Kinder & Freizeit

Ein Therapeut auf vier Beinen

KINDER – Tiergestützte Therapien werden bei körperlichen und psychischen Störungen angewendet. Kinder profitieren besonders von der Arbeit mit Pferd, Hund & Co. 

Tiere haben eine positive Wirkung auf Menschen. Sie entstressen, regen zu mehr Bewegung an und vermitteln Geborgenheit. Kinder, die mit einem Haustier aufwachsen können, lernen früh, Verantwortung zu übernehmen und andere Lebewesen zu achten. Das stärkt ihr soziales Empfinden und Verhalten. Tiere akzeptieren Menschen ohne Vorurteile und vermitteln so Anerkennung und Wertschätzung. Kein Wunder also, dass sie auch in der Therapie eine Rolle spielen. 

Dreidimensionale Impulse

„Tiere werten nicht“, sagt Karoline Holzleitner aus Scharnstein. Sie ist Hippotherapeutin und als solche eine ausgebildete Physiotherapeutin, die Patienten auf dem Rücken eines Pferdes behandelt. „Die Hippotherapie ist eine ganzheitliche Form der Physiotherapie“, sagt Holzleitner, die auch die Landesleitung für Hippotherapie in Oberösterreich inne- hat. Was die Therapie auf dem Pferderücken so besonders macht, sind zum einen die dreidimensionalen Schwingungsimpulse, die vom Pferderücken auf den Menschen übertragen werden. In der Gangart  Schritt sind das etwa 90 bis 110 Impulse pro Minute. Zum anderen ist es das Pferd selbst, das sich durch seine Kraft, durch seine beeindruckende Größe, seine feinen Sinne und seinen ruhigen Herzschlag von anderen Tieren abhebt. „Das Getragenwerden durch das Pferd ist in allen pferdegestützten Therapien etwas ganz Wesentliches“, sagt Holzleitner. „Das Pferd leiht mir seine Beine. So sehen es oft Patienten im Rollstuhl, die die Bewegung durch den Raum ganz intensiv erleben“, sagt die Scharnsteine­rin. Die Therapie selbst empfinden betroffene Kinder überaus positiv. „Sie gehen nicht zur Therapie, sondern zum Reiten. Das ist ein Unterschied. Die große Freude, die sie dabei empfinden, ist auch mit ein Grund für den Therapieerfolg“, sagt die The-
rapeutin.  

Das Österreichische Kuratorium für Therapeutisches Reiten (OKTR) bemüht sich seit 40 Jahren um die Entwicklung, den Ausbau und die Qualitäts-
sicherung des Therapeutischen Reitens. Vor allem Letzteres ist dem Verein ein großes Anliegen, denn das Angebot und damit auch der „Wildwuchs“ ist groß. Das OKTR listet auf seiner Homepage qualifizierte Therapeuten auf. Das Therapeutische Reiten gliedert sich in vier Sparten: die Hippotherapie, die Ergotherapie mit Pferd, die Heilpädagogische und Therapeutische Förderung mit dem Pferd sowie das Integrative Reiten (siehe Kasten rechts). Oberösterreich ist das einzige Bundesland, in dem die Kosten einer Hippotherapie übernommen werden, und zwar je zur Hälfte durch das Land Oberösterreich und den Krankenversicherungsträger. Die Hippotherapie muss ärztlich verordnet werden. Die Zielgruppe sind Menschen mit Bewegungsstörungen, motorischen Entwicklungsverzögerungen, Tonusanomalien bzw. neurologischen Erkrankungen sowie Menschen mit genetisch bedingten Syndromen. 

Vor allem beeinträchtige und behinderte Kinder, mit denen nur wenig Kommunikation möglich ist, pro­fitieren von tierischen Kontakten. Tiere können Tü­ren zu schwer zugänglichen Menschen öffnen. So können sie etwa bei nachfolgenden Behandlungen bes­ser und konzentrierter mitarbeiten. Kinder können beim Versorgen der Tiere erleben, wie ihr Tun etwas bewirkt und so einmal aus der Rolle der eigenen Be­dürftigkeit heraustreten. Ein weiterer Pluspunkt: Tiere spielen dem Menschen nichts vor. Sie leben in der Gegenwart und reagieren sensibel auf Stimmungen und Gefühle. 

Als vierbeinige Therapeuten vielfältig einsetzbar sind Hunde. Therapiehunde gibt es beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie oder Sprach-Sprechtherapie. „Kinder haben die größten Ressourcen, weil sie noch in der Entwick­lung stehen“, sagt Silvia Sturmberger aus Kirchdorf, die sich seit 20 Jahren mit tiergestützter Therapie be­schäftigt. Durch die wertfreie und positive Aktion mit den Hunden würden im Bereich der sozialen Kom­petenzen viele Erfolge erzielt. Bei Wahrnehmungsdefiziten könne der Hund den entscheidenden Anstupser zur Weiterentwicklung geben. „Weil die Mo­tivation vom Hund selbst so groß ist. Er ist ein Rudeltier und will mit dem Menschen etwas tun und das Beste aus ihm holen“, sagt Sturmberger. Sie verweist auf die enge Verbundenheit, die es zwischen dem Menschen und der Spezies Hund gibt. „Ohne den Menschen gäbe es den Hund nicht. Da steckt die lange Geschichte der Domestikation dahinter, die sehr mächtig ist – im positiven Sinn“, sagt Sturmberger. Daher komme der ausgeprägte Wille, dem Menschen zu gefallen, den Hundeexperten als „will to please“ bezeichnen. 

Die Ausbildung zum Therapiebegleithund ist genormt. Um diese Bezeichnung tragen zu dürfen, müssen sich Hundeführer und Hund einer staatli­chen Prüfung unter der Leitung des Messerli For­schungsinstitutes der Veterinäruniversität Wien unterziehen.

Lamas, Delfine und Schnecken

Aber nicht nur Pferde und Hunde sind als tierische Therapeuten beliebt. In Pflegeheimen, Kindergärten oder Altenheimen können auch Streicheltiere wie Kat­zen oder Hasen für stundenweise Besuche zum Ein­satz kommen. Es gibt Schwimmen mit Delfinen und Wandern mit Lamas. Unter dem Begriff „tiergestützte Aktivitäten“ kommen auch Bauernhoftiere wie Hühner oder Schweine zum Einsatz. Sogar mit Schnecken wird gearbeitet: Die überdimensionalen Achatschnecken werden schon in Kindergärten eingesetzt, um überaktiven Kindern zu helfen, sich in Geduld zu üben und ruhig zu bleiben. Schließlich will jedes Kind es schaffen, dass die Schnecke aus ihrem Haus kommt und dann den Arm entlang kriecht.

 

Das Wandern mit Alpakas liegt im Trend.

Therapeutisches Reiten

  • Die Hippotherapie als spezielle physiotherapeutische Behandlungsmethode. Sie wird ärztlich verordnet und darf nur von Physiotherapeuten mit Zusatzausbildung für Hippotherapie durchgeführt werden.
  • Die Ergotherapie mit Pferd wird ebenfalls ärztlich verordnet und von Ergotherapeuten mit Zusatzausbildung angeboten. Ziel ist die Verbesserung der Selbstständigkeit der Klienten.
  • Bei der Heilpädagogischen und Therapeutischen Förderung mit dem Pferd (HTFP) soll in erster Linie das Befinden, Sozialverhalten und die Persönlichkeitsentwicklung verbessert werden. 
  • Das integrative Reiten ist im engeren Sinne keine Therapieform. Es ist für Reiterinnen und Reiter mit Handicap gedacht, die Spannbreite reicht von „medizinisch wertvoller Freizeitgestaltung“ bis hin zur Teilnahme an Turnieren.

Hunde als Therapeuten

Tiergestützte Intervention wird am Beispiel Hund in zwei große Bereiche gegliedert: 

  • Assistenzhunde bleiben dauerhaft beim bedürftigen Menschen. Es gibt drei Kategorien: Blindenführhunde, Servicehunde (helfen zum Beispiel Menschen im Rollstuhl) und Signalhunde (warnen etwa Diabetiker vor Unterzuckerung).
  • Therapiebegleithunde: Sie gehen mit dem Hundeführer auf Einsatz. Entweder zur Unterstützung von Ergo- und Physiotherapeuten oder Logopäden („tiergestützte Therapie“) oder in der „tiergestützten Pädagogik“, wo sie etwa als Schulhunde im Einsatz sind. Alles andere wird unter „tiergestützte Aktivität“ zusammengefasst.

Bildquellen

  • Alpaka: farbkombinat - stock.adobe.com
  • Therapiehund: Jose Luis Stephens - Stock.Adobe.com
  • Therapiereiten: Nadine Haase - Stock.Adobe.com