antut, kann ich mich zurückhalten. Es liegt in unserer Hand.“

Bildquellen

  • Ernährungsexpertin Macedonia: Kneidinger Photography
  • Ernährung: AdobeStock Wayhome Studio, Studio mars, anaumenko, photocrew, Liliya Trott, pilipphoto