Unser täglich Brot
GENAU GESCHAUT. Österreicher sind Brotesser. Aber was genau ist eigentlich Schwarzbrot, wie wird es hergestellt und wo gibt es Unterschiede? Eine Spurensuche samt Ergebnis der „Kosterei“.
Was für Italiener die Pasta und für Asiaten der Reis ist, ist für die Österreicher das Brot – ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Es hat hierzulande schon immer eine besondere Rolle eingenommen und steht als Synonym für Nahrung. Nicht umsonst findet es sogar im Vaterunser Erwähnung. Schon seit Urzeiten haben Weizen, Roggen, Hirse, Hafer und Gerste die Menschheit ernährt.
Schwarzbrot ist nicht im Lebensmittelcodex definiert
Österreich ist bekannt für seine Brotvielfalt. In kaum einem anderen Land sind die Auswahl und das Sortiment so groß. Deshalb lohnt es sich hier auch etwas genauer hinzusehen. Ob zum Frühstück, Mittag- und Abendessen oder als Zwischenmahlzeit: Brot ist ein wahrer Allrounder. Es schmeckt, macht satt und lässt sich sowohl mit Süßem als auch mit Saurem kombinieren. „Brot hat seine Wurzeln bei den Bauern auf den Höfen und ist ein Kulturgut“, erklärt Reinhard Honeder, Branchensprecher der oberösterreichischen Handwerksbäcker. Eine Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstitutes ‚marketagent‘ ergab, dass sieben von zehn Österreichern mindestens einmal pro Tag Brot oder Gebäck essen. Bevorzugt wird vor allem Schwarzbrot. Ein Begriff, der so eigentlich gar nicht definiert ist, in Österreich aber umgangssprachlich für Mischbrot verwendet wird. Laut Lebensmittelcodex darf Roggenmischbrot als solches bezeichnet werden, wenn es mehr als zehn Prozent, jedoch weniger als die Hälfte an Weizenmehl enthält. Beim Weizenmischbrot verhält es sich genau umgekehrt. Im Lebensmittelbuch verankert ist auch das reine Roggenbrot. Es wird aus Roggenmahl- und -schälprodukten verschiedener Typen hergestellt. Ein Zusatz von Weizenmehl bis zu zehn Prozent ist zulässig.
Das steckt drin im Brot
Für Brot braucht es prinzipiell nur wenige Grundzutaten: Mehl, Wasser, Salz, Gewürze – traditionsgemäß ist Sauerteig hier die Grundlage für qualitativ hochwertiges Brot. Er verleiht Schwarzbrot den charakteristischen Geschmack und dient zur Lockerung des Teiges. „Der Sauerteig ist das Leben von jedem Brot“, so Honeder. Als Alternative können auch Teigsäuerungsmittel wie beispielsweise Zitronen- oder Milchsäure verwendet werden. Diese sind jedoch deklarationspflichtig, da es sich um sogenannte Lebensmittelzusatzstoffe handelt. „Circa 320 solcher Zusatzstoffe sind in der EU zugelassen, davon wird aber nur eine Handvoll beim Brot genutzt“, erklärt Erwin Heftberger, Lehrer an der HTL für Lebensmitteltechnologie, die Meisterschule für Müller, Bäcker und Konditoren. Anders ist die Situation bei sogenannten Verarbeitungshilfsstoffen. Diese sind – mit Ausnahme der Allergene – nicht zu deklarieren, da sie nicht im Endprodukt verbleiben. Das betrifft beispielsweise Enzyme, die beim Backprozess durch die Hitze denaturieren und deshalb nicht mehr aktiv sind.
Gutes Brot braucht Sauerteig und Zeit
„Für gutes Brot braucht es vor allem eines, nämlich Zeit“, weiß der Bäckermeister. Bei der Zeit als Zutat gibt es einen bedeutsamen Unterschied für den menschlichen Körper. Katrin Fischer, Ernährungswissenschafterin der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, erklärt warum: „Die Fermentierung durch den Sauerteig hat eine Auswirkung auf die enthaltenen Inhaltsstoffe. Getreide enthält Abwehrstoffe, die als sekundäre Pflanzenstoffe bekannt sind, sogenannte Antinutriva, um die Körner vor Schädlingen zu schützen. Für den Menschen sind diese eher unbekömmlich. Beim traditionellen Brotbacken mit natürlichem Sauerteig kommt es mit- hilfe von Bakterien zur Zersetzung dieser Stoffe.“ Durch die Fermentationsprozesse können Mineralstoffe wie Eisen, Zink, Magnesium sowie Vitamine besser vom Körper aufgenommen werden. Zudem werden durch Sauerteigführung spezielle Kohlenhydrate, die im Getreide enthalten sind, ebenso abgebaut. Das zusammen führt zu einer besseren Verträglichkeit im Darmtrakt. Die Ernährungswissenschafterin empfiehlt daher Brot entweder selber zu backen oder direkt beim Bauern oder Bäcker zu kaufen.
„Kneten, ruhen, wiegen, schlagen, einschießen“
„Roggenmischbrot ist von der Verarbeitung am einfachsten, weil der Weizenanteil dem Teig mehr Struktur verleiht“, weiß Heftberger. Bei der Herstellung werden alle Zutaten vermengt, geknetet und circa zehn Minuten gemischt. Als klassische Brotgewürze werden in Oberösterreich Anis, Fenchel, Koriander und Kümmel beigement. „Jeder Bäcker hat hier aber seine eigene Rezeptur, die oftmals über Generationen weitergegeben worden ist“, verrät Bäckermeister Honeder. Der Teig rastet dann für circa eine Stunde (Teigruhe), wird dann ausgewogen bzw. portioniert und in die gewünschte Form gebracht. „Wir ‚wirken‘ und ‚schlagen‘ das Brot entweder zu Striezel oder Laib“, erklärt Honeder die Begriffe des Bäckerlateins. Dann kommt das Brot in Körben auf die ‚Gare‘, ehe man es in den vorgeheizten Ofen mit circa 270 Grad Celsius ‚einschießt‘. Dort wird es dann bei knapp 200 Grad gebacken – ein Kilo Brot für mindestens eine Stunde.
Für den Backerfolg ausschlaggebend seien natürlich auch hochwertige Rohstoffe: „Beim Mehl sind wir in Oberösterreich sehr verwöhnt. Die heimischen Landwirte liefern Brotgetreide mit sehr guten Qualitäten an die Mühlen“, so Honeder, der betont, dass die Handwerksbäcker zu 100 Prozent österreichisches Mehl verwenden.
Die vorhin erwähnte Teigruhe sei es, die den größten Unterschied zwischen industriell erzeugtem Brot und handwerklichem Brot vom Bäcker und Bauern ausmache. Durch die längere Teigführung bringe man mehr Aromastoffe ins Brot, werde die Wasseraufnahme erhöht (das Brot bleibt dadurch länger saftig) und werde es auch bekömmlicher: „Schnell verarbeitete Produkte können Unverträglichkeiten auslösen“, so Honeder. Die Herstellung unterscheide sich auch beim verwendeten Ofen. Bäuerliche Direktvermarkter backen ihr Brot großteils im Holzofen, Bäcker im Steinofen und die Industrie verwende vorwiegend Durchlauföfen aus Blech. Trotzdem gibt es laut Auskunft der Lebensmittel-HTL auch industriell hergestellte Ware mit eigener Sauerteigführung, die sehr nahe zum Handwerk kommt. Das bestätigt auch der Branchensprecher der Bäcker. „Man muss neidlos anerkennen, dass die Industrie hier aufgeholt hat und in der Lage ist durchaus auch gutes Brot zu erzeugen. Aber auch wir Bäcker haben nicht geschlafen“, betont Honeder. Sogenannte Backboxen, bei denen Teiglinge im Supermarkt fertiggebacken werden, seien einerseits natürlich eine Konkurrenz für das traditionelle Handwerk, andererseits aber auch eine große Chance. „Es wird wieder über Brot gesprochen und dadurch nimmt die Wertigkeit zu. Die Bäcker besinnen sich wieder auf das Natürliche und das wird vom Kunden auch honoriert“, so der Branchensprecher.
Ernährungsmythen über Brot
In den vergangenen Jahren haben Berichte über zunehmende Weizen- und Glutenunverträglichkeiten viele Konsumenten verunsichert. Fakt ist, dass nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung von der Krankheit Zöliakie betroffen ist. „Für nicht betroffene Allergiker ist der Verzicht auf glutenhaltiges Getreide mehr ein Lifestyle. Glutenfrei ist ein Ernährungstrend, der durch manche Behauptung geschürt wurde“, so Ernährungswissenschafterin Fischer, die mit einem weiteren Ernährungsmythos rund ums Brot aufräumt. So sei es auch falsch, dass frisches Brot Bauchschmerzen verursacht, wenn zu viel davon gegessen wird. Viel eher sei das Sprichwort darauf zurückzuführen, dass man früher in Notzeiten die Kinder davon abhalten wollte, zu viel von dem damals knappen Grundnahrungsmittel auf einmal zu vertilgen. „Frisches Brot ist einfach das beste“, ergänzt Honeder. Zudem sei Brot, wie vielfach behauptet, auch kein Dickmacher. Die Ernährungswissenschafterin bestätigt: „Grundsätzlich kann Brot alleine nicht dick machen. Mengenmäßig sind allerdings die Kohlenhydrate die wichtigste Energiequelle bei der menschlichen Ernährung.“
Wissenswert
Brot wird aus gemahlenem Getreide, Wasser, Salz und einem Triebmittel (Sauerteig oder Backhefe) hergestellt. Dabei kommen unterschiedliche Mehlarten und Auszüge zum Einsatz. So unterscheidet man je nach Mehltype und Beigaben Roggen-, Weizen- und Mischbrote. Das dunkle Äußere des Brotes bezeichnet man als Kruste, das Innere als Krume.
Vollkorn
Entgegen der weitläufigen Meinung ist nicht jedes dunkle oder körnige Brot auch aus Vollkorn. Viele Produkte aus normalem Mehl werden nämlich mit Malzextrakt, Gerstenmalz oder Rübensirup dunkel und mit Sonnenblumenkenen körnig gemacht. Vollkornmehl hat einen Mineralstoffgehalt von ca. 1,8 % und ergibt beim Backen einen eher grau-braunen Farbton. Vollkornbrot ist schwerer als anderes Hefegebäck und auch weniger „luftig“, lässt sich also nicht so leicht eindrücken. Um sicher zu gehen, sollte man die Verpackung lesen. Denn nur wo Vollkorn draufsteht, ist auch Vollkorn drin.
Zahlen und Fakten
- In Österreich gibt es etwa 150 verschiedene Brotsorten.
- Laut Statistik Austria liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an Brot bei 49,7 Kilo pro Jahr.
- Brot lagert man am besten in einem Papiersack unter einem Leinentuch.
- Für ein Bauernbrot mit 1,5 Kilo werden etwa 24.000 Getreidekörner verwendet. Das entspricht einer Fläche von 1,4 Quadratmeter Ackerboden.
- Der unmittelbare Bedarf für Brotgetreide beträgt in Österreich etwa 800.000 Tonnen pro Jahr. Selbst in Jahren mit knappen Ernten ist die Selbstversorgung gesichert.
- Die drei Lieblingsmehlsorten hierzulande sind Roggen-, Weizen- und Dinkelmehl.
- Je niedriger die Typenzahl des Mehls, desto heller ist das Mehl und somit auch das Brot. Type 480 bedeutet 0,48 % Mineralstoffgehalt.
Zum Lust aufs Land Brottest:
Bildquellen
- Brot: flashpics - Adobe.Stock.com